Dirk Müller: Jetzt hat das endlich einmal geklappt am fernen Horn von Afrika. Die Bundesmarine hat neun Piraten festgesetzt, die Seeräuber auf ihrem Schiff zunächst einmal in einem Zelt untergebracht. Nun stellt sich aber die dringende Frage: Was tun mit diesen Piraten? Wo sollen sie hin? Das weiß die Bundesregierung offenbar noch nicht. Darüber sprechen wollen wir nun mit dem FDP-Verteidigungspolitiker Rainer Stinner. Guten Tag!
Rainer Stinner: Guten Tag!
Müller: Herr Stinner, wussten Sie, wenn es so weit kommt, dass es so kompliziert wird?
Stinner: Nein, aber das ganze zeigt ja wieder mal die völlige Unkoordiniertheit, das Chaos der Bundesregierung. Eine Bundesregierung, die uns im Deutschen Bundestag bittet, einem Mandat zuzustimmen im Oktober, um Piraten fangen zu können, bekämpfen zu können, und dann bis Februar, bis Ende Februar, bis Anfang März nicht in der Lage ist, darüber sich klar zu werden, was mit denen geschieht, das kann ich nur mit völliger Unfähigkeit bezeichnen.
Müller: Nun gibt es Politik, es gibt militärische Notwendigkeiten, es gibt das Recht. Macht das Recht diesen komplizierten Prozess notwendig?
Stinner: Nein, überhaupt nicht. Zunächst einmal: Nach Seerechtsübereinkommen – das ist völlig unabhängig von jedem Mandat, was wir beschließen im Deutschen Bundestag –, das Deutschland 1994 verabschiedet hat, können Piraten, die von deutschen Schiffen aufgenommen werden, in Deutschland vor Gericht gestellt werden. Das ist grundsätzlich immer möglich. Im Rahmen der Atalanta-Mission hat sich Deutschland für drei verschiedene Varianten, Möglichkeiten entschieden: Variante A, nach Deutschland bringen, Variante B, an einen Drittstaat übergeben wie Kenia, und Variante C, Piraten wieder frei zu lassen. Letzteres halte ich politisch für völlig unakzeptabel. Es ist leider geschehen am 25. Dezember letzten Jahres und ich bin froh, dass jetzt der Kommandant richtig gehandelt hat. Der verdient Belobigung, dass er jetzt wirklich Piraten festgenommen hat.
Müller: Hätten Sie denn Lust dazu, Herr Stinner, den Piraten in Deutschland tatsächlich den Prozess zu machen?
Stinner: Ich habe jedenfalls kein Verständnis dafür, dass wir als 82-Millionen-Volk, das wie fast kein anderes auf der Welt auf sichere Seewege angewiesen ist, Angst davor haben, dass wir diejenigen, die die Sicherheit der Meere nachhaltig beeinträchtigen, hier in Deutschland vor Gericht stellen und dass wir als 82-Millionen-Volk, als reiches Land Deutschland, Angst davor haben, eventuell nach Verurteilung von Piraten eventuell nach dann eventuell gestelltem Asylantrag, der eventuell abgelehnt wird, dann eventuell fünf, zehn oder 15 Piraten in Deutschland auf Dauer behalten – dass wir davor eine solche Heidenangst haben. Das kann ich überhaupt nicht verstehen.
Müller: Haben Sie denn auf der anderen Seite, um der Regierung einmal zu helfen – die Opposition könnte ja auch konstruktiv in diesem Prozess mitringen; Sie haben das ja auch versucht in den Bundestagsdebatten, in den Auseinandersetzungen –, eine andere Idee? Was ist mit Kenia, was ist mit anderen Ländern?
Stinner: Das haben wir ja immer gesagt. Deshalb bin ich ja auch so fassungslos, dass die Bundesregierung nicht in der Lage war, das in drei Monaten auf die Reihe zu kriegen. Andere Länder schaffen das. Die Bundesregierung musste wissen, dass mit dem Mandat, in dem ausdrücklich ja auch Bekämpfung von Piraten und Festnahme von Piraten festgeschrieben ist, dass dieser Fall eines Tages mal eintreten kann. Deshalb hätte die Bundesregierung darauf vorbereitet werden können. Stellen Sie sich bitte jetzt mal die Lage des armen Kommandanten vor. Der hat richtig gehandelt, hat festgenommen, und der merkt jetzt, dass er mit seinem richtigen Handeln die deutsche Bundesregierung vier Tage lang lahmlegt und sie der Lächerlichkeit der Öffentlichkeit preisgibt. Wie muss sich ein solcher Soldat fühlen? Wird der im nächsten Fall wieder so handeln? – Ich bin im Zweifel und das wirft ein Schlaglicht auf diese Bundesregierung.
