Zwar habe die Sequenzierung des gesamten Virus-Genoms bisher keine Mutationen zutage gebracht, die zu einer verbesserten Übertragbarkeit von H5N1 auf den Menschen führen würden, sagte Diego Diel von der Cornell University in Ithaca im US-Bundesstaat New York. Die Daten zeigten jedoch eindeutig eine Übertragung von Säugetier zu Säugetier, "was besorgniserregend ist, da sich das Virus in Säugetieren anpassen kann".
Für die Studie, die im Fachmagazin "Nature" publiziert wurde, hatten Diel und dessen Team H5N1-Genomsequenzen ausgewertet, die von Milchkühen, Vögeln, Hauskatzen und einem Waschbären gewonnen wurden. Die Tiere stammten aus neun US-Farmen, die in diesem Jahr Erkrankungen von Kühen gemeldet hatten. Die betroffenen Exemplare fraßen weniger, hatten Nasenschleimausfluss und schieden veränderten Kot aus. Zudem gaben sie weniger Milch.
Virusvermehrung in Zellen der Milchdrüsen
Die Forscher entdeckten, dass H5N1-Viren des Genotyps B3.13 sich in bestimmten Zellen der Milchdrüsen vermehren können. Dies sei ein weiterer Beleg, dass neben einer Ansteckung über die Atemwege auch eine über die Milch und die Euter stattfinden könne, etwa über nicht gut genug gereinigte Melkmaschinen. Dazu passe, dass die toten Katzen auf mehreren Farmen mit roher Milch gefüttert wurden. Auch der verendete Waschbär könnte solche Milch getrunken haben, vermuten die Autoren.
Fünf der Farmen liegen in Texas, zwei im Nachbarstaat New Mexico, eine im nahegelegenen Kansas, eine im weit entfernten Ohio. Am 8. März 2024 wurden 42 scheinbar gesunde Milchkühe aus Texas zu einer Farm in Ohio gebracht. Fünf Tage später zeigten sich auf der Herkunftsfarm Krankheitssymptome bei Rindern, zwölf Tage später auch bei Kühen auf der Farm in Ohio. "Diese Ergebnisse weisen auf eine Übertragung der hochpathogenen Vogelgrippe H5N1 zwischen subklinisch infizierten Kühen hin", schreiben die Forscher.
Gans, Wanderfalke, Stinktier
Aufgrund dieser und weiterer Erkenntnisse, vor allem durch genetische Untersuchungen, skizziert das Team eine Abfolge der Ereignisse: In einem unbekannten Wirtstier hat sich der Genotyp B3.13 entwickelt. Er war Anfang des Jahres 2024 zuerst nachweisbar in einer Gans in Wyoming, einem Wanderfalken in Kalifornien und einem Stinktier in New Mexico. Ein unbekanntes Wirtstier, möglicherweise ein Wildvogel, hat das Virus dann auf die Kühe übertragen, über die es weitere Wirte gefunden hat - neben Katzen und einem Waschbären auch Tauben und andere Vögel.
Von Südostasien aus hatte sich eine hochansteckende Variante der Vogelgrippe schon ab 2005 weltweit verbreitet - zunächst in Wildvögeln und Zuchtgeflügel, später auch in Säugetieren. In den USA sind einzelne Fälle von Vogelgrippe bei Menschen bekannt, die bisher glimpflich und mit milden Symptomen verliefen. Die betroffenen Personen arbeiteten auf Geflügel- und Rinderfarmen; sie haben sich vermutlich direkt bei den Tieren angesteckt.
Diese Nachricht wurde am 25.07.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.