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Volksabstimmung
Tegel-Fans auf Wolke 7

Der Berliner Flughafen Tegel soll nach der Eröffnung des neuen Hauptstadtflughafens geschlossen werden. In einem Volksbegehren haben die Bürger nun für den Weiterbetrieb gestimmt. Damit ist der Weg zu einem Volksentscheid frei. Vermutlich wird abgestimmt am Tag der Bundestagswahl.

Von Thomas Weinert |
    Ein Flugzeug der Bundesregierung startet auf dem Flughafen Tegel in Berlin
    Es ist eine Art Kultstatus, der Tegel umweht wie die Kerosinschwaden die anliegenden Stadtteile. (dpa / picture-alliance / Rainer Jensen)
    Jahrelang hatte sich Michael Kromarek, seines Zeichens pensionierter Verwaltungsrechtler, für die Offenhaltung des Flughafens Tegel engagiert, zum Schluss als erster Vorsitzender des Vereins "Tegel bleibt offen". Heute kam der Lohn für dieses Engagement, mehr als 200.000 gültige Stimmen präsentierte am Vormittag die Landeswahlleiterin, rund 30.000 mehr als erforderlich.
    "Ein Freudenschrei, dass wir es geschafft haben und ein großes Dankeschön an alle Berlinerinnen und Berliner, die das unterstützt haben mit ihrer Unterschrift und das unterstützt haben und mitgemacht haben."
    Tegel alternativlos?
    Die berühmten Berliner Taxifahrer, mit denen man sich wunderbar über alle möglichen politischen Themen unterhalten kann: Sie sind auf dem Weg zur Bürgerinitiative die immer noch schönste Quelle an Reaktionen, gefolgt von Menschen auf den Straßen von Berlin, die im Business-Outfit so aussehen, als ob sie den Flughafen Tegel gerne benutzen:
    "Ja ganz deutlich bin ich für Tegel – 101 Prozent! Als Taxifahrer und Unternehmer fahre ich immer gerne nach Tegel."
    "Als Münchnerin frage ich mich ohnehin die ganze Zeit, was diese Diskussion eigentlich soll, denn eine Alternative zu Tegel wird es so bald nicht geben, ich denke nicht, dass der neue Flughafen in absehbarer Zeit fertig werden wird und da wird Tegel sowieso erhalten bleiben. Bravo Bravo! Hoffentlich werden die Bürger dieser Stadt einmal erhört!"
    Rückenwind durch Bundestagswahl
    Aus einem Volksbegehren wird nun also ein Volksentscheid, denn der rot-rot-grüne Senat hat schon durchblicken lassen, dass man sich nicht von den bisherigen Plänen abbringen lassen will, sechs Monate nach dem Eröffnungstermin des neuen Flughafens BER den Flughafen in Tegel zu schließen. Für den BER steht derzeit 2018 im Raum, sicher ist dieser Termin bekanntlich aber immer noch nicht. Das ist für Michael Kromarek auch die Chance, den Willen der Berliner Bevölkerung durchzusetzen:
    "Wenn der Volksentscheid durch geht, und da sind wir ziemlich sicher, weil es ja vermutlich mit der Bundestagswahl auf einen Tag fällt und kein Problem besteht, das Quorum zu erreichen und die Unterschriften, die Mehrheit sowieso, dann haben wir eine sehr starke Empfehlung an den Senat von Berlin, an das Abgeordnetenhaus Tegel offen zu halten. Es ist richtig, dass es keine verpflichtende Wirkung hat, aber wir glauben nicht, dass sich die Landesregierung traut und auch nicht das Parlament sich traut über den Willen einer klaren Mehrheit in Berlin hinwegzusetzen."
    "Bei Tempelhof war es genau das Gleiche"
    Bisher jedoch steht nur fest, dass auf dem Gelände von Tegel die sogenannte Urban Tech Republic entstehen soll, auf neudeutsch verbirgt sich ein Technologiepark dahinter, neuer Raum für eine Hochschule, viel viel Grün, ein neues Wohnquartier und schließlich Gewerbeflächen, die in Berlin dringend gebraucht werden. Philipp Bouteiller ist Chef der Tegel Projekt GmbH, die diese Pläne vorantreibt als städtische Entwicklungsgesellschaft im Auftrag des Senats. Er bleibt gelassen:
    "Damals bei Tempelhof war es genau das Gleiche, da gab es auch eine Unterschriftensammlung für die Erhaltung als Flughafen. Und später, als man dann mit Nachnutzungsplänen kam, da gab es dann plötzlich eine Unterschriftensammlung für den Volksentscheid, wenn Sie sich erinnern, gegen jede Veränderung des Tempelhofer Feldes. Was wir beobachten können, wo immer wir auf Veränderungsprozesse stoßen, dass sich auch immer Widerstand regt und das ist auch vollkommen klar, und das muss man auch sehr Ernst nehmen."
    Kultstatus TXL
    Das Kuriose ist, auch Anwohner in Tegel sind Fans ihres Flughafens, Befürworter und Gegner findet man nicht abhängig von ihrem Wohnort, es ist eine Art Kultstatus, der Tegel umweht wie die Kerosinschwaden die anliegenden Stadtteile. Doch manche Berliner haben auch nur, wie man hier sagt, die Schnauze voll vom innerstädtischen Fluglärm:
    "Ich habe Angst, dass Tegel doch offen bleibt und das würde uns sehr sehr schaden. Wir haben so viele Jahre schon den Fluglärm und da haben wir keine Lust mehr drauf."
    Das Thema mit dem Kürzel TXL bleibt also so spannend wie der Anflug über Hochhäuser und Straßenzüge, hinter denen man so schnell keine Landebahn vermutet.