Die CeBIT will wieder mehr für den Fachbesucher bieten. Und der ist weniger an Unterhaltung interessiert als vielmehr an möglichst sicheren Computern und möglichst einfach zu verwaltenden Systemen. Gleichzeitig werden aber die Hacker immer schlauer und die Computersysteme immer komplexer. Je undurchschaubarer und unübersichtlicher beispielsweise ein Betriebssystem wird, umso unsicherer ist es. Der Anwender weiß dann nicht einmal mehr, wo die Gefahren liegen und worauf er achten muss. Nur eine Antivirensoftware auf den Rechner aufzuspielen und sich dann zurückzulehnen, reicht nicht aus. Die Hersteller von Antiviren-Software wissen das und haben darauf reagiert. Wer durch Halle sieben auf dem Messegelände in Hannover geht, findet denn auch eigentlich keine klassischen Hersteller von Antiviren-Software mehr, sondern Lösungsanbieter in Sachen Sicherheit. Zum Beispiel Alexander Köhler von der ICT Limited, der das erste Sicherheitspaket nach den Standards der Trusted Computing Alliance für Notebooks präsentiert. Notebooks haben nämlich ganz besondere Sicherheitsanforderungen, meint Alexander Köhler:
"Bei der Hardware geht es darum, dass Sie im ausgeschalteten Zustand wie auch im eingeschalteten Zustand, wir unterscheiden da immer Power off und Power on Situationen, die Möglichkeit haben, alle Sicherheitsmaßnahmen durch Software zu verankern, also zu schützen, das heißt, die klassischen Angriffe gegen Notebooks im ausgeschalteten Zustand oder im eingeschalteten Zustand sind nicht mehr möglich. Das wird dadurch verhindert, dass hier zum Einsatz zwei Komponenten kommen: ein Hardwarechip unter der Bezeichnung TPM, Trusted Platform Module, standardisiert von der Trusted Computing Group, und im ausgeschalteten Zustand übernimmt eine selbstverschlüsselnde Festplatte den Schutz des gesamten Notebooks."
Dann können die Daten nicht mehr mitsamt dem Laptop einfach geklaut werden. Zumindest kann der Dieb mit den verschlüsselten Daten dann überhaupt nichts anfangen. Aber allein in Europa versuchen jeden Tag, Datendiebe ungefähr 1700-mal in der Stunde in fremde Rechner einzudringen und Daten zu stehlen. Das machen sie mit so genannter Schadsoftware, die inzwischen weit über die bekannten Viren und Würmer hinausgeht. Viren-Signaturen herunterzuladen und Dateien damit zu überprüfen, reicht deshalb für einen effizienten Schutz nicht aus. Eugene Kaspersky, Spezialist für Schadsoftware und Computersicherheit, erläutert, wie man Datendieben und Hackern heute auf die Spur kommt und ihr schlimmes Tun verhindert:
"Wir haben eine Aufspür-Routine entwickelt, die das Verhalten eines Programms, einer Software regelrecht nachahmt und dann prüft, ob es verdächtig ist oder nicht. Wir nennen das eine generische Aufspür-Routine. Wir schauen uns dabei das Skelett der Software, den Algorithmus, den Code genau an, um herauszufinden, ob eine Datei gefährlich ist. Dann setzen wir Verhaltensblocker ein, Überwachungsprogramme, die die Ausführung von Anwendungsprogrammen beenden, wenn verdächtige Aktionen ausgeführt werden. Gleichzeitig machen wir die Änderungen rückgängig, die der Trojaner eventuell vorgenommen hat."
Für die Systemverwaltung hat Novell mit Zenworks eine neue Managementsoftware vorgestellt, die auch Sicherheitsbedürfnisse mit berücksichtigt. So eine Management-Software muss viele Betriebssysteme verwalten können. Martin Buckley von Novell:
"Das Zenworks Management System läuft auf Servern unter Linux. Aber es läuft genauso gut auf Windows-Servern. Die Anwender können Zenworks in einer heterogenen Umgebung nutzen. Zenworks sorgt für die Software-Verteilung und das Softwaremanagement, die Zugriffsverwaltung und die Fernsteuerung von Rechnern – auch unter Windows Vista. Und natürlich managed es auch die Vista-Patches. Zenworks hilft dem Anwender von Windows 2000 oder Windows XP auf Vista zu wechseln."
Gerade der Wechsel auf Windows Vista bereitet den IT-Chefs in den Unternehmen so richtig Bauchweh. Denn das neue Microsoft-Betriebsystem muss in eine heterogene Umgebung mit Linux- und Großrechnerbetriebssystemen eingebunden werden. Und viele unternehmensspezifische Softwarepakete müssen auch unter Vista laufen, obschon sie dafür ursprünglich eigentlich gar nicht programmiert worden sind.
Zwei klassische Softwarelösungen standen gestern hier auf der CeBIT im Mittelpunkt der so genannten ICT-Preisverleihung. Der ICT-Preis wird jährlich von der Europäischen Kommission vergeben und zwar an zwanzig Firmen der Informations- und Kommunikationstechnik, die wirklich innovative High-Tech-Lösungen entwickelt haben. Und drei von Ihnen bekommen den mit je 200.000 Euro dotierten ICT Grand-Prix. Transitive aus Großbritannien hat den Preis für seine Lösung Quick-Transit erhalten. Das ist ein Software-Paket, dass vor allem für Manager von großen Datacentern – klassisch auch Rechenzentrum genannt – gedacht ist:
"Unser Produkt übersetzt verschiedene Anwendungen, um sie auf unterschiedlichen Computerplattformen laufen lassen zu können. So erlaubt es der Datenmanagement-Zentrale, die Hardware aufzurüsten von einer Computerfamilie zur anderen, ohne bei den Anwendungen irgendetwas ändern zu müssen. Unser Produkt ist vollständig transparent, sehr zuverlässig und im besten Fall läuft es einfach, ohne dass es jemand merkt."
Hinter dieser recht trivialen Erklärung steckt eine gehörige Portion Informatik-Knowhow. Denn ganz so einfach ist es nicht, Programme automatisch auf die aktuelle Linux-Plattform zu übertragen, die einst für Solaris entwickelt wurden. Das Betriebssystem Solaris ist in die Jahre gekommen und wird zunehmend ausgemustert. Doch die Anwendungssoftware ist das eigentliche Betriebskapital vieler Unternehmen. Diese Investition kann so über verschiedene Betriebssystem- und Hardwaregenerationen geschützt werden. Der zweite Preisträger des ICT-Preises war die schwedische Firma Telepo. Ihr Produkt heißt Telepo Business Communication und Lars-Michael Paqvalen erklärt den Hintergrund:
"Wir bringen Mobilfunk und Datennetzwerke zusammen und liefern dabei Dienste unabhängig vom Netzanbieter auf der ganzen Welt. Heute kaufen Sie ja bestimmte Dienste von Ihrem Netzanbieter und wenn Sie dann auf Dienstreise gehen, dann funktionieren diese Dienste nicht mehr. Wir sorgen dafür, dass alle Dienste in Unternehmensnetzen und der Zugriff darauf überall auf der Welt funktioniert. Egal, ob sie über gewohntes Netzwerk zugreifen oder ein fremdes, egal ob über WLAN, Mobilfunk oder Festnetz. Sie sind immer online."
