Lange: Heute ist der letzte Arbeitstag für Bernhard Vogel als Ministerpräsident von Thüringen. Nach 23 Jahren als Regierungschef, 12 Jahre in Rheinland Pfalz und 11 in Thüringen wird der CD-Politiker im Landtag in Erfurt am Vormittag seinen Rücktritt erklären. Morgen soll sein Nachfolger, Dieter Althaus, gewählt werden. Wir wollen eine Bilanz dieser letzten 11 Jahre ziehen. Bernhard Vogel ist jetzt am Telefon. Guten Morgen!
Vogel: Guten Morgen!
Lange: Sie haben bei Ihrem Amtsantritt von der schwierigsten Aufgabe Ihres Lebens gesprochen. Betrachten Sie diese Aufgabe nun nach 11 Jahren im großen und ganze nun als bewältigt?
Vogel: Ich habe versucht zu tun, was ich kann. Ich habe versucht, dem Land wieder auf die Beine zu helfen und die Menschen zu motivieren, die große Chance wahrzunehmen. Alles erreicht habe ich selbstverständlich nicht, und es bleibt noch viel für die Zukunft zu tun.
Lange: Was halten Sie denn für Ihre wichtigste Leistung?
Vogel: Die wichtigste Leistung ist, dass der Freistaat Thüringen wieder erstanden ist, dass die Menschen Vertrauen zu diesem Land haben und dass wir ein gutes Stück dem Ziel näher gekommen sind. Es ist wichtig, dass dies ein Land unter den deutschen Ländern und nicht Ostdeutschland ist, dass nicht Ossis hier wohnen, sondern dass hier Thüringer wohnen, genauso wie die Bayern in Bayern oder in Rheinland Pfalz die Rheinland Pfälzer.
Lange: Was ist den ungelöst, Herr Vogel? Oder, was meinen Sie, ist Ihnen wirklich misslungen?
Vogel: Das ungelöste Problem in Thüringen und in den anderen jungen Ländern ist die Beseitigung der Arbeitslosigkeit oder wenigstens ein Niveau auf der Höhe des Westens. Das bleibt die zentrale Aufgabe für die Zukunft. Auch hier ist viel geschehen. Es sind viele Betriebe angesiedelt worden. Es ist ein dichtes Netz mittelständischer Unternehmen geschaffen worden. Aber es kann nicht bei 17 Prozent Arbeitslosigkeit bleiben.
Lange: Es werden nun seit nunmehr 13 Jahren Milliardenbeträge in den wirtschaftlichen Aufholprozess investiert. Trotzdem gibt es den Eindruck, dass die Schere sich nicht schließt, dass sie womöglich noch weiter auseinandergeht. Trifft dieser Eindruck nach Ihrer Ansicht zu?
Vogel: Zunächst sind die Gelder alles in allem sehr gut und erfolgreich angelegt. Dass die Infrastruktur sich ganz wesentlich verbessert hat, dass auch hier Autobahnen und Straßen gebaut und Schienen verbessert worden sind, dafür hat sich das Geld gelohnt und dafür darf man denen, die es zu Steuern aufgebracht haben, auch herzlich danken. In den letzten Jahren stagniert der Aufholprozess, weil die wirtschaftliche Situation der ganzen Bundesrepublik desaströs ist. Es ist deswegen auch unser Interesse, zunächst das Schiff der Bundesrepublik Deutschland wieder flott zu machen, damit wir aufholen können und nicht hinten nachhinken.
Lange: Würden Sie soweit gehen, auch den Thüringern zum Beispiel zu sagen: Ihr müsst auf Dauer damit leben, dass es immer einen gewissen Unterschied erst mal geben wird?
Vogel: Unterschiede gibt es in Westdeutschland auch. Niedersachsen ist nicht Bayern und Baden Württemberg ist nicht Schleswig Holstein. Auch hier waren am Anfang 1990 alle neuen Länder gleich. Heute sind deutliche Unterschiede festzustellen. Beispielsweise ist die Arbeitslosigkeit bei uns zwar verheerend hoch, aber sie ist deutlich niedriger als in den anderen jungen Ländern. Unterschiede werden bleiben. Sie dürfen nur nicht so groß sein wie sie gegenwärtig sind.
Lange: Ihr früherer Kollege in Sachsen, Kurt Biedenkopf, hat bei seinem Abschied beklagt, dass es nicht gelungen sei, angemessene, eigene, moderne Strukturen zu schaffen, sondern dass die westdeutschen Strukturen mit allen schon bekannten Schwächen übertragen wurden. Teilen Sie diesen Befund?
