Der FC Viktoria 1889 Berlin träumt von der Fußball-Bundesliga. Obwohl die Männermannschaft am letzten Spieltag aus der 3. Liga abgestiegen ist und jetzt in der Regionalliga Nordost spielen muss. Aber da gibt es ja noch die Frauenabteilung von Viktoria.
Die Frauen spielen aktuell noch drittklassig. Aber der Verein hat die Abteilung als GmbH ausgegliedert. Sie steht jetzt unter der Führung von sechs Gesellschafterinnen, darunter auch die zweifache Weltmeisterin Ariane Hingst.
Hingst: "Eine Herzensangelegenheit"
Sie sagt: „Für mich persönlich als Berlinerin in der Lage zu sein, den Frauenfußball in meiner Heimatstadt nach vorne zu bringen und dafür zu sorgen, dass wir hoffentlich in einigen Jahren einen Bundesligisten haben, ist natürlich eine Herzensangelegenheit. Wir haben sicherlich unterschiedliche Beweggründe. Auf jeden Fall sind alle sechs Gründerinnen fußballbegeistert, frauenfußballinteressiert auch.“
Neben Hingst gehören zum Team die Investorin Verena Pausder, die Journalistin Felicia Mutterer, Tanja Wielgoß, Vorstandsvorsitzende der Vattenfall Wärme Berlin AG, Katharina Kurz, Geschäftsführerin von BRLO Craft Beer, und die OneFootball-Marketingexpertin Lisa Währer. Ein bunter Haufen.
„Das ist genau das Spannende, was unsere Gruppe ausmacht, diese Diversität, aus sämtlichen Bereichen zu kommen, wirklich ganz viel abzudecken und damit schon als Gründungsnetzwerk breit aufgestellt zu sein“, so Hingst.
Angel City FC als Vorbild
Als ein Vorbild fungiert der US-Club Angel City FC, der 2020 von einer Gruppe von prominenten Frauen, darunter der Hollywood-Schauspielerin Natalie Portman, gegründet wurde. Die deutsche Nationaltorhüterin Almuth Schult ist mittlerweile von Wolfsburg nach Los Angeles gewechselt.
Allerdings lässt das US-System zu, dass Angel City sofort in der höchsten Spielklasse antreten kann. Ganz so leicht hat es Viktoria Berlin nicht, meint auch Hingst: „Natürlich kann man den Sport in Amerika und Deutschland nicht miteinander vergleichen, aber zumindest die Idee, zu sagen, man kann da etwas Großes erschaffen.“
Und dass ausgerechnet Viktoria und nicht etwa ein noch größerer Club ausgewählt wurde, hat auch seine Gründe. „Als diese Idee geboren wurde, wurden Gespräche mit Vereinen geführt. Bei Viktoria hatten wir von Anfang an Gesprächspartner mit offenem Ohr, mit Bereitschaft, die sich auch für diese Idee begeistern konnten.“
Neben den sportlichen Ambitionen für Viktoria wollen die Gründerinnen noch weitreichendere Motive verfolgen. Denn trotz aller positiver Entwicklungen im Frauenfußball fehlt es teils noch an professionellen Strukturen.
"Wollen die Marke Viktoria Frauenfußball schaffen"
„Also das Wichtigste ist und als Kernaussage kann man sicherlich sagen: Wir wollen die Marke Viktoria Frauenfußball schaffen. Und da ein bisschen andere Wege gehen. Da geht es um das Thema ‚Equal Pay‘, wobei, bitte nicht falsch verstehen, wir sind nicht der Meinung, dass die Frauen jetzt Millionenbeträge verdienen müssen. Das finde ich absolut ungesund übrigens im Fußball. Sondern es geht vor allem um Chancengleichheit, um Investitionen im Frauenfußball, um den Spielerinnen die Möglichkeiten zu geben, auf höchstem Niveau zu spielen und wirklich Profisportler zu sein.“
Equal Pay, also die gleiche Bezahlung im Männer- und Frauenfußball, wird seit geraumer Zeit diskutiert. In den Vereinigten Staaten erhalten die Frauen und Männer seit diesem Jahr genau die gleichen Anteile aus den Einnahmen des Verbandes. Allerdings sei ein Vergleich zwischen Deutschland und den USA unangebracht, sagte Silke Raml kürzlich im Deutschlandfunk. Sie ist Vertreterin des Deutschen Fußball-Bundes in der UEFA-Kommission für Frauenfußball.
„Denn in Amerika ist es so, dass die Frauen mehr Umsätze generieren als die Herren. Und deshalb ist es aus meiner Sicht in Amerika durchaus üblich jetzt, oder man konnte die Forderung aufstellen, dass die Frauen genauso bezahlt werden wie die Herren. Und da sind wir in Deutschland noch meilenweit von dieser Ausgangssituation entfernt.“
Investorenpool soll mehrheitlich weiblich sein
Raml spricht davon, dass hierzulande erst noch infrastrukturelle Hausaufgaben erledigt werden müssten – also genau das, was einer der Grundgedanken des Viktoria-Projekts sein soll. Ein Projekt, das auch von Frauen geprägt sein soll. Der Investorenpool soll mehrheitlich weiblich besetzt sein, wie Hingst erklärt. Für sie gehe es um einen Paradigmenwechsel, aber keinesfalls um eine Konfrontation zwischen Frauen und Männern im Fußball.
„Ich weiß, gerade im Fußball haben wir so veraltete, verstaubte Strukturen, die endlich aufgebrochen werden müssen. Und ich denke, für uns ist es eine riesige Sache zu sagen, wir haben hier sechs Frauen in der Position, auch Geschäftsführerinnen, die das Ganze erstmal übernehmen, um es voranzutreiben. Nichtsdestotrotz haben wir in der sportlichen Leitung mit Henner Janzen einen Mann, der uns da beratend zur Seite steht. Das heißt, auch wir wollen uns divers aufstellen.“
Männer brauchen sich folglich keine Sorgen zu machen, dass ihnen jetzt gänzlich der Kampf im Berliner oder gesamtdeutschen Fußball von den Macherinnen von Viktoria angesagt wird. „Es geht nicht darum, die Männer zu vertreiben, um Gottes Willen. Es geht aber darum ein neues Bild zu erschaffen und zu erbauen. So langsam wacht die Bevölkerung auch auf und sieht die Notwendigkeit dieser Veränderung.“