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Volksbegehren über Wohnungsenteignungen
"Wohnimmobilien sind nicht sozialisierungsfähig"

Schon das geplante Volksbegehren in Berlin über eine Enteignung großer Wohnungsbaugesellschaften sei verfassungswidrig, sagte der Jurist Helge Sodan im Dlf. Wohnimmobilien könne man nicht vergesellschaften. Zudem würde keine einzige neue Wohnung geschaffen werden.

Helge Sodan im Gespräch mit Martin Zagatta |
Wohnhäuser an der Lindenstraße in, Berlin-Kreuzberg
"Enteignungen wären verfassungswidrig", meint der Rechtswissenschaftler Helge Sodan (Bildagentur-online)
Das Grundgesetz sehe mit Artikel 14 (Eigentum und Enteignung) und 15 (Voraussetzungen für eine Vergesellschaftung) zwar grundsätzlich die Möglichkeit von Enteignungen vor, sagte Helge Sodan im Deutschlandfunk. Allerdings sei Artikel 15 - auf den es hier ankomme - in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie zur Anwendung gekommen. Es gebe also keine verfassungsgerichtliche Rechtssprechung zu den Voraussetzungen für eine Enteignung. Deshalb könne man hier bei Auslegungsfragen durchaus zu unterschiedlichen Ansichten gelangen.
Es gehe aber nicht nur um Artikel 15, betonte Sodan, sondern vor allem um die Verfassung des Landes Berlin aus dem Jahr 1995. Diese enthalte keine entsprechende "Sozialisierungs-Ermächtigungsvorschrift". Die Autoren hätten sie damals nach der Wiedervereinigung ganz bewusst weggelassen.
"Voraussetzungen für Artikel 15 liegen nicht vor"
Es bestehe auch keine Sperrwirkung des Bundesrechts auf das Landesrecht nach Artikel 31 des Grundgesetzes ("Bundesrecht bricht Landesrecht").
Vielmehr gelte ein weitergehender Schutz des Landesrechts, in diesem Fall auf Eigentumsfreiheit. Enteignungen wären ein fundamentaler Eingriff, der gerechtfertigt werden müsse. Dies, so Sodan, sei schon im Bundesrecht nicht gegeben, und auch nicht im Berliner Landesrecht. Daher wären nicht nur Enteignungen an sich verfassungswidrig, sondern auch ein entsprechendes Volksbegehren, das eine Ermächtigung zu einer Sozialisierung zum Ziel hat.
Laut Sodan liegen auch die Voraussetzungen für Artikel 15 nicht vor. Wohnimmobilien seien nach der herrschenden Ansicht juristischer Autoren gar nicht sozialisierungsfähig und könnten nicht vergesellschaftet werden. Zudem seien Enteignungen ein unverhältnismäßiger Eingriff. Es gebe geringer belastende Mittel: Warum solle man etwas vergesellschaften, das man erwerben könne?
Enteignung auch finanziell nicht zu stemmen
Das schwerwiegendste Argument sei zu guter Letzt ein Politisches: Mit einer Vergesellschaftung würde keine einzige neue Wohnung geschaffen werden. Die Gesamtkosten würden sich nach vorläufiger amtlicher Schätzung auf eine Summe von bis zu 39 Milliarden Euro belaufen, bei einer Gesamtverschuldung des Landes Berlin von 58,7 Milliarden Euro und einem Haushalt von knapp 30 Milliarden wäre dies eine unvorstellbare Summe, die gar nicht aufgebracht werden könnte.
Andere wichtige Vorhaben könnten dann gar nicht finanziert werden.