Wie viele Menschen leben eigentlich in China? 1,3 Milliarden sagen die einen, 1,4 die anderen – aber genau weiß es eigentlich niemand. Und wie viele Bauern gibt es noch in der Volksrepublik, wie viele Wanderarbeiter ziehen durch die Städte auf der Suche nach lukrativen Jobs? Auf diesen Fragen sucht die Volksrepublik ab 1. November Antworten. Dann beginnt in China die größte, aufwändigste und teuerste Volkszählung der Welt. Innerhalb von zehn Tagen sollen alle Menschen erfasst werden: die Bewohner von Mega-Städten wie Shanghai und Peking, die Bauern auf dem Land, die Angehörigen der ethnischen Minderheiten etwa in den abgelegenen Dörfern im südwestchinesischen Yunnan, die Nomaden auf dem tibetischen Hochplateau. Aber auch Millionen von Wanderarbeitern und eine unbekannte Zahl von unregistrierten Kindern, die bislang in den Statistiken nirgends auftauchten, weil die Eltern wegen der strengen Ein-Kind-Politik die Geburten nicht gemeldet haben.
Die Volkszählung stellt die Regierung in Peking vor gewaltige logistische und organisatorische Probleme. Ein Heer von 6,5 Millionen Volkszählern soll ausschwärmen. Doch sie werden mit Sicherheit nicht überall mit offenen Armen empfangen. Denn China ist heute eine völlig andere Gesellschaft als noch vor 30 Jahren, als es normal war, dass der Staat sich in die persönlichsten Belange der Menschen einmischte. Heute geht das nicht mehr ohne Weiteres. Auch in China wollen die Menschen heute wissen, wie der Staat mit ihren persönlichen Daten umgeht. Der Schutz ihrer Privatsphäre ist den Menschen wichtig, die neugierigen Volkszähler will man nicht unbedingt in die Wohnung lassen.
Vor allem aber geht es darum, wie man alle Menschen innerhalb von nur zehn Tagen finden und genau zählen will. Das bereitet Pekings oberstem Bevölkerungsstatistiker, Feng Nailin, seit Monaten schlaflose Nächte:
"Unser größtes Problem ist die mobile Bevölkerung, also die Wanderarbeiter. In China sind in den vergangenen Jahren unzählige Menschen vom Land in die Stadt abgewandert. Die Urbanisierung hat sich wahnsinnig beschleunigt, doch diese mobile Bevölkerung hat im Gegensatz zu den Alteingesessenen Stadtbewohnern keinen festen Wohnsitz."
Seit Jahren ist in China alles im Fluss. Wie hier am Pekinger Hauptbahnhof kommen auch in anderen Großstädten Millionen von Wanderarbeitern aus dem Land in die Stadt, oder verlassen die Metropolen wieder auf der Suche nach Arbeit in anderen Landesteilen. In ihren zerbeulten Koffern, einfachen Bündeln oder Plastiktaschen transportieren die Wanderarbeiter ihre wenige Habe von Job zu Job, von Fabrik zu Fabrik, von Baustelle zu Baustelle, von Stadt zu Stadt. Nur wie viele Wanderarbeiter es gibt, dass weiß niemand so genau, sagt Duan Chenrong, Migrationsexperte an der Pekinger Volksuniversität. Die Schätzungen gehen weit auseinander:
"Nach den offiziellen Angaben von 2005 gibt es 147 Millionen Wanderarbeiter. Viele Experten halten diese Zahl für viel zu niedrig. Auf der Grundlage verschiedener Statistiken gehe ich von rund 250 Millionen aus. Aber wie viele sind es nun wirklich? 150 oder 250 Millionen? Niemand weiß das so genau. Und dafür brauchen wir die Volkszählung."
Mit der sechsten Volkszählung seit Bestehen der Volksrepublik will man die Zahlen endlich aktualisieren und vor allem die Wanderungsbewegungen besser verstehen. Woher kommen die Menschen, wohin ziehen sie? Wie lange bleiben sie?
Bei der letzten Volkszählung vor zehn Jahren lebte die Mehrzahl der Chinesen, nämlich 800 Millionen, noch auf dem Land. Weniger als 100 Millionen arbeiteten auswärts. Die Volkszähler konnten damals einfach bei den Familien auf den Dörfern nachfragen. Heute ist das anders, die Landflucht hat sich beschleunigt. Die damaligen Bauernkinder sind heute als zweite Generation von Wanderarbeitern unterwegs. Heute geht man davon aus, dass in den Städten fast genau so viele Menschen leben wie auf dem Land. Doch die Migranten zu finden, ist nicht einfach. In den Fabriken oder auf den Baustellen leben die Arbeiter oft in Sammelunterkünften. Andere teilen sich einfache Wohnungen. Wenn die Volkszähler mit ihren Fragebögen kommen, ist fast immer ein Teil der Arbeiter auf Schicht.