Der dritte Gewinner des mit je 200.000 Euro sehr großzügig ausgestatteten ICT-Preises ist die Firma Treventus Mechatronics aus Österreich. Sie wurde für ihren Buchscanner ausgezeichnet, den Marco Barth erklärt:
"Es ist sehr einfach: mit einem Luftstromsystem blättern wir die Seiten um und scannen mit unserer eigenen Kamera. Ein großer Vorteil ist: wir brauchen die Bücher dazu nur maximal 60 Grad zu öffnen und so werden sie nicht zerstört beim Einscannen. Die meisten, älteren Bücher lassen sich nicht mehr öffnen als vielleicht 70 Grad. Damit können normale Scanner nicht eingesetzt werden."
Wer schon ein mal einen herkömmlichen Buchscanner gesehen hat, und hier auf der CeBIT werden einige davon gezeigt, der versteht sofort, warum besonders Archiviare und Konservatoren auf die neue Methode abfahren. Denn üblicherweise muss das Buch auf 180 Grad aufgeklappt und dann die Seiten mit einer Glasscheibe beschwert werden, damit ein exakter Scan entsteht. Nach dieser Prozedur bleibt oft einiges an der Scheibe haften. Teils Farbreste, teils ganze Papierfetzen. Von schonend kann da keine Rede sein. Bei nur 60 Grad Öffnung und einem sanften Luftstrom zum Umblättern haben die Seiten wertvoller Folianten eine bessere Chance, die Reproduktion unbeschädigt zu überstehen. Trotzdem aber ist der Scanner fix – er schafft immerhin 2400 Seiten pro Stunde. Das sind gute Voraussetzungen, um so wertvolle Sammlungen unseres europäischen Kulturschatzes bewahren zu können, ohne sie vor der Öffentlichkeit verstecken zu müssen. Denn es gibt Bücher, bei denen sich die Museumsleute jedes Jahr einen regelrechten Ruck geben müssen, um in der Buchvitrine eine neue Seite aufzuschlagen. Schon das Umblättern könnte irreparable Schäden verursachen.
Ist erst einmal alles eingescannt, dann stünde für den Alltagsgebrauch die digitale Kopie über das Internet zur Verfügung. Doch das ist natürlich ein ganz anderes Erleben: Die mittelalterliche Ausgabe einer Bibel hat ja eine Struktur, das Papier fühlt sich ganz besonders an, und die Seiten lassen sich auf eine ganz besondere Art und Weise umzublättern. Forscher des Fraunhofer Institutes für Medienkommunikation in Bremen überlegen sich deshalb, wie man in der elektronischen Version zwar nicht das gleiche Erlebnis, aber doch ein besonderes Leseererlebnis hervorbringen kann. Monika Fleischmann leitet das E-Culture genannte Projekt. Sie steht vor einem großen, hochauflösenden Flachbildschirm, der das virtuelle Buch anzeigt:
"Das ist sozusagen eine Simulation eines klassischen Buches in 3D, möglichst in haptischer Wirkung. Es soll sozusagen ein anfassbares Gefühl geben. Es ist wichtig für mich, zu wissen, wo steht etwas, und ich will ein Gefühl dafür haben, wenn ich hier einen Begriff anwähle, dass das dann auf diese Seite blättert."
Das geht dann sogar so weit, dass beim virtuellen Blättern selbst der Biegeradius des Papiers, also seine Steifigkeit simuliert wird, je nach dem, ob es sich um Pergament, Leder, Karton, Kunstdruck- oder einfachstes Taschenbuchpapier handelt. Und – da spielt das virtuelle Buch dann vollends seine Stärken aus – der Inhalt ist natürlich verlinkt. Schlagwörter oder Verweise sind mit Hyperlinks versehen, zu jeder Seite lassen sich zusätzliche Medien wie Dokumentationsfilme oder Hörbuchpassagen einbauen.
Das virtuelle Buch kann aber auch ausgedruckt werden – natürlich nicht einfach auf Papier, das geht nur mit E-Paper, dem elektronischen Papier. In fünf bis zehn Jahren soll das E-Paper sogar unser gutes altes Zeitungspapier ersetzen. Dann bekommen wir die Tageszeitung morgens aufs E-Paper gepostet. Bloß eine Zukunftsvision? Mitnichten! Wie weit die E-Paper-Entwickler schon sind, zeigt Mike Nelson von Fujitsu. Er hat nämlich ein fast marktreifes E-Paper im Messegepäck. Ein japanischer Kaufhauskonzern will schon im Sommer Preisschilder und Produktbeschreibungen auf dieses E-Paper drucken.
"Dabei handelt es sich um eine Bildschirmtechnologie, vergleichbar mit einem Flüssigkristall-Display an einem Laptop. Es ist jedoch sehr dünn, und es ist flexibel. Diese Technologie nennt man "cholesteric LCD". Das ist eine Variante des LC-Display im Laptop. Allerdings brauchen wir kein Glassubstrat, sondern verwenden eines aus Polycarbonat. Und das kann man eben sehr dünn und sehr flexibel machen."
Zusammengerollt kann man mit dem E-Paper sogar eine Fliege erschlagen. Strom braucht das elektronische Papier nur, wenn es seine Bilder und Text lädt. Sobald die Flüssigkristalle Bilder und Text korrekt darstellen, bleibt alles gespeichert und kann beliebig oft gelesen werden, wie bei richtigem Papier. Und von dem hat das E-Paper auch ein paar Eigenschaften übernommen. Im Dunklen etwa kann ich auch das E-Paper nicht lesen. Die bisher obligatorische Hintergrundbeleuchtung ist abgeschafft. Dafür wird das E-Papier aber auch wirklich mobil und kann zum Beispiel Zeitungspapier ersetzen. Papierlos wird die Zukunft also nicht sein. Aber der Medienbruch vom Papier zum digitalen Datenspeicher, der wird abgeschafft. So hat Mike Nelson gleich noch eine zweite Papierlösung im Messegepäck, die er "Paper to Web" nennt. Dahinter verbirgt sich ein raffiniertes Druckverfahren, das dafür sorgt, dass zum Beispiel das Bild einer Popgruppe in der Zeitschrift mit einem für das menschliche Auge kaum wahrnehmbaren Code hinterlegt wird. Blättere ich nun die Zeitschrift durch und möchte einen Beispiel-Song von der neuen CD der Gruppe hören, greife ich einfach zum Handy, fotografiere mit dem Handy das Bild der Popgruppe mitsamt hinterlegtem Code und schicke das Foto per MMS an einen zentralen Server. Der antwortet umgehend mit einem MP3, und ich kann mir den ersten Track der neuen CD gleich auf dem Handy anhören.
