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Vogel gegen Zulassung des therapeutischen Klonens

Stefan Heinlein: Soll das Klonen von menschlichen Embryonen zu Forschungszwecken erlaubt werden? In Deutschland ist die Rechtslage klar, der Bundestag hat sich festgelegt, jedes Klonen ist zu ächten, bis auf wenige, eng begrenzte Ausnahmen ist das Forschen mit embryonalen Stammzellen verboten. Nun jedoch hat die britische Klonlizenz den bisherigen Konsens zunichte gemacht. Ein Dammbruch oder ein Durchbruch? Die Meinungen sind geteilt, auch im deutschen Ethikrat gibt es Streit. Heute soll dort ein Schlusspunkt hinter die monatelangen Beratungen gesetzt werden. Der SPD-Ehrenvorsitzende und ehemalige Bundesjustizminister ist Mitglied dieses von der Bundesregierung eingesetzten Gremiums. Guten Morgen.

Moderation: Stefan Heinlein |
    Hans-Jochen Vogel: Guten Morgen, Herr Heinlein. Gleich zu Beginn eine kleine Korrektur: Ich bin nicht Ehrenvorsitzender. Das hat es in der SPD nur ein einziges Mal gegeben, Willy Brandt war Ehrenvorsitzender und dabei soll es bleiben. Aber jetzt zum Thema.

    Heinlein: Dennoch eine Frage, Herr Vogel, mehr als ein Jahr haben Sie diskutiert im Ethikrat. Wird es denn eine klare Empfehlung zum therapeutischen Klonen geben?

    Vogel: Nein, dazu wird es keine klare Empfehlung geben sondern es wird wie in früheren Stellungnahmen zu anderen Themen, die der Nationale Ethikrat abgegeben hat, eine Darlegung von Argumenten geben. Ein Argumentationsstrang, der sagt, es ist nicht möglich, das therapeutische, oder wie wir sagen, das Forschungsklonen zu erlauben, da stehen gute Gründe dagegen. Eine andere Meinung, die sagt, doch, unter ganz strengen Voraussetzungen und mit entsprechenden Verfahrenskontrollen soll es zugelassen werden, das ist eine gewisse Annäherung an den englischen Standpunkt und dann gibt es einen dritten Argumentationsstrang, der sagt, unter den gegebenen Verhältnissen, nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaften kann es nicht zugelassen werden. Aber das ist doch auch kein Wunder, dass bei einem solch schwierigen Thema 25 Männer und Frauen zu unterschiedlichen Positionen gelangen.

    Heinlein: Es sind also drei Positionen, die dann heute auch namentlich in der abschließenden Stellungnahme gegenzeichnet werden?

    Vogel: Das ist offen, ob in diesem Falle wieder eine namentliche Kennzeichnung stattfindet, denn diese Kennzeichnung führt in der Öffentlichkeit leider dazu, dass gezählt wird. Wir sind ja kein parlamentarisches Gremium, in dem man abstimmt sondern wir sind ein Gremium, das Fragen untersucht und dann zu diesen Fragen Stellungnahmen abgibt. Ein Parlament, das muss natürlich abstimmen, da muss man zählen, aber das ist nicht der Charakter des nationalen Ethikrates.

    Heinlein: Auch wenn Sie sagen, es ist gut, dass die Argumente ausgetauscht werden und dann am Ende auch unterschiedlich dargelegt werden, stellt sich die Frage, warum es nicht gelungen ist, aufeinander zuzugehen, warum gab es keinen konstruktiven Dialog mit dem Ziel einer Einigung?

    Vogel: Entschuldigung, Sie waren doch gar nicht dabei, der Dialog war außerordentlich konstruktiv, es sind auf diese Weise neue Gesichtspunkte deutlicher geworden als vorher. Aber es gibt eben über den Status des Embryos eine grundlegende Meinungsverschiedenheit. Für die Einen beginnt der Würde- und Lebensschutz mit der Befruchtung der Eizelle, sodass das Embryo den vollen Würde- und Lebensschutz besitzt und für die Anderen ist es eine stufenweise Entwicklung. Wie soll man da aufeinander zugehen?

    Heinlein: Aber, Herr Vogel, hätte der Ethikrat nicht Vorbild sein müssen für die gesellschaftliche Debatte um dieses, zugegebenermaßen schwierige Thema? Gab es nicht etwas wie den Zwang zur Einigung? Der Schwarze Peter ist ja jetzt bei der Politik und dort kennen sich die Bundestagsabgeordneten vielleicht weniger aus.

    Vogel: Das einzige Gremium in unserer verfassungsmäßigen Ordnung, das darüber mit Mehrheit entscheiden kann, ist das Parlament. Wir sind kein Parlament, wir haben keine parlamentarische Legitimation. Wir sind berufen worden, um unsere Auffassungen darzulegen und natürlich hat es im Zuge der Diskussion bei dem Einen und Anderen auch eine neue und bessere Einsicht gegeben, das ist ja völlig in Ordnung. Aber dass über diese schwierige Frage sich die Situation in unserer Gesellschaft auch im Ethikrat widerspiegelt, ist doch völlig in Ordnung.

    Heinlein: Man kann dies aber auch Kakophonie nennen, denn in vielen Interviews wurden diese Positionen ja schon herausposaunt.

    Vogel: Wer hat es rausposaunt?

