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Viren schützen Pflanzen

Viren haben allgemein einen schlechten Ruf: Haben sie einmal einen Wirtsorganismus gefunden, vermehren sie sich rasant und machen krank. Man müsste Viren nur gegen die richtigen Organismen einsetzen, sagten sich Forscher der Universität Wageningen. Auf dieser Grundlage entwickeln sie neue Methoden für den Pflanzenschutz.

Von Remko Kragt |
    Es muss kein Gift in der Spritze sein, wenn es darum geht, Raupen und schädliche Insekten aus der Obstplantage zu vertreiben. Diese Düse versprüht eine für die Pflanze harmlose Flüssigkeit, die Viren enthält. Sie haften an den Blättern und tun dort erst mal gar nichts.

    Die Raupen dagegen gehen weiter ihrem Geschäft nach und Fressen Blatt um Blatt - jetzt auch die mit den Viren. Das wird ihnen zum Verhängnis. Denn die Viren werden in den Raupen aktiv und vermehren sich massenhaft in ihnen. In wenigen Tagen verwandeln sie die Tiere in eine schleimige, leblose Masse. Die Pflanzenschützer nutzen damit die einzige Tätigkeit, die aktive Viren entfalten, erläutert Just Vlak, Virologe an der Universität Wageningen.

    "Das einzige, was einen Virus interessiert, ist, sich schnellstmöglich und in möglichst großer Zahl zu vermehren. Dafür schaltet das Virus als erstes die Abwehr seines Wirtes aus. Danach programmiert es die DNA des Wirtes so um, dass diese am Ende nur noch mit der Herstellung neuer Viren beschäftigt ist."

    Viren bestehen lediglich aus Erbinformation mit einer Hülle aus Eiweiß. Jede Virenart kann nur bestimmte Tiere infizieren. Im Pflanzenschutz werden stabförmige Baculoviren eingesetzt, die nur für wirbellose Tiere gefährlich werden können.

    "Die Viren verändern auch das Verhalten der Raupen: infizierte Tiere klettern auf den Pflanzen nach oben. So sorgen die Viren auch indirekt für ihre Vermehrung. Denn die Rückstände der Raupe enthalten sehr viele Viren, die sich von oben nach unten wieder über die Pflanze verteilen können."

    Für industriell hergestellte Spritzmittel werden Viren eigens gezüchtet. In West-Europa, sagt Just Vlak, schützen diese Mittel schon heute mehr als 100.000 Hektar Obstplantagen gegen Apfelspinnerraupen, die sonst immense Schäden anrichten könnten.

    "Und das mit großem Erfolg. Die Methode ist umweltneutral, denn es bleibt eigentlich nichts zurück. Und das Virus selbst ist schon lange Bestandteil des ökologischen Systems. Es wird also nichts Unbekanntes verbreitet. Das ist der Unterschied etwa zu toxischen Mitteln oder zur Genmanipulation."

    Schwierigkeiten bereiten allenfalls auftretende Resistenzen bei den Schädlingen. Resistenzen entwickeln sich, weil DNA-Strukturen sich bei der Fortpflanzung immer wieder verändern. Die Infektion mit Viren bewirkt daher, neben der beabsichtigten Schutzwirkung, auch eine Selektion. Denn Insekten, denen die Viren nichts anhaben konnten, überleben und können sich weiter fortpflanzen. Sie sorgen nun ihrerseits dafür, dass die Viren sich nicht weiter ausbreiten, weil diese die DNA-Stellen, die sie zum Andocken brauchen, nicht mehr finden.

    Aber auch Viren mutieren laufend - das ist ihre zweite charakteristische Eigenschaft. So kommt es, wie etwa bei den jährlichen Grippeepidemien, zu immer neuen Wirt-Virus-Paarungen. Für den Pflanzenschutz bedeutet das, dass sich immer wieder passende Viren finden, auch wenn sich die Raupen-DNA verändert. Zufall spielt dabei auch eine Rolle.

    Die Wissenschaftler suchen nun weitere Viren für den gezielten und umweltfreundlichen Pflanzenschutz - nicht zuletzt, um die chemische Schädlingsbekämpfung zurück zu fahren. Just Vlak:

    "Man kann kein Mittel ganz verbieten, wenn es keine Alternativen gibt. Aber hier gibt es Alternativen, die sogar sehr gut funktionieren."