Professor Duan, der die Regierung bei der Volkszählung berät, empfiehlt daher eher unkonventionelle Methoden, die er mit seinen Studenten bereits ausprobiert hat:
"Erst wollten wir, dass die Leute alle selbst die Formulare ausfüllen – aber wir konnten sie einfach nicht finden. Wir gingen in eine Wohnung und hinterlegten in jedem Zimmer ein Formular. Aber auch das war nicht richtig, denn jedes Zimmer hatte zwei oder drei Betten. Dann stellten wir fest, dass die Leute nicht nur in Schichten arbeiten, sondern auch in Schichten schlafen. In einer Wohnung mit acht Betten wohnen daher nicht acht, sondern viel mehr Menschen. Wir kamen schließlich auf die Idee, die Zahnbürsten im Badezimmer zu zählen. In der Wohnung mit drei Zimmern und acht Betten fanden wir insgesamt 25 Zahnbürsten."
Dass es den chinesischen Behörden so schwer fällt, verlässliche Bevölkerungsstatistiken zu erstellen, liegt aber auch an einem anderen, sehr chinesischen Problem, dem "Hukou", einem Meldesystem, das noch aus den planwirtschaftlichen Zeiten der Volksrepublik stammt. Jeder Chinese ist demnach entweder als Stadt- oder Landbewohner registriert und zwar in dem Dorf oder in der Stadt, wo er und seine Familie traditionell herkommen – egal, ob man schon seit Jahrzehnten anderswo lebt und arbeitet. Einen Hukou zu ändern, insbesondere einen ländlichen Hukou in einen städtischen umzuwandeln, ist fast unmöglich. Für die Menschen macht das den Alltag oft sehr mühsam: Für jeden Behördengang, etwa um einen neuen Personalausweis zu beantragen, muss man in seinen Heimatort zurückkehren.
Für die Statistiker hat das alte Meldesystem aus Maos Zeiten einen weiteren gravierenden Nachteil: Die Daten der Einwohnermeldeämter und die Statistiken aus früheren Zählungen sind so gut wie wertlos. Denn bislang hat man bei Volkszählungen die Menschen dort gezählt, wo sie mit ihrem Hukou gemeldet sind. Doch das ist diesmal anders, sagt Feng Nailin vom Nationalen Statistikbüro:
"Im Vergleich mit früheren Volkszählungen gibt es diesmal einen entscheidenden Unterschied: Wir wollen die Menschen dort zählen, wo sie tatsächlich leben, egal wo sie eigentlich mit ihrem Hukou registriert sind und egal wie lange sie sich schon an ihrem jetzigen Wohnort aufhalten."
China betritt mit dem Census 2010 daher echtes Neuland. Zum ersten Mal dürften die sozialen Verwerfungen, die die wirtschaftlichen Umbrüche der vergangenen Jahrzehnte mit sich gebracht haben, auch tatsächlich statistisch sichtbar werden.
Wie die Wanderungsbewegungen die traditionellen sozialen Strukturen verändert haben, ist auch in Städten wie Peking überall zu sehen. In der chinesischen Hauptstadt leben schätzungsweise 20 Millionen Menschen, darunter etwa acht Millionen Wanderarbeiter. Sie werden mit einer vorübergehenden Aufenthaltsgenehmigung zumindest geduldet, denn als billige Arbeitskräfte werden sie in der Stadt und in den Fabriken der Umgebung gebraucht. Gleichzeitig belasten sie die Infrastruktur der Metropole. In Peking versucht man daher seit einigen Monaten, den Zuzug von Wanderarbeitern besser zu kontrollieren. Zum Teil mit drastischen Methoden.
Zum Beispiel in Dasheng am Südrand von Peking. Abseits einer viel befahrenen Durchgangsstraße leben rund 400 Einheimische und über 2000 Migranten aus allen Teilen Chinas auf engstem Raum zusammen. Kleine Kinder spielen; in winzigen Geschäften wird Gemüse verkauft. In den einstöckigen Häusern teilen sich mehrköpfige Familien oft nicht mehr als ein einziges Zimmer. Um den Zuzug zu kontrollieren, hat man vor einiger Zeit rund um das Dorf einen hohen Zaun errichtet. Besucher müssen sich an großen Eisentoren registrieren lassen. Jeder Besuch, jede Übernachtung – wann und bei wem wird notiert. Die scharfen Kontrollen dienten vor allem der Sicherheit, versichert Dorfvorsteher Li Wujiang:
"Wir verweigern niemandem den Zuzug oder diskriminieren Wanderarbeiter. Die Migranten aus anderen Teilen Chinas sind wie Familienmitglieder für uns, sie sind Teil der Gemeinschaft, wie neue Bürger."
Dasheng soll Modell für andere Stadtteile Pekings sein. In mindestens 16 Dörfern rund um die Hauptstadt werden bereits ähnliche Sicherheitsvorkehrungen installiert. Die Pekinger Stadtregierung propagiert die Zäune, Tore und Zugangskontrollen. Kritiker sprechen von Zuzugssperren und ungerechtfertigter Überwachung. An der prekären sozialen Lage der Wanderarbeiter in Dasheng und anderswo wird sich auch durch die Volkszählung so schnell nichts ändern, dafür müsste das strenge Hukou-System abgeschafft oder zumindest grundlegend reformiert werden.
