Noch einmal demonstriert Rosângela Passos für das Maracanã-Stadion. So wie sie seit dem Beginn der Umbauarbeiten vor mehr als zweieinhalb Jahren bei allen großen Demonstrationen dabei war. Zusammen mit sozialen Bewegungen, politischen Parteien und Sportlern steht sie vor dem Regierungssitz in Rio de Janeiro. Kommenden Samstag soll das Maracanã wiedereröffnet werden. Umgerechnet 360 Millionen Euro hat allein der letzte Bauabschnitt gekostet. 570 Millionen, wenn man alle Arbeiten seit 1999 mitrechnet. Bis zuletzt gab es Zweifel, ob das Oval rechtzeitig fertig würde vor dem Confederations-Cup Mitte Juni, der Generalprobe für die Fußball-Weltmeisterschaft 2014. Vor der anstehenden Wiedereröffnung fühlt Rosângela aber alles andere als Freude:
"Ich fühle Abscheu und Wut! Die Weltmeisterschaft sollte Glück und Frohsinn schaffen, aber sie bringt für uns nur Trauer! "
Rosângela wohnt mit ihrem Mann und ihrem Sohn direkt neben dem Stadion im Norden von Rio de Janeiro. Vor mehr als zweieinhalb Jahren begannen die Bauarbeiten, die Rosângela seitdem regelmäßig um den Schlaf bringen. Eigentlich sollte das Stadion im vergangenen Dezember fertig übergeben werden – aber immer wieder verzögerten Streiks der Arbeiter, Regenfälle und Fehlplanung die Übergabe. Bis jetzt. Zuletzt heuerte der Staat zu den 5.500 Arbeitern zusätzliche 1.000 an, um zumindest den inneren Teil eilig fertig zu bekommen. Hier fehlen jetzt nur noch Kleinigkeiten im Tunnel zu den Umkleideräumen. Der Äußere Bereich sieht aber noch immer aus wie ein Schlachtfeld aus Baggern, aufgeschütteter Erde und eingerissenen Mauern. Bei der Eile war keine Zeit für Rücksicht auf Anwohner wie Rosângela:
"Wenn es Mitternacht wird, fangen sie immer von Neuem an zu arbeiten. Sie hören nachmittags um vier auf und fangen um Mitternacht an – wieso? Wegen dem Verkehr der angrenzenden Straße. Wir leiden wie verrückt."
Mehr noch als der Lärm macht Rosângela Passos aber die geplante Privatisierung des Stadions wütend. Mit hunderten anderen Demonstranten ist sie deshalb vor den Regierungssitz gezogen. Nach Ende der Arbeiten soll das Stadion für 35 Jahre einem privaten Betreiber gegen eine Gebühr überlassen werden. Manche machen ihren Frust dadurch Luft, indem sie die Polizei provozieren. Die antwortet mit Pfefferspray und Elektroshocks. "Stadion der Elite" schimpfen die Teilnehmer. Zwischen den Demonstranten läuft Gustavo Mehl hin und her. Er ist Forscher an der staatlichen Universität und Repräsentant des "Volkskomitee WM und Olimpia", die die kritischen Stimmen im Vorfeld der Mega-Events in Brasilien vereint.
"Wir verurteilen diesen Prozess, der das Maracanã verändert. Es war immer ein Ort für Kultur, Freizeit und Sport der Bevölkerung. Nun soll es zu einem Shopping-Center mit Restaurants und Geschäften werden, exklusiv für jene, die der Macht nahestehen. "
Außerdem vermuten die Demonstranten um Gustavo Mehl Vetternwirtschaft bei der Ausschreibung. Das höchste Gebot hat die Investorengruppe "Maracanã S/A" um den Multimilliardär Eike Batista abgegeben. Der ist ein enger Freund des Gouverneurs und hat diesem auch schon mal einen Jet für Reisen zur Verfügung gestellt. Knapp über umgerechnet zwei Millionen Euro will die Gruppe pro Jahr bezahlen, um das Maracana zu betreiben. In 33 Jahren wären das knapp 70 Millionen Euro. "Absurd" nennt Gustavo Mehl das im Verhältnis zu den Gesamtkosten von umgerechnet 570 Millionen Euro.
"Das ist doch lächerlich. Nach 33 Jahren werden wir gerade einen Bruchteil von dem öffentlichen Geld zurück haben, was wir bisher investiert haben. Das ist ein Verbrechen gegen das brasilianische Volk."
