In einem niedrigen Raum haben sich an die 50 Männer und Frauen versammelt. Die Gemeinde erhebt sich, als der Priester und seine Messdiener in langen weißen Gewändern einziehen. Hinter der holzgetäfelten Wand des Altars hängt ein schlichtes Kreuz. Ein kleines Mädchen in dunkelblauer Bluse und Minirock rutscht unruhig auf der Holzbank neben seiner Mutter in einem kurzen Jeanskleid hin und her. Zwei dunkelhaarige junge Männer stecken schnell noch ihre Smartphones in die Hosentasche und schieben sich in eine der hinteren Bänke. Von den irakischen Christen, die hier jeden Sonntag in einem einfachen Haus im Pariser Norden Gottesdienst feiern, sind viele aus ihrem Heimatland geflohen. Elish Yako kann sich noch daran erinnern, wie die französische Regierung 2007 um Hilfe bat, Betroffene aus dem Irak auszusuchen, um ihnen Visa für Frankreich auszustellen.
Christen aus dem Orient kamen nach Frankreich
Der sympathische Mann gehört einer Organisation an, die Christen aus dem Orient unterstützt in Frankreich Fuß zu fassen:
"Die französische Regierung hat uns damals Kriterien gegeben: Diejenigen, die Französisch sprachen, wurden bevorzugt, und sie mussten verfolgt sein."
Elish Yako wischt sich die grauen Haare aus der Stirn. Einfach war es nicht, die Auswahl zu treffen, sagt er. Denn gleichzeitig wurden die enttäuscht, die nicht bei den letztendlich gut 1.200 Auserwählten dabei waren. Mütter mit Kindern und Kranke, die oft schon in die Nachbarländer des Irak geflohen waren, kamen zuerst dran. Bedingung war auch, dass sich in Frankreich eine Gastfamilie um die Flüchtlinge kümmerte. Bassa Mouziz war schon zehn Jahre davor nach Frankreich gekommen - damals noch als politischer Flüchtling aus dem Irak unter Saddam Hussein. Nach dem Sturz des Saddam-Regimes verschlechterte sich dann die Situation für Christen, erzählt der hochgewachsene Mann:
"Damals haben sie in Mossul angefangen, die Christen zu töten. Man hat den Ausweis verlangt - auf dem stand die Religionszugehörigkeit. Wenn es ein Christ war, hat man ihn einfach getötet."
Bassa Mouziz, der heute als Arzt in einem Pariser Krankenhaus arbeitet, konnte dann damals über ein französisches Visum seinen Bruder und dessen Kinder zu sich holen.
Überleben mit Hilfe der humanitären Visa
Nach der Messe unterhalten sich Männer und Frauen neben Tischen mit Kaffee und Gebäck. Sarah ist 2008 aus dem Irak gekommen. Damals war sie 20 und floh mit ihren Eltern und einer Schwester. Sie sagt:
"Ich war die einzige Christin in meiner Studien-Klasse im Irak. Es gab immer Leute um mich herum, die mich fragten: Warum wirst Du nicht Muslimin; deine Religion ist nicht die richtige. Wir konnten nicht in Ruhe leben."
Sonntags ist ihre Familie dennoch zur Kirche gegangen, erzählt Sarah. Aber sie sei immer auf der Hut gewesen. Die zierliche Frau zeigt auf die Jeans, die sie trägt.
"Wir wurden überwacht. Als Mädchen konnte man nicht mit ganz normalen Hosen rausgehen. Ich bin immer mit meinen Eltern im Auto gefahren. So haben mich die Typen nicht so lüstern angeschaut."
Saleh, lange schwarze Haare und glänzende Augen, ist auch 2008 als Teenager nach Frankreich gekommen. Sie erinnert sich an ihr christliches Viertel in einer irakischen Stadt:
"Der Großteil der Familien in diesem Viertel hat eines Tages einen Droh-Brief erhalten: Sie sollten entweder zum Islam übertreten oder das Viertel verlassen. Wir wollten nicht riskieren, dass uns etwas passiert. Wir sind also gegangen, bevor wir bedroht wurden."
"Es wäre sehr schwierig, in den Irak zurückzukehren."
Syrien war das nächste Land, wohin ihre Eltern mit den drei Kindern und der Großmutter fliehen konnten. Von dort aus haben sie dann Asyl in Frankreich bekommen. Die beiden jungen Frauen können sich überhaupt nicht vorstellen, jemals wieder in den Irak zurückzugehen.
"Es gibt immer noch Krieg. Die Leute haben sich verändert. Wir haben hier in Frankreich unser Leben aufgebaut. Es wäre sehr schwierig, in den Irak zurückzukehren,"
sagt Sarah, die heute einen festen Beruf hat. Nachdem die Terrormiliz Islamischer Staat 2014 große Teile des Irak unter Kontrolle hatte, hat Frankreich wieder Visa für die verfolgten Christen ausgestellt. Elish Yako verweist aber auf tausende irakische Christen, die in die Länder der Region geflüchtet sind und nicht mehr in den Irak zurück wollen.
"Wir möchten gern die französische Regierung überzeugen, dass sie wieder einen Plan macht wie 2008, dass der Staat selber sich engagiert, die verfolgten Christen hier aufzunehmen. Aber das haben wir noch nicht geschafft."