Müller: Könnte darauf hinauslaufen, dass beim nächsten Mal die Soldaten einfach vorbeifahren.
Stinner: Das wäre sehr bedauerlich. Ich kann die Soldaten nur ermutigen, dass sie das nicht tun. Ich kann die Soldaten nur ermutigen, das Mandat, was wir der Bundesregierung und den Soldaten gegeben haben, ernst zu nehmen. Piraterie ist für uns Deutsche, die wir wie fast kein anderes Land auf sichere Seewege angewiesen sind, ein ganz ernst zu nehmendes Thema und von daher sage ich auch ganz deutlich, deutsche Interessen sind in jedem Fall berührt, wenn die Sicherheit der Seeschifffahrt unterbunden wird, weil wir an einer Sicherheit der Seeschifffahrt ein großes nationales Interesse haben.
Müller: Rainer Stinner, FDP. – Blicken wir doch noch einmal in den Regierungsprozess, in diesen Entscheidungsprozess herein. Nun sind die Vorlagen kompliziert. Sie haben die drei Optionen angesprochen. Das ist auch immer wieder in den vergangenen Tagen diskutiert worden. Was hätte die Bundesregierung jetzt schneller und besser machen können?
Stinner: Die Bundesregierung hätte unmittelbar, nachdem wir das Mandat beschlossen haben, mit potenziellen Drittstaaten Verhandlungen aufnehmen müssen, über die EU meinetwegen auch – das ist keine Frage –, aber andere Länder haben es ja auch bilateral gemacht, wenn es nicht anders geht, und hätte dafür sorgen müssen, dass ein klarer, eindeutiger Ablauf feststeht, ein Drehbuch feststeht, wenn Piraten festgenommen werden. Ich sage aber, auch hier in diesem Falle zeigt sich, dass es der Bundesregierung eigentlich an der wirklichen Entschlossenheit gebricht, wirklich aktiv gegen Piraterie vorzugehen. Sehr verdächtig war in dem Zusammenhang mit der Mandatserteilung im letzten Herbst ein Brief der Bundesregierung an die Fraktionsvorsitzenden. Der begann mit dem Satz: Es ist nicht das Ziel, Piraten festzunehmen. Das zeigt das eben auch und das zeigt eben auch, dass am 25.12., obwohl wir Piraten hatten, die sogar wegfahren lassen haben mit ihrem Piratenboot. Das halte ich für einen unerträglichen Zustand. Ich hoffe, dass die Bundesregierung jetzt dazu kommt, das Mandat aktiv umzusetzen, und dass sie auch in der Lage ist, administrativ das ganze zu bewältigen, und ich hoffe, dass dieses ein Einzelfall war und dass jetzt geklärt ist, wie mit solchen Fällen umgegangen werden kann.
Müller: Jetzt haben wir etwas abstrakt über die Bundesregierung geredet, Herr Stinner. Nennen Sie uns doch mal einen Namen, wo wir es etwas konkreter machen können. Wer ist dafür verantwortlich? Der Verteidigungsminister?
Stinner: Das Verteidigungsministerium ist sicherlich ein Ministerium, in dem die Bedenken gegenüber Einsätzen der Bundeswehr auch im Pirateriefall sehr, sehr hoch und sehr, sehr deutlich formuliert werden. Das Zweite ist aber, dass wir offensichtlich, wie auch in diesem Fall, zwischen einzelnen Ministerien große Differenzen haben. Schon im Vorfeld der Mandatsdiskussion im letzten Herbst, als wir also im letzten Sommer über das Thema Piraterie gesprochen haben, wurde sehr deutlich, dass zwischen Außenministerium einerseits – die unserer und meiner, von mir vertretenen Meinung zugestimmt hatten, damals schon – und dem Verteidigungsministerium erhebliche Unterschiede bestehen. Jetzt in diesen Tagen erfahren wir – und das finde ich schon einen bemerkenswerten Vorgang –, dass das Innenministerium in einer öffentlichen Verlautbarung das Außenministerium kritisiert, dass es nicht in der Lage gewesen sei, rechtzeitig eine Vereinbarung mit Drittstaaten zu machen. Das wirft einen Blick auf die völlig unkoordinierte Bundesregierung.