WEB 2.0 – das Schlagwort oder besser Akronym vom sozialen Internet – das wurde natürlich auch hier in Hannover auf der CeBIT ins Gespräch gebracht. Wobei es keine WEB 2.0 Euphorie oder gar einen Hype gibt, der nun alles unter diesen Begriff stellt. Das hat wohl auch damit zu tun, dass ein anderes Trendthema von den Promotern stärker in den Mittelpunkt der Ausstellung geschoben wurde – nämlich die Navigation. Die ganze Halle 11 ist voll davon. Mittlerweile ist ja jedes neuere hochwertige Handy mit einem GPS-Empfänger ausgestattet, der Positionsdaten an eine Navigationssoftware liefern kann. Und so verwundert es kaum, dass schnell Produkte und Ideen für die neuen Möglichkeiten mit dem Mobiltelefon entwickelt wurden. Da kommen nicht nur Autofahrer auf ihre Kosten, sondern auch Fußgänger, die sich nun bequem von ihrem Handy durch eine Stadt lenken lassen können. Das ist vor allem dann praktisch, wenn man zum Beispiel als Tourist in London die Tower-Bridge aufsuchen will. OK – das könnte man auch leicht nur mit Hinweisschildern oder eine Stadtplan bewerkstelligen, aber muss man denn immer den Technik-Muffel abgeben? Also macht man es heute mit dem GPS-Handy. Wer dann auch noch ein paar Urlaubsfotos schießen will, der kann sich auch gleich die Geodaten merken. Zuhause angekommen lädt man die Fotos dann auf eine Web 2.0 Fotoplattform wie zum Beispiel Locr hoch. Und was dann passiert erklärt Geschäftsführer Malte Schlohn:
"Locr ermöglicht es, Fotos automatisch mit Ortsinformationen zu versehen. Dabei wird die Position des Fotos per GPS ermittelt. Und wir versuchen dann, automatisch Beschreibungen zu generieren, indem wir Ortsinformationen analysieren und dem Foto hinzufügen, so dass der Nutzer nur noch den Kameraauslöser drücken muss und hinterher automatisch generierte Beschreibungen hat und nichts mehr manuell machen muss."
Für die Lokalisierung der Fotos, die man auf die Plattform stellt, ist es nicht unbedingt notwendig, genaue GPS-Daten zu haben, man kann auch das Foto in einer elektronischen Landkarte per Hand verorten, also einen Punkt auf der Karte bestimmen. Der Mühe Lohn sind dann umfangreiche Informationen über das Umfeld des Fotos oder die Sehenswürdigkeit und weitere Fotos anderer Community-Mitglieder vom gleichen Objekt. Die private Nutzung dieser Fotolokalisierung soll kostenlos sein, Geld verdienen will die Plattform dadurch, dass sie diese Dienstleistungen auch Firmen anbietet, die zum Beispiel Schadensdokumentationen anfertigen oder Leistungsnachweise erbringen. Etwa der Prospektverteildienst, der regelmäßig mit Bildern, Orts- und Zeitdaten seine Arbeit nachweisen muss.
Um Netzgemeinschaften, Communities geht es auch bei der Netviewer GmbH in Halle 3. Die zeigen nicht nur ihre Software für das gemeinsame Arbeiten via Internet, sondern wollen im Sommer mit einem neuen Trainingsportal an den Start gehen. Und dieses neue Portal ist auf der CeBIT schon zu sehen. Man kann es auch schon ausprobieren. Die Netviewer Academy bietet Trainern die Möglichkeit, Live-Seminare anzukündigen und abzuhalten. Und Fortbildungsinteressierte und wissenshungrige Internetnutzer können gleich das nächste Webinar genannte Seminar im Netz buchen. Andreas Herrmann stellt das Konzept vor:
"Das Ziel der Trainer ist, dass sie ein Medium finden, dass es ihnen erlaubt, über das Internet ganz genau das gleiche zu tun wie in dem so genannten Präsenztraining. Das bedeutet, man darf das Übermittlungsmedium, das Werkzeug und das Internet, gar nicht spüren oder so wenig wie möglich. Das heißt, der Trainer hat für sich eine Unterrichtsstunde aufgebaut, die Teilnehmer schalten sich dazu, haben auch Feedbackmöglichkeiten, können sich melden, können fragen. Und man versucht alles zu tun, dass das möglichst nahe an ein Präsenztraining heranreicht. Das ist Sinn und Zweck und genau das, was die Trainer wollen. Dazu können sie dann während der Unterrichtsstunden - man kreiert einen virtuellen Klassenraum - auch verschiedenste Medien einsetzen. Also alles, was so ein Computer hergibt, kann der Trainer benutzen, kann das zeigen. Die Tafel ist dann der Bildschirm und alle Teilnehmer empfangen genau das, was der Trainer auf seinem Bildschirm zeigt."
Gegenwärtig wird das Trainingsportal für Live-Seminare noch getestet. Die Software läuft aber schon erstaunlich stabil. Mit einigen Dutzend Seminaren soll es dann im Sommer losgehen. Auf durchschnittlich acht Portale greift der Webnutzer einer Studie der Magix AG zufolge zu. Das heißt acht unterschiedliche Nutzerdaten, Zugriffsberechtigungen, Webadressen und Profile muss er ständig wissen oder zumindest die Informationen bei sich haben. Das kann manchmal nervtötend sein. Deshalb hat Magix-Chef Jürgen Jaron "My Goya" auf der CeBIT vorgestellt, einen Online-Desktop, von dem aus der Nutzer auf beliebig viele Portale, Mail-Services und Web-2.0-Angebote zugreifen kann:
"My Goya verbindet Plattformen und schafft eine Oberfläche, in der Sie diese Anwendungen zentral bedienen können. Es ist vergleichbar mit einem Online-Betriebssystem, das alle wichtigen Funktionen, die Sie normalerweise auf Ihrem PC nutzen, in einer Online-Anwendung vereint, zum Beispiel ein umfangreiches Medien-Präsentieren, das Nutzen von Web-Radio, das Verwalten Ihrer Kontakte, ihrer Kalendereinträge oder Ihrer Bookmarks."
