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Voll von philosophischem Witz

Eine Auftragsarbeit des Vorarlberger Verkehrsverbundes stand hinter seinem ersten Faustini-Roman, berichtet der österreichische Autor, der Philosoph und Germanist Wolfgang Hermann. In seinem dritten Band "Herr Faustini und der Mann im Hund" gerät der schrullige Faustini in unglaubliche Abenteuer. Den verrücktesten Dingen begegnet der alleinstehende ältere Herr mit der für ihn typischen Gutmütigkeit und naivem Charme.

Von Michaela Schmitz |
    Ein Zitronenbaum würde neues Leben in Haus und Garten bringen. Genau das bräuchten sie jetzt, er und sein Kater, meint Herr Faustini. Ein Licht wie vom Sonnentag am Meer zittert im Zitronenbaum, wundert sich Herr Faustini und verspricht: Sobald es wärmer ist, darfst du raus auf die Terrasse. Denn Hörbranz liegt nicht im warmen Süden, und der Bodensee ist nicht das Meer - auch wenn es an manchen Tagen so scheint. Platz genug ist trotzdem für Unwahrscheinliches und Unmögliches am engen Bregenzer Seeufer zu Füßen der Berge - solange man sich darüber einig ist, dass ein Mann im Hund im besten Falle unwahrscheinlich, eher jedoch unmöglich ist.

    Alles hatte mit Frau Gigeles Kontakt zu Faustinis verstorbener Großtante Fini angefangen. Die Nachbarin, passionierte Hobby-Menschenseherin, richtet ihm nicht nur herzliche Grüße aus dem Jenseits aus. Sie legt ihm auch Tante Finis Ratschlag ans Herz, er möge dringend die Reinigung seiner Eingeweide in Angriff nehmen. Herr Faustini staunt und denkt nach. Aber zuallererst macht er sich auf die Suche nach einem neuen Lebensabschnitts-Pullover.

    "Lieber Lieblingspullover", hatte Herr Faustini zu ihm gesagt, "das ist unser letzter gemeinsamer Winter. Ich danke dir für deine Wärme und Freundschaft. So gut wie du wird wohl kein Pullover mehr zu mir sein."

    Mit dem Gruß aus dem Jenseits hat sich ein Tor zum Übersinnlichen geöffnet. Im Laden von Susi Kroth erwartet Herrn Faustini Unglaubliches: In ihrem Hund Tobi wohnt ganz ohne Zweifel ein alter Mann. Herr Faustini staunt und handelt. Er geht mit Tobi Gassi. Vielleicht kann er den Mann im Hund befreien? Tobis Untermieter Gundolf hält sich seit einer Rauferei mit Mario im Hund versteckt. Mit der übersinnlichen Unterstützung von Frau Gigele macht sich Herr Faustini auf die Suche nach Mario. Denn, so Faustini: "Manchmal kann man eben nichts anderes tun als man tut. Und darauf vertrauen, dass eins zum anderen kommt." In Tonis Kiosk laufen schließlich alle Fäden zusammen. Am Ende wird alles gut. Alte Freunde treffen sich wieder, Herr Faustini und Brunhild finden zueinander und der Mann im Hund bleibt, wo er ist. Denn, so Gundolf: Als Hund hast du es hinter dir, als Hund kannst du ganz da sein, jetzt ist jetzt, und so wie es ist, ist es gut. Wie Tobi mit der Knackwurst da ist, denkt Herr Faustini mit einer kleinen Sehnsucht und schaut hinaus auf den See.

    Hoch oben zogen von Westen einzelne Wolkenschiffe mit geblähten Segeln auf. Der See leuchtete von tief unten herauf. ( ... ) Wie, wenn man einen ganzen Tag fassen könnte, so wie man ein Stück Holz greifen kann? Herr Faustini sah die Wölbung der Erdkugel, in der sich Täler, Wälder und Seen nie gekannter Erdteile auftaten.

    Faustinis kleine Sehnsucht, seine Unbeholfenheit und Gutmütigkeit sind in einer rein auf Nutzen ausgerichteten modernen Welt selten geworden. Seine altertümliche Höflichkeit, Umständlichkeit und Ungeschicklichheit machen ihn menschlich und liebenswert. Normalerweise spielt sich das Leben des alleinstehenden Pensionisten zwischen Ohrensessel und Fressnapf für den Kater ab. Vielleicht schenkt er deshalb allen Dingen seiner nächsten Umgebung die gleiche Aufmerksamkeit und Zuwendung. Ihn kümmert die Einsamkeit seiner Waschmaschine genauso wie der würdige Abschied vom Lieblingspullover und die feierliche Begrüßung des Zitronenbaums. Mit Respekt und Gutmütigkeit begegnet Herr Faustini auch Menschen und Situationen außerhalb seiner kleinen Welt. Seine charmante kindliche Naivität bringt ihn immer wieder zum Staunen und ins Grübeln. Über die selbstverständlichsten und seltsamsten Dinge wundert er sich in gleichem Maße. Daraus entstehen eigenwillige Überlegungen von philosophischer Dimension. Faustini fühlt sich wohl in dem "weiten Feld der unbeantworteten Fragen". Denn was gibt es Enttäuschenderes als Fragen, die allzu leicht beantwortbar sind, findet Herr Faustini:
    Jede beantwortete Frage hinterließ einen Kloß im Hals. Jede beantwortete Frage brachte einen Fluss zum Versiegen, unterbrach einen Fluss von Fragen, der breit ins Nirgendwo strömte.

    "Das ist das Privileg Faustinis: Er ist zu naiv, zu ungebildet, zu dumm für diese Welt. In dieser Einfachheit durchschaut er die Welt besser als andere", sagt Autor Wolfgang Hermann über seine Figur. Hermann hat nach "Herr Faustini verreist" mit "Herr Faustini und der Mann im Hund" einen amüsanten und tiefsinnigen Folgeroman über den skurrill sympathischen Pensionisten nachgelegt. Spätestens jetzt hat sich Herr Faustini als würdiger österreichischer Kollege von Tatis Monsieur Hulot etabliert. "Das Humorvolle und trotzdem einen Tiefgang haben. ( ... ) Das Ganze: Die Welt ausleuchten aber mit einem Lachen, das hat mich interessiert", so der Autor. Mit "Herr Faustini und der Mann im Hund" ist es ihm ein weiteres Mal gelungen. Hoffentlich müssen wir nicht lange auf das nächste Faustini-Abenteuer warten.

    Wolfgang Hermann: Herr Faustini und der Mann im Hund.
    Deuticke 2008, 189 Seiten, 17,90 EUR