    Heinlein: In vielen Interviews verschiede Mitglieder des Gremiums.

    Vogel: Entschuldigung, das ist nun einfach nicht fair. Sie bitten mich, dass ich mich bereit halte für ein Interview und jetzt sagen Sie, ich posaune hinaus und das ist eine Kakophonie ...

    Heinlein: Ich habe nicht Sie persönlich gemeint.

    Vogel: Außerdem habe ich gar nichts hinausposaunt sondern ich habe beschrieben, wie der gegenwärtige Stand der Meinungsbildung heute Morgen ist, was ist da Kakophonie?

    Heinlein: Ich habe nicht Sie persönlich gemeint sondern zum Beispiel Herrn Simitis und andere.

    Vogel: Aber, Entschuldigung, warum werden die von Ihnen kritisiert, während Sie mich einladen, dass ich genau dasselbe tue, nämlich schildern, welchen Stand der Beratungen wir erreicht haben. Wieso posaunen wir? Herr Heinlein, ich bin ein bisschen verwundert, das ist kein guter Umgang.

    Heinlein: Herr Vogel, Sie sind ein erklärter Gegner des therapeutischen Klonens. Sind Sie denn mit Ihrer Meinung in der Minderheit im Ethikrat?

    Vogel: Ich habe nicht die Absicht, die Mehrheits- oder Minderheitsfrage zu beantworten. Im Übrigen hängt das auch davon ab, wenn man sie wirklich beantworten will, ob man sagt, ich sehe nur die Position, die es keinesfalls zulassen will oder ich sehe auch die Position, die sagt, heute kann es jedenfalls nicht zugelassen werden. Je nachdem, für die, die unbedingt zählen müssen, ergeben sich andere Ergebnisse, schauen Sie.

    Heinlein: Warum diese mangelnde Transparenz der unterschiedlichen Positionen?

    Vogel: Wieso? Was ist denn mangelnde Transparenz? Sie kennen doch den Bericht noch gar nicht.

    Heinlein: Aber Sie haben gesagt, es wird nicht namentlich gekennzeichnet.

    Vogel: Weil wir kein parlamentarisches Gremium sind. Im Übrigen: Kakophonie. Als wir bei der Präimplantationsdiagnostik jeweils unter die verschiedenen Positionen die Namen geschrieben haben, ist das natürlich auch kritisiert worden. Ich bin der Meinung, ich kann ja immer nur meine Meinung vortragen, dass wir nicht abzustimmen haben, weil wir kein parlamentarisches Gremium sind.

    Heinlein: Haben Sie denn Verständnis für Ihre Kollegen im Ethikrat, die jetzt ein Ende des derzeit noch geltenden Klonverbotes fordern?

    Vogel: Da gilt der gute Satz, ich respektiere die Meinung dieser Kolleginnen und Kollegen, aber ich teile sie nicht. Natürlich respektiere ich das, ich beanspruche für mich nicht eine höhere Einschätzung meiner Meinung als die Einschätzung anderer Meinungen. Aber noch einmal: Ich respektiere andere Meinungen, aber ich teile sie nicht.

    Heinlein: Aber was bringt das, wenn in Deutschland, wie Sie ja fordern, das therapeutische Klonen weiter verboten bleibt und in anderen europäischen Ländern, wie etwa Großbritannien, geforscht wird?

    Vogel: Entschuldigung. Wenn wir uns danach richten wollen, wie Sie das jetzt gerade in Ihrer Frage aufwerfen, dann brauchen wir uns ja überhaupt nicht mehr zusammensetzen, dann gucken wir, wo die so genannte liberalste Regelung gilt, wo vielleicht auch schon das reproduktive Klonen praktiziert wird und dann brauchen wir gar keine eigene Stellungnahme mehr erarbeiten. Im Übrigen, wir führen ja die Todesstrafe nicht wieder ein, weil sie in Amerika oder an anderen Orten jetzt neuerdings ...

    Heinlein: Dieser Vergleich hinkt etwas.

    Vogel: Das tun Vergleiche häufig, lieber Herr Heinlein. Wir sind für uns verantwortlich und wenn wir gucken, was andere machen, dann verfehlen wir, glaube ich, unsere Verantwortung. Man muss sich mit dem auseinandersetzen, was andere tun. Aber zu sagen, jetzt sagen wir gar nichts mehr, die Engländer machen schon, also Schluss, Akten geschlossen, das wäre keine, wie ich glaube, vernünftige Haltung.

    Heinlein: Dann setzen wir uns damit auseinander. Wie bewerten Sie denn die britische Entscheidung?

    Vogel: Nach meinen Kriterien ist sie zu bedauern, diese Entscheidung. Ich halte sie für falsch. Es ist ein weiterer Schritt, dass man menschliches Leben und das Embryo ist menschliches Leben, als Instrument behandelt. Dass man menschliches Leben zum Zwecke der Vernichtung erzeugt und das ist mit meinen Vorstellungen dessen, was der Würdeschutz, also der Schutz der Menschenwürde und Schutz des Lebens in unserer Verfassung sagt, nicht vereinbar.

    Heinlein: Hans-Jochen Vogel war das zur Arbeit des Ethikrates. Herr Vogel, ich danke für das Gespräch und auf Wiederhören nach Berlin.

    Vogel: Bitte sehr, auf Wiederhören.