Archiv

Virtuelle Radrennen
Auf dem Hometrainer durch die Welt

Im Radsport boomen seit dem Beginn der Coronavirus-Pandemie virtuelle Rennen. Chris Froome wird am Sonntag beim virtuellen Anstieg auf das Stilfser Joch teilnehmen. Obwohl er inzwischen wieder auf der Straße trainieren darf.

Von Tom Mustroph |
Ein virtuelles Radrennen.
Virtuelle Radrennen haben in der Coronakrise Konjunktur. (imago sportfotodienst)
Die Digitalisierung des Radsports schreitet voran. Anstelle der abgesagten Radrennen gab es zahlreiche virtuelle Wettbewerbe wie Mailand - Sanremo, eine virtuelle Tour de Suisse oder den sieben Etappen langen virtuellen Giro d'Italia. Der lockte nach Veranstalterangaben 10.000 Teilnehmer pro Etappe und insgesamt 2,5 Millionen Zuschauer auf dem Livestream an. Die Branche wurde zur Innovation gezwungen, meint Paolo Bellino, Generaldirektor des Giro-Ausrichters RCS.
"Wir mussten unseren kompletten Kalender ändern. Aber es war auf der anderen Seite auch sehr produktiv und nützlich. Wir haben in den letzten drei Monaten versucht, Neues zu erfinden für die digitale Welt."
Echte Rennen in der virtuellen Welt
Das Neue bestand darin, dass die Rennfahrer zwar zu Hause saßen auf ihren Hometrainern, aber dennoch gegeneinander Rennen fuhren. Die Leistungsmesser übertrugen die Daten auf Rennstrecken, die mit all ihren Steigungen aus der realen Welt in eine virtuelle Umgebung überführt worden waren. Ging es in der virtuellen Welt bergauf, verstärkte sich auch der Widerstand auf der Pedale.

Bislang orientierten sich diese Rennen am Modus der Straßenrennen. Die "Challenge of the Stars" ist aber ein ganz neues Format. Paolo Bellino:
33D-Modell des Coronavirus SARS-CoV2
"Sie kämpfen eins gegen eins, wie in einem Tennisturnier. Wir werden Viertelfinale, Halbfinale und Finale haben."
Acht Sprinter kämpfen in Mann-gegen-Mann-Duellen in einer virtuellen Toskana. Acht Kletterer müssen eine bis zu zwölf Prozent steile Rampe des virtuellen Stilfser Joch hinauf. Der Sieger kommt jeweils eine Runde weiter. Der belgische Sportkanal Sporza überträgt. Livestreams gibt es auf Facebook, Twitter und Instagram.
Chris Froome ist das Wohnzimmertraining bereits gewöhnt
Chris Froome wird am Wettbewerb der Kletterer teilnehmen. Der vierfache Toursieger fühlt sich für das neue Rennformat gut gerüstet. Genug Trainingskilometer im Zimmer hat er bereits abgespult in den letzten Wochen.
"Meine längste Runde auf der Rolle dauerte sieben Stunden. Meistens habe ich dabei richtig laute Musik gehört. Das hat mich gut angetrieben. Bei den ganz langen Ausfahrten habe ich mir auch Netflix-Serien angeguckt. Aber meistens war es Musik, laute Musik."
Die erste Etappe der Tour de France hat der Niederländer Teunissen gewonnen.
Radsport - 104 Renntage in 100 Tagen
Am 1. August soll laut Weltverband UCI die Radsport-Saison wieder starten, unter anderem mit der Tour de France. Der Kalender ist straff, vor allem der Giro d'Italia leidet unter Überschneidungen. Das birgt Konfliktpotential.
Jetzt freut er sich, dass er nach der Lockerung des Lockdowns endlich wieder draußen trainieren darf. Dass er den Sonntag für das virtuelle Rennen indoor verbringt, nimmt er mit Humor.
"Ich bin schon gespannt darauf, wie es sein wird, aus eigenem Entschluss Rolle zu fahren und nicht als reine Pflicht."
Zukunftsfähigkeit virtueller Rennserie
Froome denkt, dass virtuelle Rennen auch in Zukunft Bestand haben.
"Virtuelle Radrennen sind definitiv im Kommen. Es wird vielleicht gar nicht mehr so lange dauern, bis wir eine virtuelle Rennserie sehen, die dann auch Teil des offiziellen Kalenders ist. Wer weiß das schon? Ich würde es keinesfalls ausschließen."
Zur Challenge of the Stars wird Froome noch im Ineos-Trikot antreten. Seine Zukunft aber ist ungewiss. Sein Vertrag läuft aus und er prüft Wechseloptionen. Froome gegen Ineos - das würde spannenden Sport auch auf der Straße versprechen.