Der Vorteil dabei: Die auf fünf verschiedenen Servern herumliegenden Mails, auf einem Dutzend Platten liegenden MP3-Dateien und auf zahlreichen Servern und Portalen liegenden Bookmarks, Kontakte oder Kalendereinträge habe ich alle unter einer Oberfläche. Der Nutzer muss gar nicht mehr wissen, wo im Netz was liegt und er kann immer alle Informationen, Dateien oder Songs lesen, hören oder weiter verschicken, egal, wo er ist und welches Kommunikationsgerät er dabei hat. Denn außer auf dem Notebook kann ich mit My Goya auch via Handy oder Persönlichem Digitalen Assistenten arbeiten. Und wenn ich "My Goya" etwas über meine Vorlieben verrate, ein Profil zulasse, arbeitet mir der Online-Desktop mit Informationen sogar zu. Er erkennt, was der Nutzer gerade braucht.
Zwischenstopp in Halle 9 – beim Stand der Fraunhofer-Gesellschaft, die mit ihren zahlreichen Instituten in Deutschland ja die Informatikforschung dominiert. Viele ehemals unabhängige Informatik-Institute sind unter das Dach der mächtigen Gesellschaft für anwendungsnahe Forschung geschlüpft. So auch das traditionsreiche Berliner Heinrich-Hertz-Institut für Nachrichtentechnik. Deren Abteilung für Computervision und Grafik präsentiert den virtuellen Spiegel, eine wirklich amüsante Lösung für den erfolgreichen Verkauf von Turnschuhen. Er besteht aus zwei Teilen, einem Verkaufsdisplay auf Augenhöhe und einem großen Flachdisplay auf dem Boden. Es geht darum, möglichst trendy und mit viel High-tech auf eine besonders individuelle Art Turnschuhe zu verkaufen. Philipp Fechteler erklärt den Spiegel:
"Oben ist der so genannte Konfigurator. Dort kann man sich einen Schuh konfigurieren, das heißt, man geht aus von einem gewissen Prototyp. Wenn der mir nicht gefällt, kann ich verschiedene Farben austauschen, die Streifen anders machen, verschiedene Schnürsenkelfarben wählen, etwas darauf schreiben oder Flaggen darauf setzen. Wenn man das gemacht hat, möchte man ja gerne sehen, wie sieht das jetzt persönlich aus. Dann kommt der untere Teil von dem Aufbau, das ist der Spiegel. Dort sieht man, wenn man vor dem Spiegel steht, sich selber - nur die Schuhe sind halt ausgetauscht gegen genau das Modell, das man selbst konfiguriert hat."
Auf die virtuelle Wirklichkeit setzt auch die IBM mit ihren Second-Life-Produkten, die in Halle 1 zu sehen sind. Übrigens: auch die gute alte Halle 1 braucht ein zweites Leben. Das Centrum für Büro- und Informationstechnologie, also die Halle eins und "das CeBIT" auf der ursprünglichen Hannovermesse, sind bald nur noch in der virtuellen Realität zu sehen. Zur nächsten CeBIT soll dort eine neue, moderne Halle stehen. Second Life, da denkt man sofort an Lindenlab und andere Communities. Für Ansgar Schmidt von der IBM ist Second Life jedoch mehr. Er spricht vom dreidimensionalen Internet, das für ihn Nachfolger des Electronic Business sein wird. Und das funktioniert zum Beispiel so:
"Ich gehe in ein virtuelles Küchenstudio, kombiniere da meine Küche, die ich haben möchte, meine neue. Wo muss der Kühlschrank hin, wo muss der Herd hin, wo muss der Ofen hin, kann dann mit meinem Avatar, das ist mein virtuelles Abbild, kann mit dem in diese Küche reingehen, kann probekochen sozusagen und diese Küche erleben und feststellen, der Herd, sieht eigentlich gut aus, wo er steht, aber er ist nicht wirklich gut, wenn ich kochen möchte, er muss doch auf eine andere Position gebracht werden. Im 3D-Internet bin ich virtuell dabei, das heißt, ich hab einen Avatar, den sehe ich selber, wie er läuft, ich hab in dem Moment einen Menschen, der mir entspricht, ich hab Relationen, wie groß ist das. Und wenn ich das zu zweit, zu dritt mache, was ich im 3D-Internet ja als Kooperation machen kann, kann ich interagieren. Der Vorteil liegt wirklich in der Kooperation des Ganzen. Also zum einen ist es der Avatar, ich hab Relationen, und zu anderen, wenn der Avatar, mit dem ich das gerade zusammen erlebe, nicht neben mir steht in der Realität, sondern auf der anderen Seite des Internets, können wir trotzdem zusammen etwas erleben, etwas erarbeiten, wenn wir zusammen etwas entwickeln. Sobald ich etwas mache im 3D, sieht der andere Avatar es auf seiner Seite ebenfalls."
Ich kann dabei durch die Augen meines Avatars sehen, was in der zweiten Welt passiert. Und nach wenigen Mausklicks bin ich im Second Life genauso heimisch wie in meinem ersten Leben. Ich arbeite dort mit anderen Menschen zusammen, spreche mit Ihnen, sehe, dass mein Gesprächspartner die linke Augenbraue hochzieht. Aus dem virtuellen Treffpunkt wird eine reale Begegnung. Das ist nicht nur für Möbelhäuser interessant, sondern für jedes Unternehmen, dem an guten Services für die Kunden gelegen ist. Und auch die Messelandschaft wird das 3D-Internet verändern. Es werde doch höchste Zeit, so forderte ein Messe-Besucher, nachdem er aus dem Second Life ins erste Leben zurückgekehrt war, dass auch die CeBIT einen Ableger im 3D-Internet aufmache.
Dann wäre es auch kein Problem mehr, richtig für Menschenmassen auf der CeBIT zu sorgen. Zu weilen, so wird hier kolportiert, wurden Eintrittskarten an große Firmen für unter einem Euro verkauft, damit die möglichst viele Kunden einladen. Auch ein Weg, die Besucherzahlen in die Höhe zu bringen. Solche Mühen müsste man sich in der virtuellen Welt nicht machen, da malt man sich die Menschenmassen einfach. Bislang allerdings musste jeder einzelne bewegte Körper in einem Computerspiel aufwendig animiert werden. Selbst wenn die Figur nur von links nach rechts durch Bild schleicht, es muss definiert werden. Die Saarbrücker Softwareschmiede X-aitment hat nun ein Softwaretool für Spielentwickler vorgestellt, dass die automatische Simulation von Massenbewegungen übernimmt. Grundlage des Zusammenspiels sind viele einzelne Agenten, die alle eine Aufgabe gestellt bekommen und mit Eigenschaften versehen werden. Aufgabe in der Marktplatzszene könnte sein, am Brunnen Wasser zu holen, sie könnte aber auch sein, einfach nur von A nach B zu gehen. Nicht ganz trivial daran ist, dies nun in der Menge zu koordinieren.