Doch dafür ist der Zensus nicht da. Dennoch, sagt Migrationsexperte Duan von der Volksuniversität, sind die Ergebnisse der Zählung für die Wirtschaftsplanung, für die Entwicklung der Städte und für die Bürger selbst von weitreichender Bedeutung:
"Zensus-Informationen brauchen wir in allen möglichen Bereichen, im Wohnungsbau, für die Produktion von Kleidung oder ob es beispielsweise mehr Männer als Frauen gibt. Frauen um die 40 brauchen andere Kleidung als 20-Jährige. Wie viele junge Leute haben wir, die Jobs brauchen? Wie viele Alte, die vielleicht eines Tages ein Altersheim brauchen? Oder nehmen Sie Wohnungs- und Familiengrößen. Heute bestehen die Familien in den Großstädten meist nur noch aus drei Personen. Wenn wir nur große 150-Quadratmeter-Wohnungen bauen, entspricht das Angebot nicht dem Bedarf."
Allerdings hat die Wirtschaftsplanung in China mit der Volkszählung weniger zu tun als Experte Duan zugeben mag. Denn den neuen Fünfjahresplan für die Zeit ab 2011 hat das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei bei seiner Jahresversammlung in Peking gerade erst gebilligt. Das umfangreiche Dokument soll nach aufwendigen Konsultationen mit den Provinzen, Landkreisen und Regierungsbezirken im März vom Nationalen Volkskongress, dem ansonsten eher machtlosen Parlament Chinas, verabschiedet werden. Die Ergebnisse der Volkszählung liegen dann noch gar nicht vor.
Und gerade im Wohnungsbau wird zudem Angebot und Nachfrage noch von ganz anderen Faktoren bestimmt als von der Familiengröße. Auch ohne Volkszählung weiß man, dass es in den rasant wachsenden Städten an erschwinglichem Wohnraum fehlt, dass zu viel in Wohnungen investiert wird, die dann als reine Investitionsobjekte leer stehen. Wie hoch der Leerstand ist, weiß niemand so genau; und das wird sich auch nach der Volkszählung nicht ändern, denn nach den Besitz- oder Einkommensverhältnissen wird erst gar nicht gefragt, sehr zur Enttäuschung von Experten wie Professor Duan:
"Wir haben darüber lange diskutiert und hatten bereits Umfragen zum Einkommen vorbereitet. Solche Fragen sind wichtig, und wir brauchen die Informationen, aber sie sind schwer zu bekommen. Die Leute wollen über ihr Einkommen einfach nicht reden. Und auf dem Land ist es sowieso schwierig. Die Bauern haben Schwierigkeiten ihr genaues Einkommen anzugeben, da muss man berücksichtigen, wie viel Land sie bewirtschaften, wie viel Reis sie anbauen, wie viel sie für Dünger ausgeben, für Benzin und Diesel. Und neben dem Reis geht es dann noch um Mais, Weizen, Süßkartoffeln und so weiter. Das dauert ewig, bis man das alles berechnet hat. Obwohl es wichtig wäre, ist es zu schwierig und passt nicht wirklich in die Volkszählung."
Früher war es in China normal, dass sich der Staat in die privatesten Dinge der Menschen einmischte. Zu Maos Zeiten brauchte man eine Genehmigung vom Danwei, von der Arbeitseinheit, wenn man umziehen, den Job wechseln, heiraten oder Kinder kriegen wollte. Heute hat sich der Staat – außer bei der Familienplanung – aus dem Privatleben der Menschen zurückgezogen. Auch in China verteidigt man heute seinen privaten Raum gegen Einmischung von außen.
Und auch jetzt, bei der Volkszählung, fragen sich manche, was mit ihren Daten passiert. Über 20 Behörden sind an der Volkszählung beteiligt, darunter das Amt für Öffentliche Sicherheit, also die Polizei. Als im Spätsommer auch in Peking ein Probelauf für die große Volkszählung stattfand, häuften sich auch hier die Berichte über kooperationsunwillige Bürger.
Nur offen sagen will keiner, dass man der Volkszählung misstraut. Wer sich auf den Straßen Pekings umhört, bekommt überwiegend positive Antworten. Diese junge Frau beispielsweise findet die Volkszählung richtig und notwendig:
"Ich mache mir keine Sorgen. Ich tue ja nichts Schlechtes und ich bin ein guter Bürger. Und überhaupt: Daten über unser Einkommen oder unsere Besitzverhältnisse werden doch eh beim Steuerbüro gespeichert. Solche Informationen kann man nicht verstecken. Ich habe nichts zu verbergen."
