Für die litauische konservative Regierung liegen die Vorteile auf der Hand, warum an die Stelle des abgeschalteten AKW Ignalina der neuen 1300-Megawatt-Meiler gesetzt werden soll:
"Wir haben mit Ignalina Infrastruktur geerbt, wir haben das Wissen, die gesetzlichen Voraussetzungen, Experten. Und vor allem haben wir das grundsätzliche Verständnis dafür, was Atomkraft kann und ist. Fukushima hat das Vertrauen eingetrübt, aber noch ist es groß genug, um fortzufahren."
Der Chef der Nuklearkommission im Parlament, Rokas Zilinskas, tritt für ein Direktmandat in Ignalina an, er kämpft für das AKW, doch seiner Partei Vaterland, die die Regierung führt, droht der Machtverlust. Mit der Wahl stimmen die Litauer über Parlament und damit Regierung ab wie auch über das künftige AKW. Beider Schicksal ist ungewiss, umso dringlicher beschwören sie die künftige Unabhängigkeit von Russland.
"Litauen importiert 60 Prozent des Stroms", erklärt der Energieminister Arvydas Sekmokas. "Russland setzt Energie als politisches Instrument ein. AKWs sind die gewinnbringendste Art der Stromgewinnung, verglichen mit den beiden anderen Möglichkeiten, die wir noch haben: Gaskraftwerke sind schwierig wegen der volatilen Gaslieferungen und doppelt so teuer wie Atomkraftwerke bei der Stromerzeugung. Und es bleiben Kohlekraftwerke, die wir in Litauen aber nicht nutzen wollen."
Der grüne Direktkandidat Linas Balsys überzeugt weder das Argument von der Unabhängigkeit noch von der Versorgungssicherheit. Er führt es auch auf seine Agitation zurück, dass die Zustimmung für das AKW rapide gesunken ist:
"Um Energiesicherheit zu erreichen, muss diversifiziert und dezentralisiert werden, also verschiedene Arten von Stromgewinnung an unterschiedlichen Orten. Eine Formel für Energiesicherheit ist n minus 1. Wenn man 20 Stromproduzenten hat und einer ausfällt, bleiben 19 übrig. Wenn noch einer ausfällt, sind es noch 18, wenn man aber nur einen hat und der ausfällt, was dann? Das fragen wir uns jetzt bei dem geplanten AKW in Visaginas, was ist dann mit n minus 1?"
Den Grünen, die noch zu jung sind, um mit einer eigenen Parteiliste anzutreten, missfällt, dass die Regierung die Chance für die erneuerbaren Energien vertut. Balsys:
"Sie sagen, dass Raum bleibt für erneuerbare Energien, aber wie? Die ganzen 1300 Megawatt werden hier erzeugt werden. Die Japaner, die Mitinvestoren, werden ihre 25 Prozent Anteile nicht nach Japan transportieren. Estland und Lettland genauso nicht, sie werden ihren Strom hier verkaufen wollen. Und so ist die Annahme falsch, dass Litauen nur 35 % Atomstrom haben wird. Es werden 100 % sein, denn die Leistung des Atomkraftwerks entspricht ziemlich genau dem Strombedarf unseres Landes zehn Terawattstunden pro Jahr."
Dass der Meiler in Visaginas tatsächlich Ignalina ablöst, Litauen, Estland, Lettland und Japan zusammen investieren, ist längst nicht ausgemachte Sache.
Im weißrussischen Astrawetz, gerade 50 Kilometer von Vilnius entfernt, baut Russland ein AKW. Weißrussland leidet unter Energiemangel, deswegen protestiert niemand in Litauen gegen das Projekt, wohl aber gegen den Standort. Für Linas Balsys von den Grünen künstliche Aufregung.
"Als der weißrussische Präsident Lukaschenko gefragt wurde, warum er das AKW ausgerechnet so dicht an unsere Hauptstadt bauen muss, fragte er, warum wir unser Kraftwerk direkt an der Grenze errichten. Das AKW Ignalina lag und das künftige AKW Visaginas liegen zwar nicht in der Nähe von Minsk, aber der See, mit dem die AKWs gekühlt werden, befindet sich im Grenzgebiet zu Weißrussland."
Weit gefährlicher für das geplante AKW in Litauen ist der Konkurrenzbau in Kaliningrad, der das Aus für Visaginas bringen könnte. Balsys:
"Russland will die Enklave wieder aufrüsten. Sie wollen ein Raketensystem installieren als Antwort auf die Raketenabwehr der Amerikaner. Dafür benötigt man viel Energie. Die andere Erklärung ist, dass die Russen Strom exportieren wollen in Richtung Westen. Durch litauisches Gebiet nach Schweden, eine Verbindung, die gerade entsteht."
Paradoxerweise sei Russland an dem litauischen AKW interessiert, denn das schaffe Stabilität für das russische, ehemals sowjetische Stromnetz, in das Litauen und das Baltikum nach wie vor eingebunden sind.
Das Ergebnis des Referendums, das den Neubau wohl ablehnt, gefährdet das Projekt möglicherweise trotzdem nicht, denn es ist nicht bindend. Dafür könnte das Aus aus nördlicher Richtung kommen. Norwegen und Schweden bauen erneuerbare Energien unter anderem mit Wasserkraft aus. Eine Analyse des skandinavischen und baltischen Energiemarktes geht bis 2020 von einer Überproduktion von 30 bis 40 Terawatt aus, Litauen braucht im Jahr 10 Terawatt. Nimmt man dann noch Russland mit seinem Stromexport hinzu, für den Litauen entsprechend internationaler Abkommen seine Leitungen zur Verfügung stellen müssen, könnte der Preis rapide fallen und das litauische Projekt seinen Sinn verlieren.
