"Viktor Ullmann "

Nicht nur aus einer ganz anderen Zeit, sondern eben von ganz anderem Zuschnitt ist die Musik eines Viktor Ullmann. Mitsuko Shirai und Hartmut Höll haben zusammen mit Elisabeth Verhoeven bei Capriccio Vokalkompositionen von Ullmann herausgebracht, wobei ein Großteil der CD einer Rezitation vorbehalten ist: der "Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke" für Sprecher und Klavier. Das ist ein erschütterndes Dokument, vollendet am 29. September 1944 im Konzentrationslager Theresienstadt. Am 16. Oktober wurde Ullmann nach Auschwitz transportiert, wo man ihn zwei Tage später ermordete. In seiner letzten Klaviersonate, ebenfalls 1944 in Theresienstadt komponiert und von der Schnabel-Schülerin Edith Kraus dort auf einem Flügel gespielt, dessen Korpus man auf Kisten gelegt hatte, weil ihm Beine und Lyra fehlten, - in dieser letzten Klaviersonate zitierte Ullmann noch aus Bachs "Kunst der Fuge". Hier nun, in seinem letzten vollendeten Werk, griff er auf Rilke zurück. Sie hatten tatsächlich noch Hoffnung damals in Theresienstadt, wo schon Tausende verhungert waren, denn die Alliierten rückten von Tag zu Tag weiter vor; doch die nationalsozialistische Todesmaschinerie vernichtete noch Abertausende, bis sie zum Stillstand kam. * Musikbeispiel: Viktor Ullmann - Die Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke (Ausschnitt) Ein kleiner Ausschnitt aus der "Weise von Liebe und Tod des Cornets Christoph Rilke" von Viktor Ullmann mit Elisabeth Verhoeven und Hartmut Höll. Ebenfalls in Theresienstadt entstanden 1943 drei Hölderlin-Lieder Ullmanns, die zum Stärksten gehören, was uns dieser Komponist hinterlassen hat. Gerade bei Hölderlin erweist sich Ullmanns freies Melos als eine Liebeserklärung an die poetische Tiefe der deutschen Sprache. Das immer noch singuläre Duo Shirai-Höll ist denn auch bei "Der Frühling" einmal mehr auf der Höhe seiner Kunst. * Musikbeispiel: Viktor Ullmann - "Der Frühling" (Ausschnitt) Diese Ullmann-CD mit Mitsuko Shirai, Elisabeth Verhoeven und Hartmut Höll zählt zum Wichtigsten, was es im Bereich der Vokalmusik in den letzten Jahren gegeben hat. Sie enthält außerdem noch fünf Liebeslieder nach Riccarda Huch, die Ullmann 1939 in Prag komponierte, als ihm, der 1933 Deutschland hatte verlassen müssen, nun im sogenannten Protektorat Böhmen und Mähren unter der deutschen Besatzung das Leben schwerer und schwerer gemacht wurde. Es ist eigentlich unfassbar, wie unerschütterlich Viktor Ullmann an die andere deutsche Kultur zu glauben nicht aufhörte.