Am Ende war das Ergebnis keine Überraschung mehr. 55 Senatoren und Senatorinnen stimmten für die Einleitung des Amtsenthebungsverfahrens, 22 dagegen. Damit sprach sich das brasilianische Oberhaus sogar mit einer 2/3-Mehrheit für die Suspendierung von Präsidentin Dilma Rousseff aus. Die einfache Mehrheit hätte ausgereicht.
Über 20 Stunden hatten die Mitglieder des Senats über den Impeachment-Antrag debattiert, bereits während der zahlreichen Redebeiträge war deutlich geworden, Dilma Rousseff hat im Senat keinen Rückhalt mehr. Es war Regierungsanwalt Jose Eduardo Cardozo, der unmittelbar vor der Abstimmung noch einmal versucht hatte, die Senatsmitglieder umzustimmen.
Präsidentin Dilma Rousseff: unschuldig oder verantwortungslos?
"Ich sage Ihnen, wenn sie jetzt eine ehrliche und unschuldige Frau verurteilen, wenn Sie jetzt einen juristischen Vorwand benutzen, um eine Präsidentin zu beschuldigen, wegen Handlungen, die alle ihre Vorgänger auch begangen haben, so begehen Sie eine historische Ungerechtigkeit. Dann verurteilen Sie eine Unschuldige."
Die Argumente des Regierungsanwaltes fanden bei der Mehrheit im Senat keine Zustimmung. Es waren Politiker wie Aecio Neves von der sozialdemokratischen Partei, die mit ihren Argumenten mehr Gehör fanden. Neves war vor zwei Jahren bei der Präsidentschaftswahl in einer Stichwahl knapp gegen Rousseff unterlegen. Er fühlt sich um die Präsidentschaft betrogen.
"Auf unverantwortliche Art und Weise, mit dem Gefühl dass sie davon kommen werden, dass sie über Gesetz und Ordnung stehen, hat diese Regierung Maßnahmen ergriffen, die gegen die wirtschaftliche Stabilität und die Lebensqualität der Brasilianer gerichtet waren. Lasst uns also unsere Pflicht erfüllen, morgen erwartet uns ein anderer Tag."
Suspendierung zunächst für 180 Tage
Dilma Rousseff wird nun für 180 Tage suspendiert. Nach Überzeugung der deutlichen Mehrheit im Kongress hat Rousseff die wahre Haushaltslage verschleiert und Kredite ohne Autorisierung des Parlaments aufgenommen. Ob diese Vorwürfe wirklich zutreffen, wird erst während ihrer Suspendierung juristisch geprüft. Vom Senat unter Federführung des Obersten Gerichtshofs. Indes: Die Anhänger der Präsidentin haben nach diesen turbulenten Wochen den Glauben an die brasilianischen Institutionen verloren. Für viele – wie Jorge Viana von der Arbeiterpartei – wird Dilma Rousseff weggeputscht.
"Manche sagen hier doch ernsthaft, dass wir in unserem Land eine Normalität der Institutionen erleben. Ich sage allen: In diesem Land herrscht die Anarchie der Institutionen."
Dilma Rousseff hatte sich mit ihrer vorläufigen Suspendierung offensichtlich bereits abgefunden. Noch vor der Abstimmung soll sie persönliche Unterlagen aus dem Regierungspalast abgeholt und in ihre Residenz gebracht haben. Die Zeitung "Folha de Sao Paulo" berichtet, dass in den Büros der Regierung Aktenvernichter und Scanner zum Einsatz kommen.
Als Interimspräsident steht nun Vizepräsident Michel Temer bereit. Er hat bereits die Mitglieder für sein Kabinett ausgewählt und Teile seines Regierungsprogramms verkündet. Der 75-jährige Temer setzt dabei auf eine Liberalisierung des Arbeitsmarktes und Privatisierungen, um die angeschlagene Wirtschaft anzukurbeln.