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Visavid statt Teams
Neue virtuelle Klassenräume an bayerischen Schulen

An den Schulen in Bayern soll ein neues Videokonferenzsystem künftig Microsoft Teams ablösen. Bei dem hatte es wiederholt Diskussionen zur Verträglichkeit mit der Datenschutzgrundverordnung gegeben. Kann das neue System Visavid aus der heimischen Oberpfalz die Probleme lösen?

Von Peter Welchering |
Distanzunterricht - derzeit für die allermeisten Schülerinnen und Schüler Alltag
Derzeit findet Schulunterricht aufgrund der Corona-Pandemie größtenteils Online statt. (picture alliance / Zoonar.com / Ruslan Olinchuk)
Mittwochmorgen, 8:00 Uhr, Schulbeginn. In Bayern streben zehntausende Schülerinnen und Schüler, Lehrerinnen und Lehrer in ihre Klassenräume – virtuell natürlich. Denn in Bayern ist Distanzunterricht angesagt. Eine ganze Weile schon. Aber heute gab es neue virtuelle Klassenräume, in die die Schüler ab heute nach und nach umziehen.
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Die neuen virtuellen Klassenräume stammen aus Neumarkt in der Oberpfalz. Dort sitzt das Softwareunternehmen Auctores GmbH. Und dort wurde das Videokonferenzsystem Visavid entwickelt. Als Auctores-Geschäftsführer Karl Weigl die Ausschreibung des bayerischen Kultusministeriums gelesen hat, die ein System für mehr als 200.000 Schüler und Lehrer suchten, dachte er sich: Das haben wir doch im Prinzip schon.
"Die Philosophie der Software war ja von Anfang an so ausgelegt, dass eine horizontale Skalierbarkeit da ist, bedeutet, dass jeder Dozent erst einmal, wenn er den Raum betritt, seinen eigenen Server bekommt."

Konferenz mit der vollen Bandbreite eines Servers

Wenn sich zu Unterrichtsbeginn mehrere zehntausend Teilnehmer gleichzeitig bei einem Videokonferenzsystem anmelden, geht das schon mal in die Knie. Damit haben die Schulen in Bayern leidvolle Erfahrungen gesammelt.
Das Visavid-System arbeitet da mit einem Trick, sagt Karl Weigl: "So ist die eigentliche Konferenz mit der vollen Bandbreite eines Servers ausgestattet. Also diese Baustelle, dass es zu Engpässen bezüglich einer Server- Überlastung der eigentlichen Videokonferenz kommt, die haben wir schon mal nicht."
Für jeden virtuellen Klassenraum ist ein eigener Server vorgesehen. Melden sich Schüler und Lehrerinnen für ihren Klassenraum an, werden sie direkt zu ihrem Server geschickt. Der muss dann eben 20 bis 30 Anmeldungen gleichzeitig bearbeiten und nicht mehrere zehntausend, wie das bei einem zentralen Anmeldeserver der Fall ist. Nach der Anmeldung sehen und hören sich Schülerinnen und Lehrerinnen untereinander und können an einer weißen Tafel, dem Whiteboard miteinander arbeiten.
Ein Schüler sitzt mit einem Mundschutz im Klassenzimmer und schreibt.
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"In dem Whiteboard kann ich entweder leere Dateien erstellen oder ein leeres Whiteboard befüllen, kann einzelnen Teilnehmern die Teilnahme erlauben, kann das denen auch wieder entziehen. Wir können vordefinierte PDFs reinladen. Man kann malen, man kann schreiben.
Die Lehrperson kann Videos einspielen. Allerdings gibt es da noch eine Einschränkung. "Bei uns funktioniert das Videoabspielen inklusive Ton allerdings leider nur im Google Chrome. Aber wenn ich das als Dozent weiß, dann kann ich das natürlich entsprechend vorbereiten. Im Firefox funktioniert das Videoabspielen auch, aber der Ton wird leider nicht durchgeschliffen."

Bestätigungscode zur Anwesenheitskontrolle

Die Lehrperson muss also den Chrome-Browser von Google einsetzen, die Schüler können mit Firefox oder anderen Browsern arbeiten. Es gibt sogar eine Anwesenheitskontrolle. Schüler werden nach 15 Minuten Inaktivität an Maus oder Tastatur aufgefordert, einen Bestätigungscode einzugeben. Und was im virtuellen Klassenzimmer passiert, bleibt im virtuellen Klassenzimmer- alle Schüler- und Unterrichtsdaten bleiben vertraulich. Dafür wurde Visavid in Sachen Datenschutz und Datensicherheit ziemlich hochgerüstet.
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Johannes Nehlsen arbeitet bei der Stabsstelle IT-Recht der Universität Würzburg und hat sich Visavid in seiner Freizeit genauer angeschaut.
"Von außen sieht man, dass der Anbieter eine tadellose Verschlüsselung anbietet, keine Schwächen in der Verschlüsselung anbietet, also in der Transport-Verschlüsselung. Dann sieht man, dass er auch die Sicherheitselemente, die ich quasi noch berücksichtigen kann, wenn ich einen Webdienst anbiete - also: Wie wahrscheinlich ist es, dass sich jemand drittes doch noch hinein mogeln kann in die Verbindung? - auch das ist hervorragend umgesetzt."
Ein paar Hausaufgaben für die Visavid-Entwickler hat noch der Bayerische Lehrerinnen- und Lehrerverband. Deren Vorsitzende Birgit Dittmar-Glaubig wünscht sich noch Erweiterungen bei der gemeinsamen Arbeit von Schülern und Lehrern an Dateien, virtuelle Breakout-Räume für die Gruppenarbeit und die Anbindung an die Lernplattform Mebis. Auctores-Geschäftsführer Karl Weigl meint, technisch sei das gut umsetzbar. Allerdings müsse das Kultusministerium das auch wollen.
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