Schließlich rede man hier nicht von irgendeinem öffentlichen Platz, sondern DEM Tempel der Fußball-Emotionen, der mit der Geschichte des in Brasilien verwoben sei. Regierungsvertreter äußern sich nur sehr selten öffentlich zum Thema Maracana – und dann immer sehr hoffnungsfroh, wie zuletzt Rios Staatssekretär Regis Fichtner auf die Frage, warum es keinen Zugang zu den Bauarbeiten gebe:
" Ein offizieller Besuch war ja angesetzt, aber dann hat der große Regen alles überspült. Bis zum Conderations-Cup wird aber alles fertig sein! Und auch danach wird das Stadion nicht wieder geschlossen. Der Rasen und alles andere entsprechen den FIFA-Regeln. "
Der Journalist Sergio Rangel der renommierten Zeitung "Folha de S. Paulo" gibt Politikern die Schuld daran, dass Brasilien so schamvoll dastehe. Der Umbau sei viel zu spät begonnen worden. Die FIFA habe eine Mitschuld. Sie habe sich viel zu lange vom einflussreichen ehemaligen Verbandspräsidenten Ricardo Teixeira einlullen lassen:
"Teixeira hat der FIFA um Generalsekretär Valcke und Präsident Blatter garantiert, dass alles rechtzeitig fertig werde. Die haben das geglaubt. Die FIFA war da sehr blauäuig. Sie hat einer Person geglaubt, die nicht sehr glaubwürdig war. "
Nun macht die FIFA im Hinblick auf die WM Druck. Das Unternehmen, das das Bieterverfahren gewinnt, soll bis zur WM auch noch sogenannte "ergänzende Bauarbeiten" erledigen. Damit ist der stark umstrittene Abriss zweier Sportstätten und einer renommierten Schule gemeint. Auf besagte Schule geht auch der Sohn von Anwohnerin Rosângela Passos. Für sie ist die Fußball-WM deshalb schon jetzt eine Enttäuschung:
"Ich hab mein ganzes Leben von der WM hier in Brasilien geträumt. Jetzt kommt sie und zerstört alles, was wir haben. "
Aber Rosangela Passos will nicht aufgeben und auch beim ersten Testspiel der Nationalmannschaft demonstrieren, die am 2. Juni im Maracanã gegen England spielt. Dann öffnet das Stadion erstmals für die Bevölkerung. Das Spiel am kommenden Samstag zwischen den Teams der Fußballlegenden Bebeto und Ronaldo bleibt geladenen Gästen vorbehalten. Zum einen sind das zum Dank für ihren Einsatz die Bauarbeiter. Zum anderen hunderte Ehrengäste der FIFA und der brasilianischen Politik – in den 110 neuen Luxuslogen des Maracanã.
"Ich fühle Abscheu und Wut! Die Weltmeisterschaft sollte Glück und Frohsinn schaffen, aber sie bringt für uns nur Trauer! "
Rosângela wohnt mit ihrem Mann und ihrem Sohn direkt neben dem Stadion im Norden von Rio de Janeiro. Vor mehr als zweieinhalb Jahren begannen die Bauarbeiten, die Rosângela seitdem regelmäßig um den Schlaf bringen. Eigentlich sollte das Stadion im vergangenen Dezember fertig übergeben werden – aber immer wieder verzögerten Streiks der Arbeiter, Regenfälle und Fehlplanung die Übergabe. Bis jetzt. Zuletzt heuerte der Staat zu den 5.500 Arbeitern zusätzliche 1.000 an, um zumindest den inneren Teil eilig fertig zu bekommen. Hier fehlen jetzt nur noch Kleinigkeiten im Tunnel zu den Umkleideräumen. Der Äußere Bereich sieht aber noch immer aus wie ein Schlachtfeld aus Baggern, aufgeschütteter Erde und eingerissenen Mauern. Bei der Eile war keine Zeit für Rücksicht auf Anwohner wie Rosângela:
"Wenn es Mitternacht wird, fangen sie immer von Neuem an zu arbeiten. Sie hören nachmittags um vier auf und fangen um Mitternacht an – wieso? Wegen dem Verkehr der angrenzenden Straße. Wir leiden wie verrückt."