Die Fragen nach dem Einkommen hat man dann aber doch lieber weggelassen. Auch andere für China politisch heikle Informationen werden nicht abgefragt: etwa nach der Religionszugehörigkeit oder nach der Sprache, die in den eigenen vier Wänden gesprochen wird. Und obwohl die Zensus-Fragen insgesamt auf 28 reduziert wurden, sehen sich die Organisatoren doch immer wieder bemüßigt, etwaige Zweifel an der Datensicherheit auszuräumen. Jeder Volkszähler sei geschult worden, versichert Feng Nailin vom Statistikamt:
"Unsere Regeln schreiben vor, dass die Volkszähler die Informationen geheim halten und die Privatsphäre der Befragten schützen müssen. Die Informationen dürfen nicht dazu benutzt werden, die Leistungen oder Effektivität bestimmter Institutionen oder Behörden zu messen oder um Bußgelder gegen Einzelpersonen zu verhängen."
Doch solche Versicherungen können die Zweifel nicht ausräumen. Vor allem Familien, die gegen die strikte Familienplanungspolitik in China verstoßen haben, dürften kaum bereit sein, mit den Volkszählern zu kooperieren. Wer beispielsweise in Peking mehr als ein Kind hat, bekommt heftige Strafen aufgebrummt. Manche Kinder werden deshalb gar nicht erst gemeldet.
.
Zum Beispiel die kleine Yang Ruolan. Vor neun Monaten kam sie in Peking auf die Welt als zweite Tochter des Hochschullehrers Yang Zhizhu. Ihre Geburt hat die Familie bis heute nicht angemeldet, bis heute hat das kleine Mädchen keine Geburtsurkunde, keinen Pass und keinen Pekinger Hukou. In der Dreizimmer-Wohnung, wo Yang Zhizhu mit seiner Frau, den beiden Kindern und seinem alten Vater lebt, ist es eng. Die Wäsche trocknet auf dem verglasten Balkon, im Flur steht ein Kinderfahrrad, Yang selbst arbeitet an einem winzigen Schreibtisch in einem der voll gestellten Schlafzimmer:
"Kinder zu haben, das ist wie essen, das ist ein Grundbedürfnis der Menschen; wir brauchen keine Gesetze, die das regulieren."
Doch wegen des Verstoßes gegen die Ein-Kind-Politik wurde Vater Yang bestraft – er soll umgerechnet 26.000 Euro zahlen. Weil er sich weigerte, wurde er im Frühjahr von seinem Job als Rechtsdozent suspendiert. Jetzt plant er eine Klage gegen die Familienplanungskommission. Dass Menschen bei der Volkszählung falsche Angaben über die Zahl ihrer Kinder manchen könnten, dafür habe er volles Verständnis, sagt er. Denn nicht alle hätten den Mut sich so zu wehren wie er.
Die Volkszählungsbehörden versichern immer wieder, man werde die Kinderzahlen nicht der Familienplanungskommission melden. Doch das Vertrauen in die Verlautbarungen ist gering. Zumal die Behörden alle Eltern auffordern, im Zuge der Volkszählung die bislang nicht registrierten Kinder doch endlich anzumelden. Die Strafen aber bleiben, sagt Feng Nailin von der Statistikbehörde. Eine Amnestie werde es nicht geben:
"Wer während des Zensus Extra-Kinder anmeldet, der muss natürlich immer noch die vom Gesetzgeber vorgesehene soziale Kinderaufzuchtgebühr zahlen. Allerdings gibt es einen Nachlass und sozial Schwache können in Raten zahlen."
Für die Betroffenen ist das ein schwacher Trost. Das Bußgeld beträgt wie bei Vater Yang Zhizhu ein Mehrfaches des durchschnittlichen Jahresgehalts. Wie viele illegale Kinder es in China gibt, weiß niemand so genau. Professor Duan Chengrong von der Volksuniversität will sich nicht einmal auf Schätzungen einlassen:
"Was die gegenwärtige Situation angeht, da tappen wir völlig im Dunkeln – es gibt keine zuverlässigen Daten. Nach der Volkszählung vor zehn Jahren haben einige Experten rückwirkende Rechnungen angestellt und die Zahlen von 1990 und 2000 verglichen. Man geht davon aus, dass vor 20 Jahren 20 bis 30 Millionen Kinder unter 10 Jahren nicht registriert waren."
Mit den neuen Daten hofft man nicht nur die Kinderzahlen, sondern die gesamte Bevölkerungsstatistik auf einen neuen Stand zu bringen. Dann lassen sich vielleicht auch die Schätzungen der Bevölkerungsexperten überprüfen, die voraussagen, dass die Zahl der Menschen in China bis zum Jahr 2033 auf 1,6 Milliarden ansteigen wird. Danach, heißt es, werde dann eine rapide Vergreisung der Bevölkerung einsetzen. Dafür ist das Land heute überhaupt nicht gerüstet. Weder das Rentensystem noch das Gesundheitssystem ist für die dann errechneten 350 Millionen alten Menschen ausgelegt. China, warnen Reformer seit Jahren, wird schneller alt als das es reich wird.
