Im Büro von Khoa Le Trung, gleich neben dem vietnamesischen Großmarkt im Osten Berlins, hängt ein großer Bildschirm. Darauf ist die Website von thoibao.de zu sehen, der Online-Nachrichtenplattform, mit der Khoa Le Trung mittlerweile Millionen vietnamesischer Leser erreicht. In Vietnam allerdings ist die Website gesperrt, seitdem thoibao kritische Töne gegenüber der kommunistischen Regierung anschlägt. Seine Leserinnen und Leser in Vietnam erreicht Khoa allein über das soziale Netzwerk Facebook und den Videokanal YouTube.
"Facebook ist für mich sehr wichtig, weil thoibao.de in Vietnam gesperrt ist. Deswegen muss über Youtube, über Facebook versenden und verbreiten, damit die Leute in Vietnam es sehen und hören können."
Kontosperrung durch Facebook-Lücke
Besonders schmerzhaft war deswegen, was Khoa zu Beginn des Monats widerfuhr: Ohne Vorwarnung sperrte Facebook sein persönliches Konto und das seiner Zeitung – just zu dem Zeitpunkt, als Khoa ein Live-Interview mit einem prominenten vietnamesischen Dissidenten senden wollte. Wie Facebook nun auf Anfrage des Deutschlandfunks bestätigte, wurden Khoa Le Trung und seine Online-Zeitung Opfer eines Angriffs. Gegner des Journalisten hatten sich eine Lücke in den Facebook-Regeln zunutze gemacht, um eine sofortige Sperrung des thoibao-Kontos zu provozieren. In einer Stellungnahme von Facebook Deutschland heißt es:
"Die Facebook-Seite von thoibao.de war aufgrund einer gezielten Aktion durch Dritte vorübergehend nicht erreichbar. Die Seite ist mittlerweile wieder hergestellt und wir haben uns bei den Seitenbetreibern persönlich entschuldigt."
Knapp eine Woche war thoibao.de auf Facebook gesperrt. Ende der vergangenen Woche schließlich erhielt Khoa eine Entschuldigung, die Aufschluss darüber gibt, wie perfide seine Gegner vorgingen, um ihn von der vietnamesischen Öffentlichkeit abzuschneiden: Über Nacht wurde er von Dritten ungefragt zum Administrator einer Facebook-Gruppe ernannt, die besonders drastisch gegen die Gemeinschaftsstandards von Facebook verstieß. Da Khoa als Administrator eingetragen worden war, ging der Algorithmus, der derlei Verstöße ahndet, davon aus, dass er dafür verantwortlich ist. Das hatte zur Folge, dass sein persönliches Facebook-Konto und das von thoibao.de, für das er verantwortlich zeichnet, automatisch gesperrt wurden. Facebook gab nicht bekannt, wer für die Attacke verantwortlich ist. Khoa Le Trung ist sich sicher, dass die Regierung in Hanoi dahinter steckt.
"Die kommunistische Seite möchte nicht, dass ich diese Informationen verbreite, weil es sehr gefährlich ist für das System in Vietnam, in Hanoi."
Facebook entschuldigt sich - und ändert Benutzerregeln
Khoa geht davon aus, dass die Ausstrahlung seines Interviews mit dem mittlerweile in Deutschland lebenden Bürgerrechtler Nguyen Van Dai blockiert werden sollte. Dieser war an dem Tag vom Menschenrechtsausschuss des Bundestages eingeladen worden, um über die Menschenrechtslage in Vietnam zu sprechen. Khoa berichtete von weiteren kritischen vietnamesischen Journalisten, die bei Facebook gesperrt wurden - womöglich mit demselben Trick, der auch zur Sperrung von thoibao.de geführt hat. Facebook hat als Reaktion auf diesen Fall seine Benutzerregeln für über zwei Milliarden Nutzer weltweit geändert. In der Erklärung des Unternehmens heißt es:
"Wir haben unterdessen eine Produktänderung vorgenommen, damit sich solch ein Missbrauch nicht wiederholen kann."
Durch diese Änderung können Facebook-Nutzer nicht mehr ohne ihr Wissen zum Administrator einer Gruppe ernannt werden. Das ist nun erst möglich, wenn sie ihr Einverständnis geben. Khoa war mit seiner Online-Zeitung schon zuvor Opfer von Drohungen und Hacker-Angriffen geworden. Seine Website wurde wiederholt lahmgelegt. Ein in Deutschland lebender Vietnamese, drohte Khoa, er wolle ihn - so wörtlich - "zu blutiger Ente" einladen - was auf Vietnamesisch als verklausulierte Morddrohung gilt.
"Auch danach hatte ich über Facebook und Youtube sehr viele Kommentare, die mich bedrohten."
Khoa erhielt Sicherheitstipps vom Landeskriminalamt und wählt heute zum Beispiel wechselnde Routen, wenn er aus dem Büro nach Hause fährt. Khoa hatte erstmals den Unmut Hanois auf sich gezogen, als er über die Entführung des vietnamesischen Geschäftsmanns Trinh Xuan Thanh durch den vietnamesischen Geheimdienst aus Berlin im Sommer 2017 berichtete. Auch berichtete er kritisch über den Besuch des vietnamesischen Ministerpräsidenten Nguyen Xuan Phuc anlässlich des G20-Gipfels in Hamburg.