Archiv

Virusinfektion
Ebola ist nicht neu in Westafrika

Niemand könne mit gutem Gewissen sagen, es hätte keine Warnung gegeben, berichtet Liberias oberste Gesundheitsbeamtin, Bernice Dahn, in einem Gastkommentar in der "New York Times". Bereits vor dreieinhalb Jahrzehnten gab es in Liberia Menschen, die eine Ebola-Infektion überlebt hatten.

Von Franziska Badenschier |
    Schüler in Monrovia (Liberia) waschen sich die Hände, um sich vor Ebola zu schützen.
    Bis zu diesem Ausbruch vor gut einem Jahr war Ebola kein Thema in Liberia. (dpa / picture alliance / Ahmed Jallanzo)
    Ebola in Westafrika: "Das hat es noch nie gegeben; damit hat niemand gerechnet." So heißt es immer wieder, seit vor rund einem Jahr bekannt wurde: In Guinea ist Ebola ausgebrochen und die Nachbarländer Liberia und Sierra Leone sind ebenfalls betroffen.
    "Aber niemand kann mit gutem Gewissen sagen, es hätte keine Warnung gegeben. Ebola war bereits hier."
    So steht es in einem Gastkommentar in der New York Times - verfasst unter anderem von Liberia oberster Gesundheitsbeamtin, Bernice Dahn. Vor einer Weile habe sie den Ebola-Sanierungsplan für Liberia vorbereitet und sei dafür auch die Fachliteratur zum Thema Ebola in Liberia systematisch durchgegangen, berichtet die Medizinerin. Und dabei habe sie einen Fachartikel aus den "Annalen des Instituts Pasteur / Virologie" gefunden, in dem steht: In den Blutproben von 433 Liberianern aus dem ganzen Land wurden Antikörper gegen Erreger von hämorrhagischen Fiebern gefunden: bei 17 Prozent gegen das Lassa-Virus, bei anderthalb Prozent gegen das Marburg-Fieber - und bei sechs Prozent gegen das Ebola-Virus.
    "Was uns entsetzt hat waren nicht die Wörter, sondern wann sie geschrieben wurden: Das Papier wurde 1982 veröffentlicht."
    Niemand hat es bemerkt?
    Die Proben wurden sogar bereits 1978 und '79 genommen. Das heißt: Bereits vor dreieinhalb Jahrzehnten gab es in Liberia Menschen, die eine Ebola-Infektion überlebt hatten. Und niemand hat es bemerkt? Weder die Ausbrüche selber, noch dass es diese Fachpublikation gibt!? Bernice Dahn erklärt sich das in der New York Times so:
    "Teil des Problems ist, dass an diesem und zwei ähnlichen Artikeln keine liberianischen Forscher mitgeschrieben haben. Und selbst heute würde es einen Arzt 45 US-Dollar kosten, eine der Publikationen aus einer Datenbank herunterzuladen - etwa ein halbes Wochengehalt."
    Dabei hätte es durchaus Möglichkeiten gegeben, an den Fachartikel zu gelangen: Fachjournale erlassen so manchen Bibliotheken und Forschungseinrichtungen in ärmeren Ländern die Gebühren. Und es war und ist es durchaus üblich, von Kollege zu Kollege um ein Exemplar zu bitten und es dann auch kostenlos zu erhalten. Man muss nur erst mal die Quelle in einer Datenbank finden.
    Und in der Tat: Die Studie wurde von drei Forschern des deutschen Bernhard-Nocht-Instituts für Tropenmedizin durchgeführt - aber dort hat in den vergangenen Monaten nie jemand gesagt: "Da war doch unser Paper."
    Krankenhaus und die Forschungsstation zerstört
    Zwei der drei Forscher sind mittlerweile verstorben. Der Dritte ist längst emeritiert, aber immer noch den einen oder anderen Tag am Institut in Hamburg: Herbert Schmitz, 74 Jahre. Der Virologe lacht kurz auf: Er habe doch sogar Sonderdrucke jenes Fachartikels von 1982 an der Universität in Monrovia hinterlegt.
    Und damit auch das Thema Ebola, das wie Lassa ein hämorrhagisches Fieber ist, damals aber seltener vorkam. Schmitz und Co. hatten in all den Jahren vor Ort keinen akut kranken Ebola-Patienten gefunden.
    "Außerdem mussten wir dann unsere Zelte abbrechen. Die Leute haben sich gegenseitig die Köpfe abgeschnitten. Das war entsetzlich. Und wir sind natürlich auch so schnell wie möglich weg."
    Mitte der 1980er Jahre war das. Dann kam der Bürgerkrieg. Schließlich waren das Krankenhaus und die Forschungsstation zerstört, die das Bernhard-Nocht-Institut in Liberia aufgebaut hatte. Die Tropenmediziner forschten nun in anderen Ländern und kaum noch über Ebola. Von dem Sonderdruck der Studie sei wohl nicht mehr viel Papier übrig geblieben, mutmaßt Schmitz heute.
    Dabei enthält der nur vier Seiten lange Fachaufsatz ein brisantes Detail: eine Tabelle, wo die Menschen in den fünf Jahren vor der Blutentnahme gelebt haben. Und die Gegend mit dem höchsten Anteil an Ebola-Überlebenden ist: Guinea. Das Land grenzt sowohl an Liberia als auch an Sierra Leone. Und in jenem Drei-Länder-Eck, auf der Seite von Guinea, hat die "aktuelle" Ebola-Epidemie ihren Ursprung gehabt.
    Doch bis zu diesem Ausbruch vor gut einem Jahr war Ebola kein Thema in Liberia.
    "Da war praktisch nach dem Bürgerkrieg kaum noch ein Krankenhaus, was sich für so was interessiert hätte. Die haben sich interessiert für Verletzungen und Wunden und Ähnliches mehr. Aber nicht mehr für seltene Fälle, die irgendwo im Urwald auftraten."