"In dem Fall ist die Grundlage des Ganzen ein so genanntes Multi-Agenten-System. Das ist ein System, was in der Lage ist, viele verschiedene einzelne Programme, so genannte Agenten, zu koordinieren, die auch kommunizieren zu lassen, gemeinsam planen zu lassen. Wenn man zum Beispiel beim Marktplatz bleiben, auf dem sich Leute bewegen sollen, dann wird unser Produkt von dem Spiel die Positionen der einzelnen Einheiten abfragen und wird diesen dann ein Ziel zuweisen, das diese dann selbstständig finden, sich ihren Weg dahin planen und den auch eigenständig finden. Und zwar immer so, dass sie nicht kollidieren und es immer schön und sauber aussieht."
"Bei der Hardware geht es darum, dass Sie im ausgeschalteten Zustand wie auch im eingeschalteten Zustand, wir unterscheiden da immer Power off und Power on Situationen, die Möglichkeit haben, alle Sicherheitsmaßnahmen durch Software zu verankern, also zu schützen, das heißt, die klassischen Angriffe gegen Notebooks im ausgeschalteten Zustand oder im eingeschalteten Zustand sind nicht mehr möglich. Das wird dadurch verhindert, dass hier zum Einsatz zwei Komponenten kommen: ein Hardwarechip unter der Bezeichnung TPM, Trusted Platform Module, standardisiert von der Trusted Computing Group, und im ausgeschalteten Zustand übernimmt eine selbstverschlüsselnde Festplatte den Schutz des gesamten Notebooks."
Dann können die Daten nicht mehr mitsamt dem Laptop einfach geklaut werden. Zumindest kann der Dieb mit den verschlüsselten Daten dann überhaupt nichts anfangen. Aber allein in Europa versuchen jeden Tag, Datendiebe ungefähr 1700-mal in der Stunde in fremde Rechner einzudringen und Daten zu stehlen. Das machen sie mit so genannter Schadsoftware, die inzwischen weit über die bekannten Viren und Würmer hinausgeht. Viren-Signaturen herunterzuladen und Dateien damit zu überprüfen, reicht deshalb für einen effizienten Schutz nicht aus. Eugene Kaspersky, Spezialist für Schadsoftware und Computersicherheit, erläutert, wie man Datendieben und Hackern heute auf die Spur kommt und ihr schlimmes Tun verhindert:
"Wir haben eine Aufspür-Routine entwickelt, die das Verhalten eines Programms, einer Software regelrecht nachahmt und dann prüft, ob es verdächtig ist oder nicht. Wir nennen das eine generische Aufspür-Routine. Wir schauen uns dabei das Skelett der Software, den Algorithmus, den Code genau an, um herauszufinden, ob eine Datei gefährlich ist. Dann setzen wir Verhaltensblocker ein, Überwachungsprogramme, die die Ausführung von Anwendungsprogrammen beenden, wenn verdächtige Aktionen ausgeführt werden. Gleichzeitig machen wir die Änderungen rückgängig, die der Trojaner eventuell vorgenommen hat."
Für die Systemverwaltung hat Novell mit Zenworks eine neue Managementsoftware vorgestellt, die auch Sicherheitsbedürfnisse mit berücksichtigt. So eine Management-Software muss viele Betriebssysteme verwalten können. Martin Buckley von Novell:
"Das Zenworks Management System läuft auf Servern unter Linux. Aber es läuft genauso gut auf Windows-Servern. Die Anwender können Zenworks in einer heterogenen Umgebung nutzen. Zenworks sorgt für die Software-Verteilung und das Softwaremanagement, die Zugriffsverwaltung und die Fernsteuerung von Rechnern – auch unter Windows Vista. Und natürlich managed es auch die Vista-Patches. Zenworks hilft dem Anwender von Windows 2000 oder Windows XP auf Vista zu wechseln."
Gerade der Wechsel auf Windows Vista bereitet den IT-Chefs in den Unternehmen so richtig Bauchweh. Denn das neue Microsoft-Betriebsystem muss in eine heterogene Umgebung mit Linux- und Großrechnerbetriebssystemen eingebunden werden. Und viele unternehmensspezifische Softwarepakete müssen auch unter Vista laufen, obschon sie dafür ursprünglich eigentlich gar nicht programmiert worden sind.
Zwei klassische Softwarelösungen standen gestern hier auf der CeBIT im Mittelpunkt der so genannten ICT-Preisverleihung. Der ICT-Preis wird jährlich von der Europäischen Kommission vergeben und zwar an zwanzig Firmen der Informations- und Kommunikationstechnik, die wirklich innovative High-Tech-Lösungen entwickelt haben. Und drei von Ihnen bekommen den mit je 200.000 Euro dotierten ICT Grand-Prix. Transitive aus Großbritannien hat den Preis für seine Lösung Quick-Transit erhalten. Das ist ein Software-Paket, dass vor allem für Manager von großen Datacentern – klassisch auch Rechenzentrum genannt – gedacht ist:
"Unser Produkt übersetzt verschiedene Anwendungen, um sie auf unterschiedlichen Computerplattformen laufen lassen zu können. So erlaubt es der Datenmanagement-Zentrale, die Hardware aufzurüsten von einer Computerfamilie zur anderen, ohne bei den Anwendungen irgendetwas ändern zu müssen. Unser Produkt ist vollständig transparent, sehr zuverlässig und im besten Fall läuft es einfach, ohne dass es jemand merkt."
Hinter dieser recht trivialen Erklärung steckt eine gehörige Portion Informatik-Knowhow. Denn ganz so einfach ist es nicht, Programme automatisch auf die aktuelle Linux-Plattform zu übertragen, die einst für Solaris entwickelt wurden. Das Betriebssystem Solaris ist in die Jahre gekommen und wird zunehmend ausgemustert. Doch die Anwendungssoftware ist das eigentliche Betriebskapital vieler Unternehmen. Diese Investition kann so über verschiedene Betriebssystem- und Hardwaregenerationen geschützt werden. Der zweite Preisträger des ICT-Preises war die schwedische Firma Telepo. Ihr Produkt heißt Telepo Business Communication und Lars-Michael Paqvalen erklärt den Hintergrund:
"Wir bringen Mobilfunk und Datennetzwerke zusammen und liefern dabei Dienste unabhängig vom Netzanbieter auf der ganzen Welt. Heute kaufen Sie ja bestimmte Dienste von Ihrem Netzanbieter und wenn Sie dann auf Dienstreise gehen, dann funktionieren diese Dienste nicht mehr. Wir sorgen dafür, dass alle Dienste in Unternehmensnetzen und der Zugriff darauf überall auf der Welt funktioniert. Egal, ob sie über gewohntes Netzwerk zugreifen oder ein fremdes, egal ob über WLAN, Mobilfunk oder Festnetz. Sie sind immer online."
