Recht oft schon haben ganze Häuser auf der Bühne gestanden; der kürzlich verstorbene Bühnenbildner Bert Neumann baute bühnenfüllende Datschen und ganze Stadtlandschaften für (zum Beispiel) die Dostojewski-Inszenierungen des ewigen Intendanten Frank Castorf. Und was innen drin in Neumanns Bauten dem Blick des Publikums verborgen bleiben musste, dokumentierten live agierende Video-Kameras. Einmal zwängte Neumann sogar die komplette Ost-Skyline der Hauptstadt in den weiten, hohen Innenraum des Theaters und pferchte das Publikum in die Etagen eines Stahlrohrhochhäuschens, das auf der Drehbühne von Spielszene zu Spielszene rotierte. Was die technischen Abläufe des Theaters an sich betrifft, ist dieses sehr besondere Theater schon ziemlich oft so weit gegangen wie jetzt der gerade 70 Jahre alt gewordene Kunst-Sonderling Paul McCarthy.
Viel zu "verstehen" im engeren Sinne ist allerdings nicht an McCarthys Installation mit dem etwas kindlich rumalbernden Titel "Rebel Dabble Babble Berlin". Das zwei-etagige Haus im Zentrum des Theater-Bunkers ist sozusagen von Videos bewohnt; im ersten Stock wird sogar ein Filmchen gedreht – und vor der Treppe, die hinauf führt zum Drehort des Porno-Streifens, bildet sich abendfüllend eine ordentliche Schlange. So einfach ist das. Hinter dem Haus, auf der Bühne selbst, dreht sich mit langsamst-möglicher Drehbühnen-Geschwindigkeit eine weitere Haus-Hälfte.
Um diese handwerklich eindrucksvollen, überwiegend aber inhaltslosen Bühnen-Bauten herum sind im Raum und an allen Wänden über ein Dutzend Flächen für Video-Projektionen angeordnet; auf denen gibt's zu sehen, was McCarthy und Sohn Damon (als Darsteller neben einer guten Handvoll Film-Ensemble) zu zeigen haben. Szenen häuslicher Gewalt vor allem sind das, mal als Slapstick, mal als körperlich anstrengendes Gerangel und Geprügel (und eben Gerammel im 1. Stock), mal als klaustrophobisch-perverse Gedanken-Folter. Allein in einen Verschlag gesperrt, die Augen verbunden, bollert eine junge Frau abendfüllend mit einer Eisenstange gegen die Wände ihres Verlieses – ob sie hier weggesperrt wurde oder selbst die zwanghafte Einsamkeit gesucht hat (nach all dem Familien-Gemetzel drumherum), wird nie ganz klar.
Der amtierende Hausherr ätzt, das sei "die Zukunft"
Gelegentlich wird auch verführerisch geäugelt und gefummelt; im Haus geht's (wie gesagt) explizit sexuell zur Sache, mit allem Drum und Dran. Und zwei Herren mit überdimensionalen Knollennasen, die das Ganze mit der Video-Kamera filmen, sind fast immer mit im Bild.
Das Installations-Rätsel ist angelegt auf gut vier Stunden; dann ist das letzte Video gezeigt, die letzte Prügelei beendet. Verstehbar ist das Prinzip schnell, und auch der Reiz schwindet bald. Kein Text, kein wirkliches Spiel, nichts, was im lebendigen Sinne „Aktion" wäre, setzt der monströsen Bild-Welt irgendeine Reibung, irgendeinen Widerstand entgegen. "Rebel Dabble Babble Berlin" rappelt in der Kiste, die das Theater ist; ziellos, ortlos, inhaltslos.
Das sei "die Zukunft", ätzt Hausherr Castorf im Vorübergehen; sein Intendanz-Büro wird übrigens kurzzeitig auch zum Spielort, eine Dame räkelt sich da und will verführerisch wirken, die Volksbühne aber räumt sich demonstrativ leer, schafft sich grob-ironisch schon mal selber ab, bevor Chris Dercon sie abschaffen wird in der bisherigen Form. Das Gedabbel und Gebabbel jetzt ist eine Art abendfüllender Warnung vor dem, was kommen könnte – und frech, wie sie (fast) immer war, spielt die Volksbühne auch noch mit dem massiven Hype um McCarthy. "Hollywood" – das Wort prangt als klassischer Schriftzug oben auf dem Theater-Tanker. Aber das Wort steht Kopf.
Ach ja – und im Oktober realisiert das Theater dann den "neuen Bühnenraum", dessen Ideenskizze wohl noch Bert Neumann hinterließ, kurz vor dem Tod: die Theatersitze fliegen raus (wie auch früher schon oft!), der Zuschauerraum wird überbaut. Auch das gab's schon – aber diesmal wird er wohl auch betoniert.
Wie soll Chris Dercon das wohl toppen? Keine Chance mehr hat die alte Volksbühne – aber die will sie nutzen.