Mehr noch als der Lärm macht Rosângela Passos aber die geplante Privatisierung des Stadions wütend. Mit hunderten anderen Demonstranten ist sie deshalb vor den Regierungssitz gezogen. Nach Ende der Arbeiten soll das Stadion für 35 Jahre einem privaten Betreiber gegen eine Gebühr überlassen werden. Manche machen ihren Frust dadurch Luft, indem sie die Polizei provozieren. Die antwortet mit Pfefferspray und Elektroshocks. "Stadion der Elite" schimpfen die Teilnehmer. Zwischen den Demonstranten läuft Gustavo Mehl hin und her. Er ist Forscher an der staatlichen Universität und Repräsentant des "Volkskomitee WM und Olimpia", die die kritischen Stimmen im Vorfeld der Mega-Events in Brasilien vereint.
"Wir verurteilen diesen Prozess, der das Maracanã verändert. Es war immer ein Ort für Kultur, Freizeit und Sport der Bevölkerung. Nun soll es zu einem Shopping-Center mit Restaurants und Geschäften werden, exklusiv für jene, die der Macht nahestehen. "
Außerdem vermuten die Demonstranten um Gustavo Mehl Vetternwirtschaft bei der Ausschreibung. Das höchste Gebot hat die Investorengruppe "Maracanã S/A" um den Multimilliardär Eike Batista abgegeben. Der ist ein enger Freund des Gouverneurs und hat diesem auch schon mal einen Jet für Reisen zur Verfügung gestellt. Knapp über umgerechnet zwei Millionen Euro will die Gruppe pro Jahr bezahlen, um das Maracana zu betreiben. In 33 Jahren wären das knapp 70 Millionen Euro. "Absurd" nennt Gustavo Mehl das im Verhältnis zu den Gesamtkosten von umgerechnet 570 Millionen Euro.
"Das ist doch lächerlich. Nach 33 Jahren werden wir gerade einen Bruchteil von dem öffentlichen Geld zurück haben, was wir bisher investiert haben. Das ist ein Verbrechen gegen das brasilianische Volk."
Schließlich rede man hier nicht von irgendeinem öffentlichen Platz, sondern DEM Tempel der Fußball-Emotionen, der mit der Geschichte des in Brasilien verwoben sei. Regierungsvertreter äußern sich nur sehr selten öffentlich zum Thema Maracana – und dann immer sehr hoffnungsfroh, wie zuletzt Rios Staatssekretär Regis Fichtner auf die Frage, warum es keinen Zugang zu den Bauarbeiten gebe:
" Ein offizieller Besuch war ja angesetzt, aber dann hat der große Regen alles überspült. Bis zum Conderations-Cup wird aber alles fertig sein! Und auch danach wird das Stadion nicht wieder geschlossen. Der Rasen und alles andere entsprechen den FIFA-Regeln. "
Der Journalist Sergio Rangel der renommierten Zeitung "Folha de S. Paulo" gibt Politikern die Schuld daran, dass Brasilien so schamvoll dastehe. Der Umbau sei viel zu spät begonnen worden. Die FIFA habe eine Mitschuld. Sie habe sich viel zu lange vom einflussreichen ehemaligen Verbandspräsidenten Ricardo Teixeira einlullen lassen:
"Teixeira hat der FIFA um Generalsekretär Valcke und Präsident Blatter garantiert, dass alles rechtzeitig fertig werde. Die haben das geglaubt. Die FIFA war da sehr blauäuig. Sie hat einer Person geglaubt, die nicht sehr glaubwürdig war. "
Nun macht die FIFA im Hinblick auf die WM Druck. Das Unternehmen, das das Bieterverfahren gewinnt, soll bis zur WM auch noch sogenannte "ergänzende Bauarbeiten" erledigen. Damit ist der stark umstrittene Abriss zweier Sportstätten und einer renommierten Schule gemeint. Auf besagte Schule geht auch der Sohn von Anwohnerin Rosângela Passos. Für sie ist die Fußball-WM deshalb schon jetzt eine Enttäuschung:
"Ich hab mein ganzes Leben von der WM hier in Brasilien geträumt. Jetzt kommt sie und zerstört alles, was wir haben. "
Aber Rosangela Passos will nicht aufgeben und auch beim ersten Testspiel der Nationalmannschaft demonstrieren, die am 2. Juni im Maracanã gegen England spielt. Dann öffnet das Stadion erstmals für die Bevölkerung. Das Spiel am kommenden Samstag zwischen den Teams der Fußballlegenden Bebeto und Ronaldo bleibt geladenen Gästen vorbehalten. Zum einen sind das zum Dank für ihren Einsatz die Bauarbeiter. Zum anderen hunderte Ehrengäste der FIFA und der brasilianischen Politik – in den 110 neuen Luxuslogen des Maracanã.