Der dritte Gewinner des mit je 200.000 Euro sehr großzügig ausgestatteten ICT-Preises ist die Firma Treventus Mechatronics aus Österreich. Sie wurde für ihren Buchscanner ausgezeichnet, den Marco Barth erklärt:
"Es ist sehr einfach: mit einem Luftstromsystem blättern wir die Seiten um und scannen mit unserer eigenen Kamera. Ein großer Vorteil ist: wir brauchen die Bücher dazu nur maximal 60 Grad zu öffnen und so werden sie nicht zerstört beim Einscannen. Die meisten, älteren Bücher lassen sich nicht mehr öffnen als vielleicht 70 Grad. Damit können normale Scanner nicht eingesetzt werden."
Wer schon ein mal einen herkömmlichen Buchscanner gesehen hat, und hier auf der CeBIT werden einige davon gezeigt, der versteht sofort, warum besonders Archiviare und Konservatoren auf die neue Methode abfahren. Denn üblicherweise muss das Buch auf 180 Grad aufgeklappt und dann die Seiten mit einer Glasscheibe beschwert werden, damit ein exakter Scan entsteht. Nach dieser Prozedur bleibt oft einiges an der Scheibe haften. Teils Farbreste, teils ganze Papierfetzen. Von schonend kann da keine Rede sein. Bei nur 60 Grad Öffnung und einem sanften Luftstrom zum Umblättern haben die Seiten wertvoller Folianten eine bessere Chance, die Reproduktion unbeschädigt zu überstehen. Trotzdem aber ist der Scanner fix – er schafft immerhin 2400 Seiten pro Stunde. Das sind gute Voraussetzungen, um so wertvolle Sammlungen unseres europäischen Kulturschatzes bewahren zu können, ohne sie vor der Öffentlichkeit verstecken zu müssen. Denn es gibt Bücher, bei denen sich die Museumsleute jedes Jahr einen regelrechten Ruck geben müssen, um in der Buchvitrine eine neue Seite aufzuschlagen. Schon das Umblättern könnte irreparable Schäden verursachen.
Ist erst einmal alles eingescannt, dann stünde für den Alltagsgebrauch die digitale Kopie über das Internet zur Verfügung. Doch das ist natürlich ein ganz anderes Erleben: Die mittelalterliche Ausgabe einer Bibel hat ja eine Struktur, das Papier fühlt sich ganz besonders an, und die Seiten lassen sich auf eine ganz besondere Art und Weise umzublättern. Forscher des Fraunhofer Institutes für Medienkommunikation in Bremen überlegen sich deshalb, wie man in der elektronischen Version zwar nicht das gleiche Erlebnis, aber doch ein besonderes Leseererlebnis hervorbringen kann. Monika Fleischmann leitet das E-Culture genannte Projekt. Sie steht vor einem großen, hochauflösenden Flachbildschirm, der das virtuelle Buch anzeigt:
"Das ist sozusagen eine Simulation eines klassischen Buches in 3D, möglichst in haptischer Wirkung. Es soll sozusagen ein anfassbares Gefühl geben. Es ist wichtig für mich, zu wissen, wo steht etwas, und ich will ein Gefühl dafür haben, wenn ich hier einen Begriff anwähle, dass das dann auf diese Seite blättert."
Das geht dann sogar so weit, dass beim virtuellen Blättern selbst der Biegeradius des Papiers, also seine Steifigkeit simuliert wird, je nach dem, ob es sich um Pergament, Leder, Karton, Kunstdruck- oder einfachstes Taschenbuchpapier handelt. Und – da spielt das virtuelle Buch dann vollends seine Stärken aus – der Inhalt ist natürlich verlinkt. Schlagwörter oder Verweise sind mit Hyperlinks versehen, zu jeder Seite lassen sich zusätzliche Medien wie Dokumentationsfilme oder Hörbuchpassagen einbauen.
Das virtuelle Buch kann aber auch ausgedruckt werden – natürlich nicht einfach auf Papier, das geht nur mit E-Paper, dem elektronischen Papier. In fünf bis zehn Jahren soll das E-Paper sogar unser gutes altes Zeitungspapier ersetzen. Dann bekommen wir die Tageszeitung morgens aufs E-Paper gepostet. Bloß eine Zukunftsvision? Mitnichten! Wie weit die E-Paper-Entwickler schon sind, zeigt Mike Nelson von Fujitsu. Er hat nämlich ein fast marktreifes E-Paper im Messegepäck. Ein japanischer Kaufhauskonzern will schon im Sommer Preisschilder und Produktbeschreibungen auf dieses E-Paper drucken.
"Dabei handelt es sich um eine Bildschirmtechnologie, vergleichbar mit einem Flüssigkristall-Display an einem Laptop. Es ist jedoch sehr dünn, und es ist flexibel. Diese Technologie nennt man "cholesteric LCD". Das ist eine Variante des LC-Display im Laptop. Allerdings brauchen wir kein Glassubstrat, sondern verwenden eines aus Polycarbonat. Und das kann man eben sehr dünn und sehr flexibel machen."
Zusammengerollt kann man mit dem E-Paper sogar eine Fliege erschlagen. Strom braucht das elektronische Papier nur, wenn es seine Bilder und Text lädt. Sobald die Flüssigkristalle Bilder und Text korrekt darstellen, bleibt alles gespeichert und kann beliebig oft gelesen werden, wie bei richtigem Papier. Und von dem hat das E-Paper auch ein paar Eigenschaften übernommen. Im Dunklen etwa kann ich auch das E-Paper nicht lesen. Die bisher obligatorische Hintergrundbeleuchtung ist abgeschafft. Dafür wird das E-Papier aber auch wirklich mobil und kann zum Beispiel Zeitungspapier ersetzen. Papierlos wird die Zukunft also nicht sein. Aber der Medienbruch vom Papier zum digitalen Datenspeicher, der wird abgeschafft. So hat Mike Nelson gleich noch eine zweite Papierlösung im Messegepäck, die er "Paper to Web" nennt. Dahinter verbirgt sich ein raffiniertes Druckverfahren, das dafür sorgt, dass zum Beispiel das Bild einer Popgruppe in der Zeitschrift mit einem für das menschliche Auge kaum wahrnehmbaren Code hinterlegt wird. Blättere ich nun die Zeitschrift durch und möchte einen Beispiel-Song von der neuen CD der Gruppe hören, greife ich einfach zum Handy, fotografiere mit dem Handy das Bild der Popgruppe mitsamt hinterlegtem Code und schicke das Foto per MMS an einen zentralen Server. Der antwortet umgehend mit einem MP3, und ich kann mir den ersten Track der neuen CD gleich auf dem Handy anhören.