Vogel: Da muss man bitte folgendes beachten: Am Anfang war es der selbstverständliche Wunsch der Menschen in der ehemaligen DDR, ganz in der Bundesrepublik anzukommen. Das heißt auch, alles an Gesetzeswerk zu übernehmen, was es in der Bundesrepublik gab. Wenn wir damals gesagt hätten, wir übernähmen nur jedes zweite Gesetz, hätte das eine falsche Wirkung und ein falsches Signal hier gesetzt. Heute sage ich, es kann nicht nur der Osten vom Westen lernen. Es kann auch der Westen von dem Osten lernen. Dass wir beispielsweise durchgehalten haben, dass Abitur nach acht Jahren am Gymnasium zu machen, hat sich bewährt. Jetzt sind die ersten westdeutschen Länder dabei, es uns nachzumachen.
Lange: Herr Vogel, was machen Sie denn demnächst mit Ihrer vielen Freizeit?
Vogel: Da habe ich ein bisschen Sorge, ob ich wirklich so viel Freizeit haben werde. Seit ich meinen Rücktritt angekündigt habe, werde ich mit Anfragen überhäuft, wo ich überall reden und aushelfen soll. Ich muss da vorsichtig sein. Erstens bleibe ich im Landtag. Zweitens bleibe ich im Bundesvorstand meiner Partei. Drittens habe ich im Vorsitz der Konrad Adenauer Stiftung ein Ehrenamt, das sich darauf freut, mehr Zeit investieren zu können. Mir ist nicht bange, dass ich nichts mehr zu tun haben werde.
Lange: Können Sie sich vorstellen, nach einer gewissen Erholungspause den Amtssitz des Bundespräsidenten zu beziehen?
Vogel: Darauf antworte ich, wie schon vielmals in den letzten Tagen. Ich habe ein politisches Amt nicht aufgegeben, weil ich nach einem anderen strebe.
Lange: Aber nach dem Amt des Bundespräsidenten strebt man ja sowieso nicht.
Vogel: Ja, das finde ich auch richtig. Man sollte auch nicht zur Unzeit darüber diskutieren, aus Respekt zu dem Amtsinhaber, den ich, wie jeder weiß, sehr schätze. Wir waren lange beide Ministerpräsidenten und Kultusminister. Aber auch aus Respekt zu dem Amt halte ich jede Diskussion gegenwärtig für verfrüht. Darüber sollte man diskutieren, wenn man am Schluss angekommen ist.
Lange: Vielen Dank, Herr Vogel!
Link: Interview als RealAudio
Vogel: Guten Morgen!
Lange: Sie haben bei Ihrem Amtsantritt von der schwierigsten Aufgabe Ihres Lebens gesprochen. Betrachten Sie diese Aufgabe nun nach 11 Jahren im großen und ganze nun als bewältigt?
Vogel: Ich habe versucht zu tun, was ich kann. Ich habe versucht, dem Land wieder auf die Beine zu helfen und die Menschen zu motivieren, die große Chance wahrzunehmen. Alles erreicht habe ich selbstverständlich nicht, und es bleibt noch viel für die Zukunft zu tun.
Lange: Was halten Sie denn für Ihre wichtigste Leistung?
Vogel: Die wichtigste Leistung ist, dass der Freistaat Thüringen wieder erstanden ist, dass die Menschen Vertrauen zu diesem Land haben und dass wir ein gutes Stück dem Ziel näher gekommen sind. Es ist wichtig, dass dies ein Land unter den deutschen Ländern und nicht Ostdeutschland ist, dass nicht Ossis hier wohnen, sondern dass hier Thüringer wohnen, genauso wie die Bayern in Bayern oder in Rheinland Pfalz die Rheinland Pfälzer.
Lange: Was ist den ungelöst, Herr Vogel? Oder, was meinen Sie, ist Ihnen wirklich misslungen?
Vogel: Das ungelöste Problem in Thüringen und in den anderen jungen Ländern ist die Beseitigung der Arbeitslosigkeit oder wenigstens ein Niveau auf der Höhe des Westens. Das bleibt die zentrale Aufgabe für die Zukunft. Auch hier ist viel geschehen. Es sind viele Betriebe angesiedelt worden. Es ist ein dichtes Netz mittelständischer Unternehmen geschaffen worden. Aber es kann nicht bei 17 Prozent Arbeitslosigkeit bleiben.
