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Vinyl aus Tschechien liegt im Trend

In Deutschland wurden im vergangenen Jahr so viele Schallplatten verkauft wie in den letzen 17 Jahren nicht mehr. Viele von ihnen kommen aus dem tschechischen Lodenice, einem unscheinbaren Ort unweit von Prag. Für die dortige Schallplattenfabrik ist das einst totgesagte Vinyl ein Verkaufsschlager.

Von Katrin Materna | 03.01.2012
    Aus dem Kopfhörer von Miluse Konvalinkova dröhnt Heavy Metall. Welche Band sie da hört, weiß die 56-jährige mit dem Mahagoni gefärbten kurzen Haar und dem verwaschenen Polo-Hemd nicht. Denn Musik zu hören ist nicht ihr Hobby: Es ist ihr Job.

    Wie viele Alben hören Sie am Tag ab?

    "Das ist sehr unterschiedlich, im Schnitt wohl so zehn."

    Macht das Spaß?

    "Es ist sehr anstrengend!"

    Warum?

    "Manchmal ist das, was man da hören muss, grauenhaft. Ich höre auch zu Hause Musik, aber das sind dann andere Töne! Man braucht ein musikalisches Gehör, aber auch verdammt starke Nerven für diese Arbeit."

    Eher ein Traumjob für Heavy-Metal-Fans also. Und verantwortungsvoll obendrein, wie Jaroslav Jungman, der Kundendienst-Chef des Unternehmens, erklärt.

    "Das hier ist unsere Kontrollstation. Die Mitarbeiterinnen hören sich die ersten gepressten Platten einer Auflage an, um zu überprüfen, ob überhaupt die richtige Aufnahme auf der Platte ist, ob alle Songs drauf sind, ob der Ton in Ordnung ist."

    Erklärt Jaroslav Jungmann, der Kundendienst-Chef der Plattenfabrik im tschechischen Lodenice.

    Der enge Raum, in der Miluse Konvalinkova und ihre Kolleginnen acht Stunden am Tag Hörproben kontrollieren, liegt in der äußersten Ecke der alten Werkshalle. Sie ist das Herzstück der Fabrik.

    In der Halle ist es stickig. Die 14 alten Schallplatten-Pressen machen gehörigen Lärm. An einigen der dunkelgrünen Kolosse ist der Lack bereits ab. Nur ein paar rechteckige Bedienknöpfe - von Hightech keine Spur. Heute sind klassische schwarze Platten dran, deshalb liegt in den Holzkisten neben den Maschinen Vinyl-Granulat. Es ist der "Stoff", aus dem die Platten gemacht werden. Das grobkörnige Granulat sieht aus wie kleine Kieselsteine. Es glitzert schwarz.

    "Wenn wir in die Maschine hineinschauen, dann sehen wir, dass ganz links das Granulat erhitzt wird. Es wird also zunächst einmal plastifiziert, um dann weiter verarbeitet werden zu können."

    Die klebrige, warme Masse landet in Form eines etwas zu groß geratenen Eishockey-Pucks neben der eigentlichen Presse. Eine Mitarbeiterin nimmt den Rohstoff für jede einzelne Schallplatte in die Hand. Sie legt ihn zusammen mit den Etiketten zwischen die beiden Pressmatrizen. Schon ist der Pressvorgang in vollem Gange.

    "Durch den Druck und den Dampf, der hineinströmt, entsteht die Schallplatte."

    Das dauert keine 30 Sekunden. Die Arbeiterin entnimmt die Platte und legt sie vorsichtig auf einen Schneideteller. Dort trennt sie den überstehenden Rand ab, der beim Pressen entsteht. Fertig.

    Produziert wird hier rund um die Uhr: Die 30 Mitarbeiter arbeiten in drei Schichten, so groß ist die Nachfrage. Dabei hatte das Traditionsunternehmen Anfang der 90er-Jahre auf die vielversprechenden CDs umgesattelt, denn das Vinyl galt als überholt. Die alten Pressmaschinen wurden aber nicht entsorgt. Eine weise Entscheidung, denn gerade weil die Maschinen veraltet sind, sind sie inzwischen Gold wert.

    "Unsere Maschinen sind 60 Jahre alt. Für uns bedeutet das jedoch einen klaren Wettbewerbsvorteil. Dank der manuellen Arbeit, die diese Maschinen erfordern, sind wir in der Lage, viele Spezialeffekte zu erzielen: verschiedene Motive für A- und B-Seiten, mehrfarbige Designs, die aussehen wie gebatikt und und und. Vieles davon ist im automatisierten Verfahren mit modernen Maschinen so nicht möglich."

    Sechs Millionen Schallplatten verlassen diese Hallen pro Jahr. Davon gehen drei Viertel nach Europa, vor allem nach Deutschland, und der Rest in die USA. Das Unternehmen fährt jährliche Gewinnzuwächse von zehn Prozent ein.

    "Wir haben einen Exklusiv-Vertrag mit Universal, deren Vinyl-Ausgaben stellen ausschließlich wir her."

    Erzählt Jaroslav Jungman stolz. Dazu kommen Aufträge von Sony, EMI und einigen kleineren Labeln.

    "Die neue Ära begann Ende der 90er-Jahre. Viele Musikliebhaber haben da begonnen, wieder Vinyl zu kaufen, weil die Qualität des Klangs eben doch besonders ist. Da haben wir begriffen, dass es wieder Sinn macht, auf die gute alte Schallplatte zu setzen."

    Die Wiedergeburt der Schallplatte zieht sich inzwischen quer durch alle Musik-Genres. Auf den Covern der Platten, die von Lodenice aus die Welt erobern, stehen neben bekannten Heavy-Metall-Bands die Namen berühmter Künstler wie den Rolling Stones, U2 oder Take that.