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Volk sucht Heimat
Aramäer und Assyrer zwischen Deutschland und der Türkei

In den christlichen Dörfern des Tur Abdin in der Südosttürkei wird Schwäbisch und Ruhrpott-Dialekt gesprochen, denn viele Bewohner sind erst im letzten Jahrzehnt aus Deutschland zurückgekehrt. Untereinander sprechen sie vor allem Aramäisch - die Sprache, die schon Jesus Christus gesprochen hat und die sie an ihren uralten Glauben und ihre Heimat am Tigris bindet.

Von Susanne Güsten |
    Das Christenviertel von Midyat, der alten Kreisstadt im Herzen des Tur Abdin.
    Das Christenviertel von Midyat, der alten Kreisstadt im Herzen des Tur Abdin. (Susanne Güsten)
    Die Suryoye - auf Deutsch auch Aramäer oder Assyrer genannt - sind eines der ältesten christlichen Völker der Welt. Vom Genozid an den anatolischen Christen 1915 dezimiert, flohen die meisten Suryoye im Laufe des 20. Jahrhunderts vor türkischem Assimilationsdruck und kurdischer Zuwanderung nach Europa. Heute leben noch 2.000 Suryoye im Tur Abdin - und 300.000 in Europa. Mit rund 100.000 Menschen ist ein Großteil von ihnen heute in Deutschland zu Hause. Doch das Heimweh nach dem Tur Abdin hat die Suryoye nie losgelassen, und als die Türkei ab 2002 einen demokratischen Reformkurs einschlug, war das für sie das Startsignal zur Heimkehr nach Südostanatolien. Hunderte Aramäer sind seither in die Türkei zurückgekehrt, Tausende haben ihre Häuser, Kirchen und Dörfer dort wieder aufgebaut. Doch mit dem Rückfall der Türkei in Krieg, Gewalt und undemokratische Gewohnheiten ist die Zukunft der Suryoye in ihrer Heimat wieder ungewiss geworden.
    (DLF 2016)