Lange: Es werden nun seit nunmehr 13 Jahren Milliardenbeträge in den wirtschaftlichen Aufholprozess investiert. Trotzdem gibt es den Eindruck, dass die Schere sich nicht schließt, dass sie womöglich noch weiter auseinandergeht. Trifft dieser Eindruck nach Ihrer Ansicht zu?
Vogel: Zunächst sind die Gelder alles in allem sehr gut und erfolgreich angelegt. Dass die Infrastruktur sich ganz wesentlich verbessert hat, dass auch hier Autobahnen und Straßen gebaut und Schienen verbessert worden sind, dafür hat sich das Geld gelohnt und dafür darf man denen, die es zu Steuern aufgebracht haben, auch herzlich danken. In den letzten Jahren stagniert der Aufholprozess, weil die wirtschaftliche Situation der ganzen Bundesrepublik desaströs ist. Es ist deswegen auch unser Interesse, zunächst das Schiff der Bundesrepublik Deutschland wieder flott zu machen, damit wir aufholen können und nicht hinten nachhinken.
Lange: Würden Sie soweit gehen, auch den Thüringern zum Beispiel zu sagen: Ihr müsst auf Dauer damit leben, dass es immer einen gewissen Unterschied erst mal geben wird?
Vogel: Unterschiede gibt es in Westdeutschland auch. Niedersachsen ist nicht Bayern und Baden Württemberg ist nicht Schleswig Holstein. Auch hier waren am Anfang 1990 alle neuen Länder gleich. Heute sind deutliche Unterschiede festzustellen. Beispielsweise ist die Arbeitslosigkeit bei uns zwar verheerend hoch, aber sie ist deutlich niedriger als in den anderen jungen Ländern. Unterschiede werden bleiben. Sie dürfen nur nicht so groß sein wie sie gegenwärtig sind.
Lange: Ihr früherer Kollege in Sachsen, Kurt Biedenkopf, hat bei seinem Abschied beklagt, dass es nicht gelungen sei, angemessene, eigene, moderne Strukturen zu schaffen, sondern dass die westdeutschen Strukturen mit allen schon bekannten Schwächen übertragen wurden. Teilen Sie diesen Befund?
Vogel: Da muss man bitte folgendes beachten: Am Anfang war es der selbstverständliche Wunsch der Menschen in der ehemaligen DDR, ganz in der Bundesrepublik anzukommen. Das heißt auch, alles an Gesetzeswerk zu übernehmen, was es in der Bundesrepublik gab. Wenn wir damals gesagt hätten, wir übernähmen nur jedes zweite Gesetz, hätte das eine falsche Wirkung und ein falsches Signal hier gesetzt. Heute sage ich, es kann nicht nur der Osten vom Westen lernen. Es kann auch der Westen von dem Osten lernen. Dass wir beispielsweise durchgehalten haben, dass Abitur nach acht Jahren am Gymnasium zu machen, hat sich bewährt. Jetzt sind die ersten westdeutschen Länder dabei, es uns nachzumachen.
Lange: Herr Vogel, was machen Sie denn demnächst mit Ihrer vielen Freizeit?
Vogel: Da habe ich ein bisschen Sorge, ob ich wirklich so viel Freizeit haben werde. Seit ich meinen Rücktritt angekündigt habe, werde ich mit Anfragen überhäuft, wo ich überall reden und aushelfen soll. Ich muss da vorsichtig sein. Erstens bleibe ich im Landtag. Zweitens bleibe ich im Bundesvorstand meiner Partei. Drittens habe ich im Vorsitz der Konrad Adenauer Stiftung ein Ehrenamt, das sich darauf freut, mehr Zeit investieren zu können. Mir ist nicht bange, dass ich nichts mehr zu tun haben werde.
Lange: Können Sie sich vorstellen, nach einer gewissen Erholungspause den Amtssitz des Bundespräsidenten zu beziehen?
Vogel: Darauf antworte ich, wie schon vielmals in den letzten Tagen. Ich habe ein politisches Amt nicht aufgegeben, weil ich nach einem anderen strebe.
Lange: Aber nach dem Amt des Bundespräsidenten strebt man ja sowieso nicht.
Vogel: Ja, das finde ich auch richtig. Man sollte auch nicht zur Unzeit darüber diskutieren, aus Respekt zu dem Amtsinhaber, den ich, wie jeder weiß, sehr schätze. Wir waren lange beide Ministerpräsidenten und Kultusminister. Aber auch aus Respekt zu dem Amt halte ich jede Diskussion gegenwärtig für verfrüht. Darüber sollte man diskutieren, wenn man am Schluss angekommen ist.
Lange: Vielen Dank, Herr Vogel!
Link: Interview als RealAudio