WEB 2.0 – das Schlagwort oder besser Akronym vom sozialen Internet – das wurde natürlich auch hier in Hannover auf der CeBIT ins Gespräch gebracht. Wobei es keine WEB 2.0 Euphorie oder gar einen Hype gibt, der nun alles unter diesen Begriff stellt. Das hat wohl auch damit zu tun, dass ein anderes Trendthema von den Promotern stärker in den Mittelpunkt der Ausstellung geschoben wurde – nämlich die Navigation. Die ganze Halle 11 ist voll davon. Mittlerweile ist ja jedes neuere hochwertige Handy mit einem GPS-Empfänger ausgestattet, der Positionsdaten an eine Navigationssoftware liefern kann. Und so verwundert es kaum, dass schnell Produkte und Ideen für die neuen Möglichkeiten mit dem Mobiltelefon entwickelt wurden. Da kommen nicht nur Autofahrer auf ihre Kosten, sondern auch Fußgänger, die sich nun bequem von ihrem Handy durch eine Stadt lenken lassen können. Das ist vor allem dann praktisch, wenn man zum Beispiel als Tourist in London die Tower-Bridge aufsuchen will. OK – das könnte man auch leicht nur mit Hinweisschildern oder eine Stadtplan bewerkstelligen, aber muss man denn immer den Technik-Muffel abgeben? Also macht man es heute mit dem GPS-Handy. Wer dann auch noch ein paar Urlaubsfotos schießen will, der kann sich auch gleich die Geodaten merken. Zuhause angekommen lädt man die Fotos dann auf eine Web 2.0 Fotoplattform wie zum Beispiel Locr hoch. Und was dann passiert erklärt Geschäftsführer Malte Schlohn:
"Locr ermöglicht es, Fotos automatisch mit Ortsinformationen zu versehen. Dabei wird die Position des Fotos per GPS ermittelt. Und wir versuchen dann, automatisch Beschreibungen zu generieren, indem wir Ortsinformationen analysieren und dem Foto hinzufügen, so dass der Nutzer nur noch den Kameraauslöser drücken muss und hinterher automatisch generierte Beschreibungen hat und nichts mehr manuell machen muss."
Für die Lokalisierung der Fotos, die man auf die Plattform stellt, ist es nicht unbedingt notwendig, genaue GPS-Daten zu haben, man kann auch das Foto in einer elektronischen Landkarte per Hand verorten, also einen Punkt auf der Karte bestimmen. Der Mühe Lohn sind dann umfangreiche Informationen über das Umfeld des Fotos oder die Sehenswürdigkeit und weitere Fotos anderer Community-Mitglieder vom gleichen Objekt. Die private Nutzung dieser Fotolokalisierung soll kostenlos sein, Geld verdienen will die Plattform dadurch, dass sie diese Dienstleistungen auch Firmen anbietet, die zum Beispiel Schadensdokumentationen anfertigen oder Leistungsnachweise erbringen. Etwa der Prospektverteildienst, der regelmäßig mit Bildern, Orts- und Zeitdaten seine Arbeit nachweisen muss.
Um Netzgemeinschaften, Communities geht es auch bei der Netviewer GmbH in Halle 3. Die zeigen nicht nur ihre Software für das gemeinsame Arbeiten via Internet, sondern wollen im Sommer mit einem neuen Trainingsportal an den Start gehen. Und dieses neue Portal ist auf der CeBIT schon zu sehen. Man kann es auch schon ausprobieren. Die Netviewer Academy bietet Trainern die Möglichkeit, Live-Seminare anzukündigen und abzuhalten. Und Fortbildungsinteressierte und wissenshungrige Internetnutzer können gleich das nächste Webinar genannte Seminar im Netz buchen. Andreas Herrmann stellt das Konzept vor:
"Das Ziel der Trainer ist, dass sie ein Medium finden, dass es ihnen erlaubt, über das Internet ganz genau das gleiche zu tun wie in dem so genannten Präsenztraining. Das bedeutet, man darf das Übermittlungsmedium, das Werkzeug und das Internet, gar nicht spüren oder so wenig wie möglich. Das heißt, der Trainer hat für sich eine Unterrichtsstunde aufgebaut, die Teilnehmer schalten sich dazu, haben auch Feedbackmöglichkeiten, können sich melden, können fragen. Und man versucht alles zu tun, dass das möglichst nahe an ein Präsenztraining heranreicht. Das ist Sinn und Zweck und genau das, was die Trainer wollen. Dazu können sie dann während der Unterrichtsstunden - man kreiert einen virtuellen Klassenraum - auch verschiedenste Medien einsetzen. Also alles, was so ein Computer hergibt, kann der Trainer benutzen, kann das zeigen. Die Tafel ist dann der Bildschirm und alle Teilnehmer empfangen genau das, was der Trainer auf seinem Bildschirm zeigt."
Gegenwärtig wird das Trainingsportal für Live-Seminare noch getestet. Die Software läuft aber schon erstaunlich stabil. Mit einigen Dutzend Seminaren soll es dann im Sommer losgehen. Auf durchschnittlich acht Portale greift der Webnutzer einer Studie der Magix AG zufolge zu. Das heißt acht unterschiedliche Nutzerdaten, Zugriffsberechtigungen, Webadressen und Profile muss er ständig wissen oder zumindest die Informationen bei sich haben. Das kann manchmal nervtötend sein. Deshalb hat Magix-Chef Jürgen Jaron "My Goya" auf der CeBIT vorgestellt, einen Online-Desktop, von dem aus der Nutzer auf beliebig viele Portale, Mail-Services und Web-2.0-Angebote zugreifen kann:
"My Goya verbindet Plattformen und schafft eine Oberfläche, in der Sie diese Anwendungen zentral bedienen können. Es ist vergleichbar mit einem Online-Betriebssystem, das alle wichtigen Funktionen, die Sie normalerweise auf Ihrem PC nutzen, in einer Online-Anwendung vereint, zum Beispiel ein umfangreiches Medien-Präsentieren, das Nutzen von Web-Radio, das Verwalten Ihrer Kontakte, ihrer Kalendereinträge oder Ihrer Bookmarks."
Der Vorteil dabei: Die auf fünf verschiedenen Servern herumliegenden Mails, auf einem Dutzend Platten liegenden MP3-Dateien und auf zahlreichen Servern und Portalen liegenden Bookmarks, Kontakte oder Kalendereinträge habe ich alle unter einer Oberfläche. Der Nutzer muss gar nicht mehr wissen, wo im Netz was liegt und er kann immer alle Informationen, Dateien oder Songs lesen, hören oder weiter verschicken, egal, wo er ist und welches Kommunikationsgerät er dabei hat. Denn außer auf dem Notebook kann ich mit My Goya auch via Handy oder Persönlichem Digitalen Assistenten arbeiten. Und wenn ich "My Goya" etwas über meine Vorlieben verrate, ein Profil zulasse, arbeitet mir der Online-Desktop mit Informationen sogar zu. Er erkennt, was der Nutzer gerade braucht.
