Es ist still geworden um die Visegrád-Hauptstädte, seit sie im Dezember 2019 auf einer Pressekonferenz medienwirksam verkündeten, gemeinsam für Freiheit, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit eintreten zu wollen. Seither ist nicht mehr viel passiert - aber eingeschlafen sei die Initiative keinesfalls, sagt der Prager Oberbürgermeister Zdeněk Hřib.
Gemeinsames Interesse an grüner Politik
"Wir beschränken uns nicht darauf, dass wir gemeinsame Werte haben, sondern wir haben auch konkrete Projekte. Deshalb haben wir zum Beispiel gemeinsam den europäischen Green Deal unterstützt und unser Interesse an einem grünen Neustart nach der Corona-Pandemie bekundet."
Sie richten ihren Blick nach vorn, die Bürgermeister der vier Visegrád-Hauptstädte Bratislava, Budapest, Prag und Warschau – aber es ist ein Blick voller Sorge. Denn während die Metropolen in Sachen Umwelt-Innovationen gern zur Speerspitze gehören würden, fürchten sie, dass die jeweilige Regierung ihres Landes sie da ausbremsen könnte. Katarina Rajčanová von der Stadtverwaltung in Bratislava:
"Unsere Bemühungen gegenüber den wichtigsten Institutionen der EU zielen auf eine direkte Finanzierung der Städte – insbesondere mit Blick auf den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen, aber auch bei Entscheidungen etwa über die Mittel aus dem europäischen Green Deal und für die Unterstützung der Nachhaltigkeit."
Hauptstädte sorgen sich um ihr Budget
Eine finanzielle Sorge treibt die Hauptstädte schon seit der Gründung ihres "Pakts der freien Städte" um: Weil die Oberbürgermeister in allen vier Städten mit einer eher urbanen, liberalen Politik in Opposition zu den nach rechts neigenden Landesregierungen stehen, fürchten sie, dass ihnen der Geldhahn zugedreht werden könnte. Der Prager Oberbürgermeister Zdeněk Hřib, ein Mitglied der Piratenpartei, streitet sich beispielsweise öfters öffentlich mit dem Premierminister Andrej Babiš, etwa bei der Frage nach Infrastrukturprojekten. Darüber spreche er auch mit den Kollegen aus den anderen Visegrád-Hauptstädten:
"Unsere Regierungen kürzen die Einnahmen der Städte und wollen damit indirekt eine de-facto-Liquidierung der städtischen Selbstverwaltungen erreichen."
Unbequem waren die Hauptstädte ihren Regierungen in der Vergangenheit immer wieder: Der Prager Oberbürgermeister etwa gehörte zu den Initiatoren einer großen politischen Delegation aus Tschechien, die im vergangenen Sommer nach Taiwan reiste – und damit sowohl Peking als auch das Lager um den tschechischen Präsidenten in Rage brachte. Soviel Eigensinn kommt nicht immer gut an. Der bekannte tschechische Politik-Beobachter Petr Robejsek etwa spottet in einem Video-Blog über den Hauptstadt-Pakt:
Das Städtebündnis will wachsen
"So ganz neu ist der Plan nicht. Aus der Renaissance-Zeit kennen wir die italienischen Stadtstaaten wie Venedig oder Florenz. Die waren damals für ihre Umgebung Machtzentren, verbreiteten Furcht und waren Objekte des Neids. Und heute sollen die Visegrád-Metropolen Inseln des fortschrittlichen Guten sein, die tapfer den heranbrechenden Wellen des Populismus und der moralischen Verdorbenheit widerstehen."
Die Hauptstädte sollten sich klarmachen, so seine Schlussfolgerung, dass sie eine Minderheitenposition verträten – deutlich gemacht habe das etwa die Niederlage des Warschauer Oberbürgermeisters, der im vergangenen Jahr bei den polnischen Präsidentschaftswahlen angetreten war. Eine gewisse Anziehungskraft hat das Städtebündnis offenbar auch: Derzeit, so heißt es aus Bratislava, werde die Aufnahme weiterer europäischer, aber auch außereuropäischer Städte vorbereitet.