Die neuen Zahlen werden daran kaum etwas ändern. Die prekäre Lage der Wanderarbeiter ohne nennenswerte soziale Absicherung, die rapide Urbanisierung, die Geburtenrate, die neuen Haushaltsgrößen und die Überalterung der Gesellschaft, all das wird China auf Jahre begleiten. Zahlen und Statistiken ersetzen keine Politik, schaffen nur die Grundlage für die Planungen. Chinas Zukunftsaufgaben haben mit der Mammutaufgabe Volkszählung gerade erst begonnen.
Die Volkszählung stellt die Regierung in Peking vor gewaltige logistische und organisatorische Probleme. Ein Heer von 6,5 Millionen Volkszählern soll ausschwärmen. Doch sie werden mit Sicherheit nicht überall mit offenen Armen empfangen. Denn China ist heute eine völlig andere Gesellschaft als noch vor 30 Jahren, als es normal war, dass der Staat sich in die persönlichsten Belange der Menschen einmischte. Heute geht das nicht mehr ohne Weiteres. Auch in China wollen die Menschen heute wissen, wie der Staat mit ihren persönlichen Daten umgeht. Der Schutz ihrer Privatsphäre ist den Menschen wichtig, die neugierigen Volkszähler will man nicht unbedingt in die Wohnung lassen.
Vor allem aber geht es darum, wie man alle Menschen innerhalb von nur zehn Tagen finden und genau zählen will. Das bereitet Pekings oberstem Bevölkerungsstatistiker, Feng Nailin, seit Monaten schlaflose Nächte:
"Unser größtes Problem ist die mobile Bevölkerung, also die Wanderarbeiter. In China sind in den vergangenen Jahren unzählige Menschen vom Land in die Stadt abgewandert. Die Urbanisierung hat sich wahnsinnig beschleunigt, doch diese mobile Bevölkerung hat im Gegensatz zu den Alteingesessenen Stadtbewohnern keinen festen Wohnsitz."
Seit Jahren ist in China alles im Fluss. Wie hier am Pekinger Hauptbahnhof kommen auch in anderen Großstädten Millionen von Wanderarbeitern aus dem Land in die Stadt, oder verlassen die Metropolen wieder auf der Suche nach Arbeit in anderen Landesteilen. In ihren zerbeulten Koffern, einfachen Bündeln oder Plastiktaschen transportieren die Wanderarbeiter ihre wenige Habe von Job zu Job, von Fabrik zu Fabrik, von Baustelle zu Baustelle, von Stadt zu Stadt. Nur wie viele Wanderarbeiter es gibt, dass weiß niemand so genau, sagt Duan Chenrong, Migrationsexperte an der Pekinger Volksuniversität. Die Schätzungen gehen weit auseinander:
"Nach den offiziellen Angaben von 2005 gibt es 147 Millionen Wanderarbeiter. Viele Experten halten diese Zahl für viel zu niedrig. Auf der Grundlage verschiedener Statistiken gehe ich von rund 250 Millionen aus. Aber wie viele sind es nun wirklich? 150 oder 250 Millionen? Niemand weiß das so genau. Und dafür brauchen wir die Volkszählung."
Mit der sechsten Volkszählung seit Bestehen der Volksrepublik will man die Zahlen endlich aktualisieren und vor allem die Wanderungsbewegungen besser verstehen. Woher kommen die Menschen, wohin ziehen sie? Wie lange bleiben sie?
Bei der letzten Volkszählung vor zehn Jahren lebte die Mehrzahl der Chinesen, nämlich 800 Millionen, noch auf dem Land. Weniger als 100 Millionen arbeiteten auswärts. Die Volkszähler konnten damals einfach bei den Familien auf den Dörfern nachfragen. Heute ist das anders, die Landflucht hat sich beschleunigt. Die damaligen Bauernkinder sind heute als zweite Generation von Wanderarbeitern unterwegs. Heute geht man davon aus, dass in den Städten fast genau so viele Menschen leben wie auf dem Land. Doch die Migranten zu finden, ist nicht einfach. In den Fabriken oder auf den Baustellen leben die Arbeiter oft in Sammelunterkünften. Andere teilen sich einfache Wohnungen. Wenn die Volkszähler mit ihren Fragebögen kommen, ist fast immer ein Teil der Arbeiter auf Schicht.
Professor Duan, der die Regierung bei der Volkszählung berät, empfiehlt daher eher unkonventionelle Methoden, die er mit seinen Studenten bereits ausprobiert hat:
"Erst wollten wir, dass die Leute alle selbst die Formulare ausfüllen – aber wir konnten sie einfach nicht finden. Wir gingen in eine Wohnung und hinterlegten in jedem Zimmer ein Formular. Aber auch das war nicht richtig, denn jedes Zimmer hatte zwei oder drei Betten. Dann stellten wir fest, dass die Leute nicht nur in Schichten arbeiten, sondern auch in Schichten schlafen. In einer Wohnung mit acht Betten wohnen daher nicht acht, sondern viel mehr Menschen. Wir kamen schließlich auf die Idee, die Zahnbürsten im Badezimmer zu zählen. In der Wohnung mit drei Zimmern und acht Betten fanden wir insgesamt 25 Zahnbürsten."