Rainer Stinner: Guten Tag!
Müller: Herr Stinner, wussten Sie, wenn es so weit kommt, dass es so kompliziert wird?
Stinner: Nein, aber das ganze zeigt ja wieder mal die völlige Unkoordiniertheit, das Chaos der Bundesregierung. Eine Bundesregierung, die uns im Deutschen Bundestag bittet, einem Mandat zuzustimmen im Oktober, um Piraten fangen zu können, bekämpfen zu können, und dann bis Februar, bis Ende Februar, bis Anfang März nicht in der Lage ist, darüber sich klar zu werden, was mit denen geschieht, das kann ich nur mit völliger Unfähigkeit bezeichnen.
Müller: Nun gibt es Politik, es gibt militärische Notwendigkeiten, es gibt das Recht. Macht das Recht diesen komplizierten Prozess notwendig?
Stinner: Nein, überhaupt nicht. Zunächst einmal: Nach Seerechtsübereinkommen – das ist völlig unabhängig von jedem Mandat, was wir beschließen im Deutschen Bundestag –, das Deutschland 1994 verabschiedet hat, können Piraten, die von deutschen Schiffen aufgenommen werden, in Deutschland vor Gericht gestellt werden. Das ist grundsätzlich immer möglich. Im Rahmen der Atalanta-Mission hat sich Deutschland für drei verschiedene Varianten, Möglichkeiten entschieden: Variante A, nach Deutschland bringen, Variante B, an einen Drittstaat übergeben wie Kenia, und Variante C, Piraten wieder frei zu lassen. Letzteres halte ich politisch für völlig unakzeptabel. Es ist leider geschehen am 25. Dezember letzten Jahres und ich bin froh, dass jetzt der Kommandant richtig gehandelt hat. Der verdient Belobigung, dass er jetzt wirklich Piraten festgenommen hat.
Müller: Hätten Sie denn Lust dazu, Herr Stinner, den Piraten in Deutschland tatsächlich den Prozess zu machen?
Stinner: Ich habe jedenfalls kein Verständnis dafür, dass wir als 82-Millionen-Volk, das wie fast kein anderes auf der Welt auf sichere Seewege angewiesen ist, Angst davor haben, dass wir diejenigen, die die Sicherheit der Meere nachhaltig beeinträchtigen, hier in Deutschland vor Gericht stellen und dass wir als 82-Millionen-Volk, als reiches Land Deutschland, Angst davor haben, eventuell nach Verurteilung von Piraten eventuell nach dann eventuell gestelltem Asylantrag, der eventuell abgelehnt wird, dann eventuell fünf, zehn oder 15 Piraten in Deutschland auf Dauer behalten – dass wir davor eine solche Heidenangst haben. Das kann ich überhaupt nicht verstehen.
Müller: Haben Sie denn auf der anderen Seite, um der Regierung einmal zu helfen – die Opposition könnte ja auch konstruktiv in diesem Prozess mitringen; Sie haben das ja auch versucht in den Bundestagsdebatten, in den Auseinandersetzungen –, eine andere Idee? Was ist mit Kenia, was ist mit anderen Ländern?
Stinner: Das haben wir ja immer gesagt. Deshalb bin ich ja auch so fassungslos, dass die Bundesregierung nicht in der Lage war, das in drei Monaten auf die Reihe zu kriegen. Andere Länder schaffen das. Die Bundesregierung musste wissen, dass mit dem Mandat, in dem ausdrücklich ja auch Bekämpfung von Piraten und Festnahme von Piraten festgeschrieben ist, dass dieser Fall eines Tages mal eintreten kann. Deshalb hätte die Bundesregierung darauf vorbereitet werden können. Stellen Sie sich bitte jetzt mal die Lage des armen Kommandanten vor. Der hat richtig gehandelt, hat festgenommen, und der merkt jetzt, dass er mit seinem richtigen Handeln die deutsche Bundesregierung vier Tage lang lahmlegt und sie der Lächerlichkeit der Öffentlichkeit preisgibt. Wie muss sich ein solcher Soldat fühlen? Wird der im nächsten Fall wieder so handeln? – Ich bin im Zweifel und das wirft ein Schlaglicht auf diese Bundesregierung.
