"Marschall Tito Straße" steht auf einem Straßenschild in Ungarisch und Serbisch. Gelassen liegt die weiß-staubige Dorfstraße da, lässt sich den Namen gefallen.
Von der Schule, die noch immer den Namen "Brüderlichkeit und Einheit" trägt, die Devise der alten sozialistischen Republik Jugoslawiens, dringen Kinderstimmen herüber. Lebendig. Real.
Die Kinderstimmen strafen die Illusion Lügen, das kleine serbische Dorf Belo Blato befände sich in einem Traum vergangener Zeiten: bevor Nationalismus und Krieg Jugoslawien auseinanderbrechen ließ.
Hallo – Ich bin die Deutschlehrerin – dann haben wir telefoniert ….
Ilonka Kovač ist Deutschlehrerin an der Schule im kleinen Dorf Belo Blato.
"Ich spreche auch gut Serbisch, Ungarisch und auch Slowakisch verstehe ich auch. Und Deutsch habe ich auch in der Schule gelernt."
In ihrer Freistunde begleitet die patente Dame ihre Gäste zum Frauenklub des Dorfs, um das Gewirr aus Sprachen zu übersetzen.
"Hier spricht man mehrere Sprachen und alle versteht man."
Reporterin: "Alle verstehen alle Sprachen?"
Deutschlehrerin übersetzt: "Ja, und auch Deutsch. Manche versteht auch Deutsch."
Belo Bato: "Ein Europa im Kleinen"
Das ist typisch für die Provinz Vojvodina im Norden Serbiens, wo seit über einem Jahrhundert Menschen unterschiedlichster Nationalitäten leben: mal nebeneinander oder so wie in Belo Blato miteinander.
"Es gibt hier Kroaten, Mazedonier, Roma. Außerdem Ungarn, dann Slowaken, Bulgaren, Serben, Rumänen. Es ist ein Europa im Kleinen, Belo Blato."
Der Frauenklub trifft sich in einem Haus direkt gegenüber der Schule, ausgestattet mit alten Möbeln und Bildern, eine Art Mini-Heimatmuseum.
"Das ist ein Klub der Frauen dieses Dorfes, die sich mit der Tradition des Dorfes befassen. Damit sie auch die jungen Leute diese Tradition kennenlernen."
Etwa zwanzig Frauen sitzen um einen Tisch, plauschen in einem Sprachengemisch: "Belo Blatisch" nennen sie das bisweilen scherzhaft. Maria arbeitet an ihren Stickereien: Blumenranken in grün, gelb und rot – die Borte eines Kopftuchs.
"Das hier sind slowakische Blumen, aber es gibt darin auch ungarische Motive."
Wann singen wir endlich, unterbricht die Leiterin des Frauenklubs das Gespräch. Nur Reden scheint einfach zu langweilig zu sein.
"Jetzt ein slowakisches Lied, das diesen Namen des Dorfes enthält. Elise." - "Wovon handelt das Lied?" – "Von Belo Blato" – "Elisika, Elisika."
Das Lied handelt von ihrem Dorf, erklärt eine ältere Dame. Die pensionierte Lehrerin des Ortes. Elisenheim wurde Belo Blato damals genannt.
Deutsche Siedler gründeten den Ort Mitte des 19. Jahrhunderts, erzählt sie. Später kamen Slowaken, Ungarn nach Belo Blato.
"Dieses Dorf hatte den Namen von Kaiserin Elisabeth bekommen."
Der österreichischen Kaiserin. Denn damals gehörte die Vojvodina zu Österreich-Ungarn.
Nach dem Krieg gegen das Osmanische Reich blieb die weite vojvodinische Ebene weitgehend entvölkert zurück. Bis Menschen verschiedenster Nationen hierher kamen, um das Land zu bestellen. Bis heute leben die meisten hier im Dorf von der Landwirtschaft.
Das Dorf schrumpft - so wie viele in der Provinz
Gegenüber, in der Schule von Belo Blato hat es gerade zur kurzen Pause geklingelt.
"Eine kleine Schule."
100 Schüler gebe es hier gerade einmal hier, erzählt die Deutschlehrerin. Und es werden leider immer weniger. Belo Blato schrumpft – so wie viele Dörfer in der Vojvodina. Einwohner ziehen in die Stadt – oder gleich ins Ausland. Weniger als 1500 Menschen leben noch hier.
"Hier ist die zweite und vierte Klasse zusammen, auf Ungarisch."
Die Lehrerin zeigt auf einer der Türen.
"Aber sie sind sehr wenige Kinder, zwei, drei Kinder in einer Generation, deswegen sind sie zusammen kombiniert."
Offiziell gibt es sechs Amtssprachen
In den ersten vier Jahren bekommen die Schüler Unterricht in ihren jeweiligen Landessprachen, erzählt der Direktor beim Gespräch im Lehrerzimmer.
Solche Rechte sind festgeschrieben. Hier, in der autonomen Provinz Vojvodina. Offiziell gibt es sechs Amtssprachen.
"Nach der fünften Kl asse kann jedes Kind weiter seine Muttersprache lernen. Das Fach heißt ‘Pflege der Muttersprache und Kultur’. Das ist wichtig."
Im Laufe des Zerfalls Jugoslawiens und der damit verbundenen Kriege und Vertreibungen gelangten viele Serben aus Kroatien, Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo in die Vojvodina. Deswegen stellen Serben mittlerweile etwa 65 Prozent der Bevölkerung. In Belo Blato hat sich aber kaum etwas verändert.
Vom Krieg blieb die Vojvodina verschont, Belo Balto sowieso. Auf die Kriegsjahre in den 90er-Jahren angesprochen, kann der Direktor sich nur an ein Ereignis erinnern.
"Es gab einen Vorfall vor dem Alkohol-Shop nach fünf Bier zwischen einem Mann, der Bosnisch sprach, und einem ungarisch-bulgarischen. Sie haben darüber geredet, dass Jugoslawien auseinanderfällt. Ja, was machen wir denn dann? - Naja, dann werden wir halt Bürger vom Mars."