Ausbrüche der Geflügelpest wurden schon Ende des 19. Jahrhunderts dokumentiert, seitdem hat sich das Virus fast über die gesamte Welt verbreitet. Nicht nur Vögel, auch andere Tiere und Menschen können sich damit infizieren und erkranken.
Auslöser für die derzeitige Wachsamkeit gegenüber dem H5N1-Virus sind erkrankte Kühe in den USA. Mehr als 130 erfasste H5N1-Infektionen in einem Dutzend US-Bundesstaaten gibt es nach Angaben der US-Gesundheitsbehörde CDC bereits. Wie sich das Milchvieh angesteckt hat, ist noch nicht geklärt. Auch Menschen wurden inzwischen infiziert. Experten beobachten die Situation in den USA mit Sorge.
Wird in den USA genug gegen H5N1 getan?
Die Gegenmaßnahmen in den USA laufen nach Einschätzung des deutschen Friedrich-Loeffler-Instituts nur schleppend an. Bei Tests und Schutzmaßnahmen existiere ein Flickenteppich an Regeln, ein umfassendes, USA-weites gezieltes Suchen nach infizierten Rindern und strenge Quarantänemaßnahmen gebe es bisher nicht, kritisiert Instituts-Vizepräsident Martin Beer. Wenn die USA den Erreger nicht in den Griff bekämen, könnte das weltweit zu einer völlig neuen Rinderkrankheit führen, warnt er.
Der Infektionsmediziner Florian Krammer von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai fordert deswegen, Milchfarmen durchzutesten: „Alle, die positiv sind, unter Quarantäne stellen, bis das Virus nicht mehr zirkuliert.“ Damit würde man das Virus aus der Milchwirtschaft herausbekommen, ist Krammer überzeugt.
Versuche an Milchkühen in Deutschland
Noch gibt es keine Hinweise auf durch das Virus erkrankte Rinder in anderen Ländern. Das Friedrich-Loeffler-Institut hat inzwischen selbst Versuche an Milchkühen durchgeführt. Ergebnis: Nach der direkten Infektion des Euters über die Zitzen zeigten die Tiere eindeutige Krankheitssymptome wie starken Milchrückgang, Veränderung der Milchkonsistenz und Fieber.
Haben sich in den USA auch schon Menschen angesteckt?
Ja, inzwischen wurden in den USA bei mehr als 50 Menschen Infektionen nachgewiesen. Die meisten haben sich auf Milchviehbetrieben angesteckt, wo das Virus unter Kühen grassiert. Im April war ein erster Vogelgrippe-Fall bei einem Arbeiter einer Milchvieh-Farm in Texas bekannt geworden, anschließend wurden zwei weitere Fälle in Michigan gemeldet. Die Krankheitsverläufe waren jeweils milde.
Im November wurde erstmals ein Kind mit H5N1 infiziert, ein Kita-Kind in Kalifornien. Die Erkrankung ist ebenfalls mild verlaufen. Wo und wie sich das Kind angesteckt hat, ist bislang aber unbekannt. Ein Jugendlicher in Kanada, der sich offenbar bei Geflügel angesteckt hat, wurde mit schweren Symptomen in eine Klinik eingeliefert.
Seit wann gibt es das H5N1-Virus und wie verbreitet ist es?
Das Virus H5N1 kursiert bereits seit Jahrzehnten vor allem unter Vögeln - zunächst in Asien, inzwischen nahezu weltweit. Seit 1997 werden verstärkt auf H5N1 zurückgehende Ausbrüche erfasst, berichtet der Vizepräsident des Friedrich-Loeffler-Instituts, Martin Beer.
Seit 2016 breitet sich nach Auskunft des Experten eine Untervariante des Erregers aus, die zu verheerenden Vogelgrippe-Ausbrüchen in fast allen Teilen der Welt bei Wildvögeln und Geflügel führte – auch Infektionsfälle bei fleischfressenden Säugetieren, die mit infizierten Vögeln in Kontakt kommen, wie Seehunde, Nerze, Füchse und Bären wurden registriert.
Verschont blieb bisher, geografisch betrachtet, nur Australien. „Das Virus werden wir nicht mehr wegbekommen“, sagt der Virologe Klaus Stöhr, bis 2007 Leiter des globalen Influenza-Programms der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Frühere Versuche, es zu eliminieren, seien gescheitert.
Wie gefährlich ist H5N1 für den Menschen?
Infektionen mit dem Vogelgrippe-Virus können für Menschen tödlich verlaufen. Derzeit ständen die Rinderfarmen in den USA im Fokus, das eigentliche Epizentrum sei aber Asien, betont der Virologe Klaus Stöhr.
