Kontaktvermeidung sei weiter das oberste Gebot im Kampf gegen die Corona-Pandemie, sagte der Virologe Martin Stürmer im Dlf. "Wenn ich brav zu Hause sitze und das würden wir alle auf der Welt tun, für 14 Tage, dann könnten wir wahrscheinlich relativ entspannt in den Herbst und Winter gehen." Man müsse jedoch die Realität und die Machbarkeit im Auge behalten und etwas differenzieren. Aktuell sei es im Freien relativ unbedenklich, in vielen Situationen könne die Maske auch weglassen werden. "Wir dürfen nur den Fehler nicht machen, zu leichtsinnig zu werden", sagte Stürmer. In manchen Situationen gebe es schon schon wieder so etwas wie eine Rückkehr zur Normalität. Es gebe aber immer noch Stolperfallen, auch im Freien, erklärte Stürmer mit Verweis auf die Spiele der Fußballeuropameisterschaft.
"Das ist natürlich toll für die Stimmung, aber wenn ich 60.000 Leute über anderthalb Stunden da einpferche, dazu die Anreise und die Abreise, auch wenn das im Freien passiert, ist mir das zu viel. Public-Viewing-Veranstaltungen, wenn dort viele Menschen zusammensitzen, über einen langen Zeitraum, dort Alkohol getrunken, gejubelt und intensiv gesprochen wird, das sind durchaus Risikosituationen, die wir uns nicht leisten sollten."
"Delta-Variante nutzt jede Chance, wenn der Kontakt zu eng ist"
In der Außengastronomie erwartet Stürmer, dass immer noch darauf geachtet werde, dass die Abstände zwischen den Gästen entsprechen ausreichend seien, denn "Delta ist hochgradig ansteckend, ansteckender als die Varianten, die wir bisher kennen, und nutzt entsprechend jede Chance, wenn der Kontakt zu eng ist und es zu Tröpchenübertragungen kommen kann."
"Die Disziplin der Menschen, sich an die Regeln zu halten, wird sukzessive weniger, zum einen, weil wir schon sehr lange in dieser Situation verharren und zum anderen weil man auch das Gefühl bekommt, sowohl durch die Politik vermittelt als auch durch viele Situationen vermittelt: Das ist ja alles gar nicht mehr so schlimm, wir haben es im Griff, wir sind über dem Berg", sagte Martin Stürmer.
Für Reiserückkehrende sollte bedacht und nicht vergessen werden, dass jegliche Inzidenzzahlen immer nur Momentaufnahmen seien, die sich vom Infektionsgeschehen unterscheiden könnten. Dennoch wäre Stürmer mit einer Regelung zufrieden, Reiserückkehrende aus Nichtrisikogebieten nur bei Einreise zu testen und auf eine sonstige Quarantäne zu verzichten.
Die derzeitigen Corona-Regelungen in Europa zeigten wieder ein sehr uneinheitliches Bild, so Stürmer. "Wir kennen das ja aus Deutschland von unserem Föderalismus und in der EU ist das nicht viel anders. Es macht herzlich wenig Sinn, wenn wir uns die strengsten Regeln auferlegen und um uns herum passiert wenig bis gar nichts. Das ist kontraproduktiv, weil ein Virus natürlich keine Grenzen kennt."