Dass es den chinesischen Behörden so schwer fällt, verlässliche Bevölkerungsstatistiken zu erstellen, liegt aber auch an einem anderen, sehr chinesischen Problem, dem "Hukou", einem Meldesystem, das noch aus den planwirtschaftlichen Zeiten der Volksrepublik stammt. Jeder Chinese ist demnach entweder als Stadt- oder Landbewohner registriert und zwar in dem Dorf oder in der Stadt, wo er und seine Familie traditionell herkommen – egal, ob man schon seit Jahrzehnten anderswo lebt und arbeitet. Einen Hukou zu ändern, insbesondere einen ländlichen Hukou in einen städtischen umzuwandeln, ist fast unmöglich. Für die Menschen macht das den Alltag oft sehr mühsam: Für jeden Behördengang, etwa um einen neuen Personalausweis zu beantragen, muss man in seinen Heimatort zurückkehren.
Für die Statistiker hat das alte Meldesystem aus Maos Zeiten einen weiteren gravierenden Nachteil: Die Daten der Einwohnermeldeämter und die Statistiken aus früheren Zählungen sind so gut wie wertlos. Denn bislang hat man bei Volkszählungen die Menschen dort gezählt, wo sie mit ihrem Hukou gemeldet sind. Doch das ist diesmal anders, sagt Feng Nailin vom Nationalen Statistikbüro:
"Im Vergleich mit früheren Volkszählungen gibt es diesmal einen entscheidenden Unterschied: Wir wollen die Menschen dort zählen, wo sie tatsächlich leben, egal wo sie eigentlich mit ihrem Hukou registriert sind und egal wie lange sie sich schon an ihrem jetzigen Wohnort aufhalten."
China betritt mit dem Census 2010 daher echtes Neuland. Zum ersten Mal dürften die sozialen Verwerfungen, die die wirtschaftlichen Umbrüche der vergangenen Jahrzehnte mit sich gebracht haben, auch tatsächlich statistisch sichtbar werden.
Wie die Wanderungsbewegungen die traditionellen sozialen Strukturen verändert haben, ist auch in Städten wie Peking überall zu sehen. In der chinesischen Hauptstadt leben schätzungsweise 20 Millionen Menschen, darunter etwa acht Millionen Wanderarbeiter. Sie werden mit einer vorübergehenden Aufenthaltsgenehmigung zumindest geduldet, denn als billige Arbeitskräfte werden sie in der Stadt und in den Fabriken der Umgebung gebraucht. Gleichzeitig belasten sie die Infrastruktur der Metropole. In Peking versucht man daher seit einigen Monaten, den Zuzug von Wanderarbeitern besser zu kontrollieren. Zum Teil mit drastischen Methoden.
Zum Beispiel in Dasheng am Südrand von Peking. Abseits einer viel befahrenen Durchgangsstraße leben rund 400 Einheimische und über 2000 Migranten aus allen Teilen Chinas auf engstem Raum zusammen. Kleine Kinder spielen; in winzigen Geschäften wird Gemüse verkauft. In den einstöckigen Häusern teilen sich mehrköpfige Familien oft nicht mehr als ein einziges Zimmer. Um den Zuzug zu kontrollieren, hat man vor einiger Zeit rund um das Dorf einen hohen Zaun errichtet. Besucher müssen sich an großen Eisentoren registrieren lassen. Jeder Besuch, jede Übernachtung – wann und bei wem wird notiert. Die scharfen Kontrollen dienten vor allem der Sicherheit, versichert Dorfvorsteher Li Wujiang:
"Wir verweigern niemandem den Zuzug oder diskriminieren Wanderarbeiter. Die Migranten aus anderen Teilen Chinas sind wie Familienmitglieder für uns, sie sind Teil der Gemeinschaft, wie neue Bürger."
Dasheng soll Modell für andere Stadtteile Pekings sein. In mindestens 16 Dörfern rund um die Hauptstadt werden bereits ähnliche Sicherheitsvorkehrungen installiert. Die Pekinger Stadtregierung propagiert die Zäune, Tore und Zugangskontrollen. Kritiker sprechen von Zuzugssperren und ungerechtfertigter Überwachung. An der prekären sozialen Lage der Wanderarbeiter in Dasheng und anderswo wird sich auch durch die Volkszählung so schnell nichts ändern, dafür müsste das strenge Hukou-System abgeschafft oder zumindest grundlegend reformiert werden.
