Am Kap Crozier, dem östlichsten Punkt der Ross Insel in der Antarktis, lebt die größte Kolonie von Adelie-Pinguinen. Rund 300.000 Brutpaare haben dort ihre Nester, verteilt auf rund zwei Quadratkilometer. Um zu erfassen, wie sich diese Kolonie entwickelt, führen Biologen dort regelmäßig gewissermaßen Volkszählungen durch. Am genauesten geht das mit Luftbildaufnahmen.
Doch dabei ist Tempo gefragt, wie Kunal Shah erklärt: "Es gibt dort eine Menge Pinguine, und sie bewegen sich ständig. Leider können wir nicht ein einziges großes Bild der gesamten Kolonie als Momentaufnahme schießen, zumindest nicht in der Auflösung, die wir bräuchten. Die passende Kameratechnologie für Satelliten gibt es noch nicht. Deshalb ist Tempo essentiell, in dem Sinn, dass wir so dicht wie möglich an diesen einen Schnappschuss der gesamten Kolonie herankommen wollen."
Sisyphus-Arbeit mit ferngesteuerten Quadrokopter
In den vergangenen Jahren setzten Forschende ferngesteuerte Quadrokopter mit Kameras dafür ein. Damit überflogen sie die Adelie-Pinguin-Kolonie und machten viele einzelne Luftbilder, die sie anschließend zu einem großen zusammenfügten. Die gesamte Kolonie so zu erfassen, dauerte aber rund zwei Tage und glich auch wegen der häufigen Wetterumschwünge in der Antarktis des Öfteren einer Sisyphus-Arbeit.
Dann kam Kunal Shah ins Spiel. Er erforscht an der kalifornischen Stanford University das Potenzial von Flugrobotern. So schlug er vor, das Monitoring der Pinguine mit neuen Methoden zu verbessern. Seine Idee: Einen kleinen Schwarm autonom fliegender Drohnen einzusetzen. "Unsere Methode nutzt für diese Aufgabe vier Flugroboter. Jeder Roboter bekommt verschiedene Geländebereiche zugeordnet, sodass die Arbeit gleichmäßig verteilt wird."
Erschwerte Bedingungen in der Antarktis
Allerdings gelten für solche Aufgaben in der Antarktis erschwerte Bedingungen. Zum Beispiel sind bei Temperaturen von unter minus 10 Grad Celsius die Batterielauf- und damit auch die Flugzeiten der Drohnen beschränkt. Das machte es nötig, die Flugrouten optimal zu planen, um zum einen jeden Punkt des Geländes auf Luftbildern zu erfassen, zum anderen jeder Drohne einen möglichst kurzen und sicheren Flugpfad vorzugeben.
Einfach in parallelen Schleifen auf und ab zu fliegen, ähnlich einem Muster wie beim Rasenmähen – damit war es nicht getan. Kunal Shah entwickelte extra einen neuen Planungsalgorithmus. "Es geht darum die Drohnen so über Rasterpunkte im Gelände zu steuern, dass möglichst wenige Punkte zweimal überflogen werden. Wir wollten auch nicht, dass die Drohnen am Ende einen langen Rückflug diagonal über das Gelände absolvieren müssen, wie etwa ein Staubsaugerroboter, der zu seiner Basisstation fährt."
Verschlungene Flugpfade der Drohnen
Die computergestützte Optimierung führte zu erstaunlich verschlungenen Flugpfaden der Drohnen mit einer deutlichen Verzahnung untereinander. Rechentechnisch ist so etwas alles andere als trivial. "Anfangs brauchte der Algorithmus um die 100 Stunden, um die Flugrouten für ein Gebiet von der Größe wie Kap Crozier zu berechnen. Mittlerweile haben wir die Methoden optimiert und schaffen das in 30 Sekunden."
Dass sich der Aufwand gelohnt hat, zeigte ein erster Praxistest im antarktischen Sommer Anfang 2020. Mit ferngesteuerten Drohnen dauerte es bisher rund zwei Tage, um die mehr als 2.000 Luftbilder für die Volkszählung der Adelie-Pinguine zu schießen. Das routenoptimierte Quadrokopter-Quartett hatte schon nach drei Stunden alles im Kasten.
Hilfreich könnte das neue Verfahren nicht nur für die Pinguin-Forscher sein. Kunal Shah hält seinen Routen-Optimierungsalgorithmus ganz allgemein für geeignet, um autonome Drohnenschwärme für ein effizientes Umweltmonitoring einzusetzen – etwa zur Lage-Erfassung der immer wieder grassierenden Waldbrände in seinem Heimatstaat Kalifornien.