Zwischenstopp in Halle 9 – beim Stand der Fraunhofer-Gesellschaft, die mit ihren zahlreichen Instituten in Deutschland ja die Informatikforschung dominiert. Viele ehemals unabhängige Informatik-Institute sind unter das Dach der mächtigen Gesellschaft für anwendungsnahe Forschung geschlüpft. So auch das traditionsreiche Berliner Heinrich-Hertz-Institut für Nachrichtentechnik. Deren Abteilung für Computervision und Grafik präsentiert den virtuellen Spiegel, eine wirklich amüsante Lösung für den erfolgreichen Verkauf von Turnschuhen. Er besteht aus zwei Teilen, einem Verkaufsdisplay auf Augenhöhe und einem großen Flachdisplay auf dem Boden. Es geht darum, möglichst trendy und mit viel High-tech auf eine besonders individuelle Art Turnschuhe zu verkaufen. Philipp Fechteler erklärt den Spiegel:
"Oben ist der so genannte Konfigurator. Dort kann man sich einen Schuh konfigurieren, das heißt, man geht aus von einem gewissen Prototyp. Wenn der mir nicht gefällt, kann ich verschiedene Farben austauschen, die Streifen anders machen, verschiedene Schnürsenkelfarben wählen, etwas darauf schreiben oder Flaggen darauf setzen. Wenn man das gemacht hat, möchte man ja gerne sehen, wie sieht das jetzt persönlich aus. Dann kommt der untere Teil von dem Aufbau, das ist der Spiegel. Dort sieht man, wenn man vor dem Spiegel steht, sich selber - nur die Schuhe sind halt ausgetauscht gegen genau das Modell, das man selbst konfiguriert hat."
Auf die virtuelle Wirklichkeit setzt auch die IBM mit ihren Second-Life-Produkten, die in Halle 1 zu sehen sind. Übrigens: auch die gute alte Halle 1 braucht ein zweites Leben. Das Centrum für Büro- und Informationstechnologie, also die Halle eins und "das CeBIT" auf der ursprünglichen Hannovermesse, sind bald nur noch in der virtuellen Realität zu sehen. Zur nächsten CeBIT soll dort eine neue, moderne Halle stehen. Second Life, da denkt man sofort an Lindenlab und andere Communities. Für Ansgar Schmidt von der IBM ist Second Life jedoch mehr. Er spricht vom dreidimensionalen Internet, das für ihn Nachfolger des Electronic Business sein wird. Und das funktioniert zum Beispiel so:
"Ich gehe in ein virtuelles Küchenstudio, kombiniere da meine Küche, die ich haben möchte, meine neue. Wo muss der Kühlschrank hin, wo muss der Herd hin, wo muss der Ofen hin, kann dann mit meinem Avatar, das ist mein virtuelles Abbild, kann mit dem in diese Küche reingehen, kann probekochen sozusagen und diese Küche erleben und feststellen, der Herd, sieht eigentlich gut aus, wo er steht, aber er ist nicht wirklich gut, wenn ich kochen möchte, er muss doch auf eine andere Position gebracht werden. Im 3D-Internet bin ich virtuell dabei, das heißt, ich hab einen Avatar, den sehe ich selber, wie er läuft, ich hab in dem Moment einen Menschen, der mir entspricht, ich hab Relationen, wie groß ist das. Und wenn ich das zu zweit, zu dritt mache, was ich im 3D-Internet ja als Kooperation machen kann, kann ich interagieren. Der Vorteil liegt wirklich in der Kooperation des Ganzen. Also zum einen ist es der Avatar, ich hab Relationen, und zu anderen, wenn der Avatar, mit dem ich das gerade zusammen erlebe, nicht neben mir steht in der Realität, sondern auf der anderen Seite des Internets, können wir trotzdem zusammen etwas erleben, etwas erarbeiten, wenn wir zusammen etwas entwickeln. Sobald ich etwas mache im 3D, sieht der andere Avatar es auf seiner Seite ebenfalls."
Ich kann dabei durch die Augen meines Avatars sehen, was in der zweiten Welt passiert. Und nach wenigen Mausklicks bin ich im Second Life genauso heimisch wie in meinem ersten Leben. Ich arbeite dort mit anderen Menschen zusammen, spreche mit Ihnen, sehe, dass mein Gesprächspartner die linke Augenbraue hochzieht. Aus dem virtuellen Treffpunkt wird eine reale Begegnung. Das ist nicht nur für Möbelhäuser interessant, sondern für jedes Unternehmen, dem an guten Services für die Kunden gelegen ist. Und auch die Messelandschaft wird das 3D-Internet verändern. Es werde doch höchste Zeit, so forderte ein Messe-Besucher, nachdem er aus dem Second Life ins erste Leben zurückgekehrt war, dass auch die CeBIT einen Ableger im 3D-Internet aufmache.
Dann wäre es auch kein Problem mehr, richtig für Menschenmassen auf der CeBIT zu sorgen. Zu weilen, so wird hier kolportiert, wurden Eintrittskarten an große Firmen für unter einem Euro verkauft, damit die möglichst viele Kunden einladen. Auch ein Weg, die Besucherzahlen in die Höhe zu bringen. Solche Mühen müsste man sich in der virtuellen Welt nicht machen, da malt man sich die Menschenmassen einfach. Bislang allerdings musste jeder einzelne bewegte Körper in einem Computerspiel aufwendig animiert werden. Selbst wenn die Figur nur von links nach rechts durch Bild schleicht, es muss definiert werden. Die Saarbrücker Softwareschmiede X-aitment hat nun ein Softwaretool für Spielentwickler vorgestellt, dass die automatische Simulation von Massenbewegungen übernimmt. Grundlage des Zusammenspiels sind viele einzelne Agenten, die alle eine Aufgabe gestellt bekommen und mit Eigenschaften versehen werden. Aufgabe in der Marktplatzszene könnte sein, am Brunnen Wasser zu holen, sie könnte aber auch sein, einfach nur von A nach B zu gehen. Nicht ganz trivial daran ist, dies nun in der Menge zu koordinieren.
"In dem Fall ist die Grundlage des Ganzen ein so genanntes Multi-Agenten-System. Das ist ein System, was in der Lage ist, viele verschiedene einzelne Programme, so genannte Agenten, zu koordinieren, die auch kommunizieren zu lassen, gemeinsam planen zu lassen. Wenn man zum Beispiel beim Marktplatz bleiben, auf dem sich Leute bewegen sollen, dann wird unser Produkt von dem Spiel die Positionen der einzelnen Einheiten abfragen und wird diesen dann ein Ziel zuweisen, das diese dann selbstständig finden, sich ihren Weg dahin planen und den auch eigenständig finden. Und zwar immer so, dass sie nicht kollidieren und es immer schön und sauber aussieht."