Doch dafür ist der Zensus nicht da. Dennoch, sagt Migrationsexperte Duan von der Volksuniversität, sind die Ergebnisse der Zählung für die Wirtschaftsplanung, für die Entwicklung der Städte und für die Bürger selbst von weitreichender Bedeutung:
"Zensus-Informationen brauchen wir in allen möglichen Bereichen, im Wohnungsbau, für die Produktion von Kleidung oder ob es beispielsweise mehr Männer als Frauen gibt. Frauen um die 40 brauchen andere Kleidung als 20-Jährige. Wie viele junge Leute haben wir, die Jobs brauchen? Wie viele Alte, die vielleicht eines Tages ein Altersheim brauchen? Oder nehmen Sie Wohnungs- und Familiengrößen. Heute bestehen die Familien in den Großstädten meist nur noch aus drei Personen. Wenn wir nur große 150-Quadratmeter-Wohnungen bauen, entspricht das Angebot nicht dem Bedarf."
Allerdings hat die Wirtschaftsplanung in China mit der Volkszählung weniger zu tun als Experte Duan zugeben mag. Denn den neuen Fünfjahresplan für die Zeit ab 2011 hat das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei bei seiner Jahresversammlung in Peking gerade erst gebilligt. Das umfangreiche Dokument soll nach aufwendigen Konsultationen mit den Provinzen, Landkreisen und Regierungsbezirken im März vom Nationalen Volkskongress, dem ansonsten eher machtlosen Parlament Chinas, verabschiedet werden. Die Ergebnisse der Volkszählung liegen dann noch gar nicht vor.
Und gerade im Wohnungsbau wird zudem Angebot und Nachfrage noch von ganz anderen Faktoren bestimmt als von der Familiengröße. Auch ohne Volkszählung weiß man, dass es in den rasant wachsenden Städten an erschwinglichem Wohnraum fehlt, dass zu viel in Wohnungen investiert wird, die dann als reine Investitionsobjekte leer stehen. Wie hoch der Leerstand ist, weiß niemand so genau; und das wird sich auch nach der Volkszählung nicht ändern, denn nach den Besitz- oder Einkommensverhältnissen wird erst gar nicht gefragt, sehr zur Enttäuschung von Experten wie Professor Duan:
"Wir haben darüber lange diskutiert und hatten bereits Umfragen zum Einkommen vorbereitet. Solche Fragen sind wichtig, und wir brauchen die Informationen, aber sie sind schwer zu bekommen. Die Leute wollen über ihr Einkommen einfach nicht reden. Und auf dem Land ist es sowieso schwierig. Die Bauern haben Schwierigkeiten ihr genaues Einkommen anzugeben, da muss man berücksichtigen, wie viel Land sie bewirtschaften, wie viel Reis sie anbauen, wie viel sie für Dünger ausgeben, für Benzin und Diesel. Und neben dem Reis geht es dann noch um Mais, Weizen, Süßkartoffeln und so weiter. Das dauert ewig, bis man das alles berechnet hat. Obwohl es wichtig wäre, ist es zu schwierig und passt nicht wirklich in die Volkszählung."
Früher war es in China normal, dass sich der Staat in die privatesten Dinge der Menschen einmischte. Zu Maos Zeiten brauchte man eine Genehmigung vom Danwei, von der Arbeitseinheit, wenn man umziehen, den Job wechseln, heiraten oder Kinder kriegen wollte. Heute hat sich der Staat – außer bei der Familienplanung – aus dem Privatleben der Menschen zurückgezogen. Auch in China verteidigt man heute seinen privaten Raum gegen Einmischung von außen.
Und auch jetzt, bei der Volkszählung, fragen sich manche, was mit ihren Daten passiert. Über 20 Behörden sind an der Volkszählung beteiligt, darunter das Amt für Öffentliche Sicherheit, also die Polizei. Als im Spätsommer auch in Peking ein Probelauf für die große Volkszählung stattfand, häuften sich auch hier die Berichte über kooperationsunwillige Bürger.
Nur offen sagen will keiner, dass man der Volkszählung misstraut. Wer sich auf den Straßen Pekings umhört, bekommt überwiegend positive Antworten. Diese junge Frau beispielsweise findet die Volkszählung richtig und notwendig:
"Ich mache mir keine Sorgen. Ich tue ja nichts Schlechtes und ich bin ein guter Bürger. Und überhaupt: Daten über unser Einkommen oder unsere Besitzverhältnisse werden doch eh beim Steuerbüro gespeichert. Solche Informationen kann man nicht verstecken. Ich habe nichts zu verbergen."
Die Fragen nach dem Einkommen hat man dann aber doch lieber weggelassen. Auch andere für China politisch heikle Informationen werden nicht abgefragt: etwa nach der Religionszugehörigkeit oder nach der Sprache, die in den eigenen vier Wänden gesprochen wird. Und obwohl die Zensus-Fragen insgesamt auf 28 reduziert wurden, sehen sich die Organisatoren doch immer wieder bemüßigt, etwaige Zweifel an der Datensicherheit auszuräumen. Jeder Volkszähler sei geschult worden, versichert Feng Nailin vom Statistikamt:
"Unsere Regeln schreiben vor, dass die Volkszähler die Informationen geheim halten und die Privatsphäre der Befragten schützen müssen. Die Informationen dürfen nicht dazu benutzt werden, die Leistungen oder Effektivität bestimmter Institutionen oder Behörden zu messen oder um Bußgelder gegen Einzelpersonen zu verhängen."
