Co Kim Ha Nguyen kommen die Tränen, als er vom Tod Rupert Neudecks erfährt. Der 76-Jährige kann nicht fassen, dass der Mann, der ihn gerettet hat, nicht mehr lebt. Er erinnert sich noch genau an die letzte Begegnung mit ihm. Ein paar Jahre ist das her, dass er ihm auf einem Bürgerfest in Troisdorf ein selbst gemaltes Bild überreichte. Darauf: die Cap Anamur.
"Ich dachte, vor mir steht ein Engel. Es gibt keinen Menschen wie ihn. Einer, der nicht zuerst an sich denkt, sondern an andere. Worte allein reichen nicht, um ihm zu danken."
Versucht hat er es trotzdem immer wieder. Hat Spenden gesammelt für Neudecks Hilfsorganisation, der er wie so viele tausend Vietnamesen sein Leben verdankt. Es war im Herbst 1979 als sich der Soldat entschloss zu fliehen, vor Hunger, Armut und vor den Kommunisten. Zwei Mal wird er von Schleppern betrogen, die mit seinem Gold verschwinden. Beim dritten Mal gelingt es ihm an Bord eines der kleinen, altersschwachen Boote zu gelangen, die in Südvietnam ablegten.
"Wir wussten nicht wohin unser Boot fährt. Und das war auch nicht wichtig. Unser Ziel war kein Land, sondern die Freiheit. Drei Tage waren wir dann auf dem Meer, bis uns ein großer Frachter an Bord genommen hat. Dieses Gefühl werde ich nie vergessen."
Ohne einen Cent kommt er nach Deutschland, wird zunächst in einer Erstaufnahmerichtung in der Nähe von Köln aufgenommen. Nach nur zehn Tagen bekommt er einen festen Wohnsitz zugewiesen. Doch es wird ein Jahr dauern, bis er seine Frau und seine acht Kinder aus Vietnam einfliegen lassen kann. Tochter Kim Huynh Dao ist mittlerweile 35 und selbst Mutter. An ihre Ankunft in Deutschland erinnert sie sich noch genau.
"Das Erste, was wir bekommen haben, das waren Birnen. Deshalb werde ich diese Obstsorte nie vergessen, das hat so lecker geschmeckt. Die haben dann vom Garten gesammelt, Spenden, die an uns weitergegeben wurden und das war unvergesslich."
"Er war ein so lustiger Mensch"
Der Familie gelingt es, sich einzugewöhnen, die Sprache zu lernen – den Kindern besser, als den Eltern. Vater Co Kim Ha beginnt zu malen, auf Leinen, auf Seide und schafft es, damit die Familie zu ernähren. Deren Lebensmittelpunkt liegt lange Jahre in Troisdorf, der Heimat Rupert Neudecks und vieler Vietnamesen. Wiedersehen gab es dort immer wieder. Ob auf einem der vielen Feste von "Cap Anamur" oder auch im Restaurant von Tochter Kim Huynh Dao.
"Ich habe ihn natürlich sofort erkannt. Seine Frau auch, weil wir ja damals immer was gemacht haben. Die haben bei uns gegessen. Also Herr Rupert Neudeck hatte damals Hühnchenfleisch mit Gemüse gegessen und als sie fertig gegessen hatten, wollten sie natürlich bezahlen und ich konnte das Geld nicht annehmen. Und da sagte er zu mir, wenn ich das nicht annehme, würde er nie mehr wiederkommen. Und durch diese Angst, dass er nicht wiederkommt, habe ich das Geld genommen. Er hat drauf bestanden. "
Nur eines von vielen kleinen Beispielen, die sein gutes Herz zeigten. Ein Mensch, der sich für andere einsetzt, nicht nur für die Bootsflüchtlinge aus Vietnam, sondern für alle, die Hilfe dringend nötig hätten – so werden Co Kim Ha und seine Tochter Rupert Neudeck in Erinnerung halten. Und da sei noch etwas, dass er nie vergessen werde, sagt der ehemalige Flüchtling und lächelt.
"Seinen Humor! Er war ein so lustiger Mensch. Trotz alldem immer für einen Scherz zu haben."