"Wir haben mit Ignalina Infrastruktur geerbt, wir haben das Wissen, die gesetzlichen Voraussetzungen, Experten. Und vor allem haben wir das grundsätzliche Verständnis dafür, was Atomkraft kann und ist. Fukushima hat das Vertrauen eingetrübt, aber noch ist es groß genug, um fortzufahren."
Der Chef der Nuklearkommission im Parlament, Rokas Zilinskas, tritt für ein Direktmandat in Ignalina an, er kämpft für das AKW, doch seiner Partei Vaterland, die die Regierung führt, droht der Machtverlust. Mit der Wahl stimmen die Litauer über Parlament und damit Regierung ab wie auch über das künftige AKW. Beider Schicksal ist ungewiss, umso dringlicher beschwören sie die künftige Unabhängigkeit von Russland.
"Litauen importiert 60 Prozent des Stroms", erklärt der Energieminister Arvydas Sekmokas. "Russland setzt Energie als politisches Instrument ein. AKWs sind die gewinnbringendste Art der Stromgewinnung, verglichen mit den beiden anderen Möglichkeiten, die wir noch haben: Gaskraftwerke sind schwierig wegen der volatilen Gaslieferungen und doppelt so teuer wie Atomkraftwerke bei der Stromerzeugung. Und es bleiben Kohlekraftwerke, die wir in Litauen aber nicht nutzen wollen."
Der grüne Direktkandidat Linas Balsys überzeugt weder das Argument von der Unabhängigkeit noch von der Versorgungssicherheit. Er führt es auch auf seine Agitation zurück, dass die Zustimmung für das AKW rapide gesunken ist:
"Um Energiesicherheit zu erreichen, muss diversifiziert und dezentralisiert werden, also verschiedene Arten von Stromgewinnung an unterschiedlichen Orten. Eine Formel für Energiesicherheit ist n minus 1. Wenn man 20 Stromproduzenten hat und einer ausfällt, bleiben 19 übrig. Wenn noch einer ausfällt, sind es noch 18, wenn man aber nur einen hat und der ausfällt, was dann? Das fragen wir uns jetzt bei dem geplanten AKW in Visaginas, was ist dann mit n minus 1?"
Den Grünen, die noch zu jung sind, um mit einer eigenen Parteiliste anzutreten, missfällt, dass die Regierung die Chance für die erneuerbaren Energien vertut. Balsys:
"Sie sagen, dass Raum bleibt für erneuerbare Energien, aber wie? Die ganzen 1300 Megawatt werden hier erzeugt werden. Die Japaner, die Mitinvestoren, werden ihre 25 Prozent Anteile nicht nach Japan transportieren. Estland und Lettland genauso nicht, sie werden ihren Strom hier verkaufen wollen. Und so ist die Annahme falsch, dass Litauen nur 35 % Atomstrom haben wird. Es werden 100 % sein, denn die Leistung des Atomkraftwerks entspricht ziemlich genau dem Strombedarf unseres Landes zehn Terawattstunden pro Jahr."
Dass der Meiler in Visaginas tatsächlich Ignalina ablöst, Litauen, Estland, Lettland und Japan zusammen investieren, ist längst nicht ausgemachte Sache.
Im weißrussischen Astrawetz, gerade 50 Kilometer von Vilnius entfernt, baut Russland ein AKW. Weißrussland leidet unter Energiemangel, deswegen protestiert niemand in Litauen gegen das Projekt, wohl aber gegen den Standort. Für Linas Balsys von den Grünen künstliche Aufregung.
"Als der weißrussische Präsident Lukaschenko gefragt wurde, warum er das AKW ausgerechnet so dicht an unsere Hauptstadt bauen muss, fragte er, warum wir unser Kraftwerk direkt an der Grenze errichten. Das AKW Ignalina lag und das künftige AKW Visaginas liegen zwar nicht in der Nähe von Minsk, aber der See, mit dem die AKWs gekühlt werden, befindet sich im Grenzgebiet zu Weißrussland."
Weit gefährlicher für das geplante AKW in Litauen ist der Konkurrenzbau in Kaliningrad, der das Aus für Visaginas bringen könnte. Balsys:
"Russland will die Enklave wieder aufrüsten. Sie wollen ein Raketensystem installieren als Antwort auf die Raketenabwehr der Amerikaner. Dafür benötigt man viel Energie. Die andere Erklärung ist, dass die Russen Strom exportieren wollen in Richtung Westen. Durch litauisches Gebiet nach Schweden, eine Verbindung, die gerade entsteht."
Paradoxerweise sei Russland an dem litauischen AKW interessiert, denn das schaffe Stabilität für das russische, ehemals sowjetische Stromnetz, in das Litauen und das Baltikum nach wie vor eingebunden sind.
Das Ergebnis des Referendums, das den Neubau wohl ablehnt, gefährdet das Projekt möglicherweise trotzdem nicht, denn es ist nicht bindend. Dafür könnte das Aus aus nördlicher Richtung kommen. Norwegen und Schweden bauen erneuerbare Energien unter anderem mit Wasserkraft aus. Eine Analyse des skandinavischen und baltischen Energiemarktes geht bis 2020 von einer Überproduktion von 30 bis 40 Terawatt aus, Litauen braucht im Jahr 10 Terawatt. Nimmt man dann noch Russland mit seinem Stromexport hinzu, für den Litauen entsprechend internationaler Abkommen seine Leitungen zur Verfügung stellen müssen, könnte der Preis rapide fallen und das litauische Projekt seinen Sinn verlieren.