Doch solche Versicherungen können die Zweifel nicht ausräumen. Vor allem Familien, die gegen die strikte Familienplanungspolitik in China verstoßen haben, dürften kaum bereit sein, mit den Volkszählern zu kooperieren. Wer beispielsweise in Peking mehr als ein Kind hat, bekommt heftige Strafen aufgebrummt. Manche Kinder werden deshalb gar nicht erst gemeldet.
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Zum Beispiel die kleine Yang Ruolan. Vor neun Monaten kam sie in Peking auf die Welt als zweite Tochter des Hochschullehrers Yang Zhizhu. Ihre Geburt hat die Familie bis heute nicht angemeldet, bis heute hat das kleine Mädchen keine Geburtsurkunde, keinen Pass und keinen Pekinger Hukou. In der Dreizimmer-Wohnung, wo Yang Zhizhu mit seiner Frau, den beiden Kindern und seinem alten Vater lebt, ist es eng. Die Wäsche trocknet auf dem verglasten Balkon, im Flur steht ein Kinderfahrrad, Yang selbst arbeitet an einem winzigen Schreibtisch in einem der voll gestellten Schlafzimmer:
"Kinder zu haben, das ist wie essen, das ist ein Grundbedürfnis der Menschen; wir brauchen keine Gesetze, die das regulieren."
Doch wegen des Verstoßes gegen die Ein-Kind-Politik wurde Vater Yang bestraft – er soll umgerechnet 26.000 Euro zahlen. Weil er sich weigerte, wurde er im Frühjahr von seinem Job als Rechtsdozent suspendiert. Jetzt plant er eine Klage gegen die Familienplanungskommission. Dass Menschen bei der Volkszählung falsche Angaben über die Zahl ihrer Kinder manchen könnten, dafür habe er volles Verständnis, sagt er. Denn nicht alle hätten den Mut sich so zu wehren wie er.
Die Volkszählungsbehörden versichern immer wieder, man werde die Kinderzahlen nicht der Familienplanungskommission melden. Doch das Vertrauen in die Verlautbarungen ist gering. Zumal die Behörden alle Eltern auffordern, im Zuge der Volkszählung die bislang nicht registrierten Kinder doch endlich anzumelden. Die Strafen aber bleiben, sagt Feng Nailin von der Statistikbehörde. Eine Amnestie werde es nicht geben:
"Wer während des Zensus Extra-Kinder anmeldet, der muss natürlich immer noch die vom Gesetzgeber vorgesehene soziale Kinderaufzuchtgebühr zahlen. Allerdings gibt es einen Nachlass und sozial Schwache können in Raten zahlen."
Für die Betroffenen ist das ein schwacher Trost. Das Bußgeld beträgt wie bei Vater Yang Zhizhu ein Mehrfaches des durchschnittlichen Jahresgehalts. Wie viele illegale Kinder es in China gibt, weiß niemand so genau. Professor Duan Chengrong von der Volksuniversität will sich nicht einmal auf Schätzungen einlassen:
"Was die gegenwärtige Situation angeht, da tappen wir völlig im Dunkeln – es gibt keine zuverlässigen Daten. Nach der Volkszählung vor zehn Jahren haben einige Experten rückwirkende Rechnungen angestellt und die Zahlen von 1990 und 2000 verglichen. Man geht davon aus, dass vor 20 Jahren 20 bis 30 Millionen Kinder unter 10 Jahren nicht registriert waren."
Mit den neuen Daten hofft man nicht nur die Kinderzahlen, sondern die gesamte Bevölkerungsstatistik auf einen neuen Stand zu bringen. Dann lassen sich vielleicht auch die Schätzungen der Bevölkerungsexperten überprüfen, die voraussagen, dass die Zahl der Menschen in China bis zum Jahr 2033 auf 1,6 Milliarden ansteigen wird. Danach, heißt es, werde dann eine rapide Vergreisung der Bevölkerung einsetzen. Dafür ist das Land heute überhaupt nicht gerüstet. Weder das Rentensystem noch das Gesundheitssystem ist für die dann errechneten 350 Millionen alten Menschen ausgelegt. China, warnen Reformer seit Jahren, wird schneller alt als das es reich wird.
Die neuen Zahlen werden daran kaum etwas ändern. Die prekäre Lage der Wanderarbeiter ohne nennenswerte soziale Absicherung, die rapide Urbanisierung, die Geburtenrate, die neuen Haushaltsgrößen und die Überalterung der Gesellschaft, all das wird China auf Jahre begleiten. Zahlen und Statistiken ersetzen keine Politik, schaffen nur die Grundlage für die Planungen. Chinas Zukunftsaufgaben haben mit der Mammutaufgabe Volkszählung gerade erst begonnen.