Müller: Könnte darauf hinauslaufen, dass beim nächsten Mal die Soldaten einfach vorbeifahren.
Stinner: Das wäre sehr bedauerlich. Ich kann die Soldaten nur ermutigen, dass sie das nicht tun. Ich kann die Soldaten nur ermutigen, das Mandat, was wir der Bundesregierung und den Soldaten gegeben haben, ernst zu nehmen. Piraterie ist für uns Deutsche, die wir wie fast kein anderes Land auf sichere Seewege angewiesen sind, ein ganz ernst zu nehmendes Thema und von daher sage ich auch ganz deutlich, deutsche Interessen sind in jedem Fall berührt, wenn die Sicherheit der Seeschifffahrt unterbunden wird, weil wir an einer Sicherheit der Seeschifffahrt ein großes nationales Interesse haben.
Müller: Rainer Stinner, FDP. – Blicken wir doch noch einmal in den Regierungsprozess, in diesen Entscheidungsprozess herein. Nun sind die Vorlagen kompliziert. Sie haben die drei Optionen angesprochen. Das ist auch immer wieder in den vergangenen Tagen diskutiert worden. Was hätte die Bundesregierung jetzt schneller und besser machen können?
Stinner: Die Bundesregierung hätte unmittelbar, nachdem wir das Mandat beschlossen haben, mit potenziellen Drittstaaten Verhandlungen aufnehmen müssen, über die EU meinetwegen auch – das ist keine Frage –, aber andere Länder haben es ja auch bilateral gemacht, wenn es nicht anders geht, und hätte dafür sorgen müssen, dass ein klarer, eindeutiger Ablauf feststeht, ein Drehbuch feststeht, wenn Piraten festgenommen werden. Ich sage aber, auch hier in diesem Falle zeigt sich, dass es der Bundesregierung eigentlich an der wirklichen Entschlossenheit gebricht, wirklich aktiv gegen Piraterie vorzugehen. Sehr verdächtig war in dem Zusammenhang mit der Mandatserteilung im letzten Herbst ein Brief der Bundesregierung an die Fraktionsvorsitzenden. Der begann mit dem Satz: Es ist nicht das Ziel, Piraten festzunehmen. Das zeigt das eben auch und das zeigt eben auch, dass am 25.12., obwohl wir Piraten hatten, die sogar wegfahren lassen haben mit ihrem Piratenboot. Das halte ich für einen unerträglichen Zustand. Ich hoffe, dass die Bundesregierung jetzt dazu kommt, das Mandat aktiv umzusetzen, und dass sie auch in der Lage ist, administrativ das ganze zu bewältigen, und ich hoffe, dass dieses ein Einzelfall war und dass jetzt geklärt ist, wie mit solchen Fällen umgegangen werden kann.
Müller: Jetzt haben wir etwas abstrakt über die Bundesregierung geredet, Herr Stinner. Nennen Sie uns doch mal einen Namen, wo wir es etwas konkreter machen können. Wer ist dafür verantwortlich? Der Verteidigungsminister?
Stinner: Das Verteidigungsministerium ist sicherlich ein Ministerium, in dem die Bedenken gegenüber Einsätzen der Bundeswehr auch im Pirateriefall sehr, sehr hoch und sehr, sehr deutlich formuliert werden. Das Zweite ist aber, dass wir offensichtlich, wie auch in diesem Fall, zwischen einzelnen Ministerien große Differenzen haben. Schon im Vorfeld der Mandatsdiskussion im letzten Herbst, als wir also im letzten Sommer über das Thema Piraterie gesprochen haben, wurde sehr deutlich, dass zwischen Außenministerium einerseits – die unserer und meiner, von mir vertretenen Meinung zugestimmt hatten, damals schon – und dem Verteidigungsministerium erhebliche Unterschiede bestehen. Jetzt in diesen Tagen erfahren wir – und das finde ich schon einen bemerkenswerten Vorgang –, dass das Innenministerium in einer öffentlichen Verlautbarung das Außenministerium kritisiert, dass es nicht in der Lage gewesen sei, rechtzeitig eine Vereinbarung mit Drittstaaten zu machen. Das wirft einen Blick auf die völlig unkoordinierte Bundesregierung.