Viele Infektionen bleiben unentdeckt
In den vergangenen zwei Jahrzehnten sind vor allem in asiatischen Ländern nach Zahlen der WHO einige Hundert Menschen an H5N1 gestorben. Sie hatten zum Beispiel zu Schlachtgeflügel Kontakt. Die Datenlage ist hier aber unklar, weil viele Infektionen unentdeckt bleiben.
Zudem handelt es sich in Asien um eine andere Klade des Virus als jene, die unter den Rindern in den USA zirkuliert. Die dort erkrankten Farmmitarbeiter zeigten nur milde Symptome wie Bindehautentzündung. Dagegen wurden antivirale Medikamente eingesetzt.
Kann man Menschen gegen H5N1 impfen?
Ja. Die finnischen Gesundheitsbehörden bieten bereits Menschen eine Impfung an, die ein besonderes Risiko tragen, also viel Kontakt mit Tieren haben, die mit Vogelgrippe infiziert sein könnten. Das sind vor allem Mitarbeiter von Geflügel- und Pelztierfarmen, aber auch Tierärzte. Auf finnischen Pelztierfarmen gab es im vergangenen Jahr mehrere H5N1-Ausbrüche.
Der Infektionsmediziner Florian Krammer von der Icahn School of Medicine at Mount Sinai hält dies für einen "sehr sinnvollen" Schritt: "Einerseits will man diese Menschen vor Infektionen schützen, andererseits schützt man auch davor, dass sich das Virus im Menschen ausbreitet."
Den Impfstoff gegen Viren mit dem H5-Subtyp gibt es also schon, die EU hatte ihn bei einem Grippeimpfstoffhersteller bestellt. Auch die WHO hat Vereinbarungen mit Impfstoffherstellern geschlossen. In Finnland und auch woanders in der EU sind bisher keine H5N1-Infektionen bei Menschen nachgewiesen worden.
Wie wahrscheinlich ist eine Pandemie?
Sicher ist: H5N1 kann von Tieren auf Menschen übertragen werden, doch eine Übertragung von Mensch zu Mensch ist bisher nicht nachgewiesen worden. Insgesamt wird die Gefahr einer Pandemie vor diesem Hintergrund derzeit von der Weltgesundheitsorganisation noch als gering eingeschätzt. Dennoch mahnt die WHO alle Staaten zu erhöhter Aufmerksamkeit.
Bei der Übertragung von Mensch zu Mensch ist ein weiterer Faktor entscheidend für die Frage, ob eine H5N1-Pandemie wahrscheinlicher wird: Die Infektion über Tröpfchen in der Atemluft. Auch das ist derzeit zwischen Menschen nicht der Fall. In Fällen von Infektionen auf Pelztierfarmen wurde vermutet, dass es zu Tröpfcheninfektionen zwischen Tieren gekommen ist.
Bisher keine Tröpfchenübertragung
Eine aktuelle Studie aus den USA legt nun aber nahe, dass das Virus bereits einen weiteren Schritt in Richtung der Anpassung an Säugetiere zurückgelegt hat. Ursprünglich bindet das Vogelgrippe-Virus besonders gut an Zellen im Darmtrakt von Vögeln. Die Forschenden um Yoshihiro Kawaoka von der Universität Wisconsin konnten nun zeigen, dass H5N1-Viren aus infizierten Kühen wahrscheinlich auch gut an menschliche Zellen im oberen Atemtrakt binden können. Dadurch sei eine zukünftige Übertragung zwischen Menschen per Tröpfcheninfektion wahrscheinlicher geworden, folgert Kawaoka. Es sind aber weitere Studien nötig, um die Ergebnisse zu verifizieren.
Sogenannte „Gain of Function“-Versuche haben untersucht, was passieren müsste, damit sich das Virus auch über die Luft übertragen könnte. Bei solchen Untersuchungen werden Viren im Labor so verändert, dass sie neue Eigenschaften erhalten und potenziell gefährlicher werden. Laut einer dieser Studien mit H5N1 des Virologen Ron Fouchier aus dem Jahr 2011 sind mindestens fünf weitere Mutationen notwendig, um die Ansteckungsfähigkeit des Virus zwischen Frettchen zu erhöhen.
Im Fall des kanadischen Jugendlichen im November hat sich das Virus erst im Menschen angepasst, sagt Martin Beer. Dies sei ein Warnsignal. Eine hohe Viruslast könne zu humanen Infektionen führen. "Man muss auch etwas gegen die Ausbreitung in der Tierzucht tun."
ahe/kau