Funkdurchsage: "Alles okay?"
Das Segelflugzeug ist gestartet, nun schwebt Pilot Timo Meinen am Himmel und hält Ausschau nach günstigen Bedingungen.
"Wir sind jetzt 500 Meter hochgekommen. Wir versuchen uns an den Wolken zu orientieren, ob wir da irgendwo Thermik finden können."
Timo Meinen schaltet das Variometer ein, ein elektronischer Ton quäkt durchs Cockpit. Er zeigt an, ob das Flugzeug sinkt oder steigt:
"Jetzt steigen wir mit einem halben Meter pro Sekunde hoch. Jetzt fange ich einen Kreis an, damit wir versuchen, möglichst lange in dieser Thermik zu bleiben."
Thermik - für Segelflieger ist sie das A und O. Ohne die Aufwinde nämlich wären sie nicht in der Lage, sich länger in der Luft zu halten. Das Vorbild: die Natur.
Das Verhalten von Zugvögeln steht Pate
"Fregattvögel etwa können durch geschicktes Ausnutzen der Thermik Tausende von Kilometern zurücklegen", sagt Terry Sejnowski, Neurowissenschaftler am Salk Institute for Biological Studies im kalifornischen San Diego.
"Das Problem ist, dass diese Aufwinde sehr turbulent sind. Dadurch sind sie schwierig vorherzusagen. Und das macht es für den Menschen so schwierig, die Fähigkeiten der Vögel nachzuahmen. Deshalb orientieren sich Segelflugpiloten an Vögeln um zu sehen, wo es eine gute Thermik gibt."
Wie lassen sich die Aufwinde besser berechnen, sodass sie der Mensch ähnlich effektiv nutzen kann wie ein Vogel? Um das zu beantworten, versucht es Sejnowskis Team mit einer speziellen Art von Computersimulation, inspiriert durch die Funktionsweise des Gehirns. Verstärkendes Lernen, so heißt das Prinzip. Und zwar programmierten die Forscher einen virtuellen Gleiter, der sich in einer ebenso virtuellen Thermik zurechtfinden muss. Zunächst schlägt der Gleiter dabei einen zufälligen Kurs ein. Sobald er merkt, dass er ins Steigen kommt, erhält er eine Art digitale Belohnung. Und die animiert ihn dazu, nach Bedingungen zu suchen, bei denen er noch höher steigen kann:
"Dieses verstärkende Lernen haben wir kombiniert mit einer Software, mit der sich einfache Flugparameter steuern lassen, etwa der Anstellwinkel einer Tragfläche. Diese Computersimulation haben wir dann mehrfach nacheinander laufen lassen. Und tatsächlich hat die Software mit der Zeit gelernt, wie man am besten gleitet und die Thermik nutzt - ganz ähnlich, wie wir es bei den Vögeln beobachten."
Der verwendete Algorithmus kommt von Google
Derselbe Algorithmus kam übrigens im vergangenen März zum Einsatz, als ein von Google entwickeltes Computerprogramm einen der weltbesten Go-Spieler schlagen konnte - ein vielbeachteter Triumph der künstlichen Intelligenz. Bei der Gleitersimulation überraschte die Experten vor allem eines: Um einen Aufwind mit seinen komplexen Strömungsverhältnissen zu nutzen, genügt ein relativ simpler lernfähiger Algorithmus, der mit wenigen Sensordaten auskommt: Im Wesentlichen reichen Aufwärtsbeschleunigung und Drehgeschwindigkeit - Messgrößen also, die heute jedes Smartphone zur Verfügung stellt:
"Das könnte praktische Anwendungen nach sich ziehen. Drohnen, die unser System eingebaut hätten, könnten sich stundenlang in der Luft halten, ohne dabei viel Energie zu verbrauchen."
Den ersten Praxistest nicht bestanden
Die Vision: Segelnde Server für Landstriche mit schlechter Internetversorgung oder Beobachtungsdrohnen, die in weitläufigen Nationalparks nach Wilderern fahnden. Bislang aber funktioniert die Sache lediglich als Computersimulation. Deshalb versucht Sejnowski die Technik nun auch in der Praxis zu testen, in einem Modellsegelflieger. Aber:
"Unser erster Flug ist leider abgestürzt. Als Bordrechner diente ein Handy, doch das war dann leider zu schwer für das Modellflugzeug. Aber diese Art von praktischen Problemen sollten sich bald lösen lassen.
"Delta 5851, Position Uetersen."
"In Sicht."
Segelfliegerpiloten wie Timo Meinen werden sich also noch gedulden müssen, bis sie Unterstützung erhalten bei der Suche nach der optimalen Thermik.
"Man merkt: Es geht deutlich runter."
Heute jedenfalls hat Timo Meinen keinen guten Aufwind gefunden. Notgedrungen setzt er zur Landung an.