Es ist ein sonniger Frühlingstag irgendwo auf dem nicht ganz so platten Land bei Karlsruhe. Zwischen den grünen Getreidefeldern liegen Äcker mit breiten Dämmen, abgedeckt mit dicker Folie. Spargelfelder.
In der Landwirtschaft wird vieles inzwischen durch Maschinen erleichtert, aber wenn es um Spargel geht, ist nach wie vor Handarbeit gefragt.
Spargelstechen ist Handarbeit
Durchschnittlich 123 Tausend Tonnen Spargel werden in Deutschland pro Jahr gestochen. Zu lernen, wie es richtig geht, dauert eine Weile.
Eine wirklich routinierte Erntehelferin schafft bis zu 20 Kilo Spargel pro Stunde. Rückenschmerzen gibt es zum Mindestlohn als Dreingabe dazu. Kein Wunder, dass immer weniger Menschen bereit sind, diesen Knochenjob zu machen. Erntehelfermangel ist für viele Landwirte immer wieder ein Problem.
"Das Thema kam halt wirklich an einem Stammtisch mal, wo wir mit Freunden, die ja auch Spargelanbau betrieben haben, gesprochen haben. Und die sagten: Mensch, kannst du das nicht automatisieren?"
Christian Bornstein ist Maschinenbauingenieur und Geschäftsführer der Firma ai-solutions. 2009, ein paar Jahre nach dem Stammtischgespräch, brachte die Firma eine Maschine auf den Markt, die mit dem Bücken beim Spargelernten Schluss macht.
In der ersten Saison verkaufte die Firma gleich 20 Stück. Danach kam das Geschäft aber ins Stocken. Ein Grund: Eine Studie der Bayrischen Landesanstalt für Wein- und Gartenbau.
"Unser Fehler war, wir hätten es von Anfang an besser mit begleiten müssen. Also, einen Mann wirklich abstellen, der sich darum kümmert. Weil am Ende die Berichte, die dann da rauskamen, die haben die Bauern jetzt nicht begeistert." Studienergebnisse konnten keinen klaren Vorteil für die automatisierte Ernte zeigen. Seitdem haben Christian Bornstein und seine Kollegen die Maschine verbessert, vor allem aber die Einweisung der Benutzer. Denn viele der nicht so guten Ergebnisse führt der Maschinenbauer auf Bedienfehler zurück. Einfach nur über den Acker fahren - so leicht geht es nicht.
Norbert Zimmermann, Landwirt in Büchenau bei Bruchsal, sitzt hinterm Steuer seines Traktors und blickt immer abwechselnd über die Schulter auf den angehängten Spargelvollernter und auf ein kleines Display neben dem Lenkrad. Der Hänger hat ein Förderband, rechts und links davon Platz für je zwei Erntehelfer. Auf dem Display sieht man in das Herz der Maschine: Zwei runde Messer, groß wie Gullideckel, die sich unterhalb des Förderbandes durch den Acker fräsen. Anders als bei der Ernte von Hand, sticht die Maschine die weißen Stangen nicht aus den Erdwällen heraus, sie mäht sie regelrecht ab, samt der Erde, in der sie stecken.
"Die Maschine, die schneidet den Spargel über der Wurzel ab, komplett. Und er läuft dann auf einer Siebkette nach oben. Und der Sand fällt raus und der Spargel bleibt oben auf dem Sortierband liegen."
Heute ist die Erde feucht und der Spargel lässt sich schlecht aussieben. Wenn Norbert Zimmermann mit der Erntemaschine zu schnell fährt, liegt zu viel Erde auf dem Sortierband. In dieser Saison hat es viel geregnet, in der vergangenen Woche sogar so viel, dass mit der schweren Maschine kein Durchkommen war. Da musste dann doch wieder von Hand gestochen werden.
Ganz ohne Erntehelfer geht es nicht
Auch wenn die rund hunderttausend Euro teure Maschine zum Einsatz kommt, geht es nicht ganz ohne Erntehelfer. Zwei müssen kontrollieren, dass die Folien ordentlich auf- und abgedeckt werden, zwei sortieren am Band die guten Stangen ins Körbchen. Einer organisiert den Transport der vollen Kisten. Aber die Arbeit ist viel leichter als sonst. Ist der Spargelvollernter bei allen Einschränkungen also trotzdem eine tolle Idee?
Zimmermann: "Ja, schon eine tolle Idee."
Autorin: "Warum hat das nicht jeder?"
Zimmermann: "Manche trauen dem nicht, die meinen, das gibt schlechte Qualität, die haben zu viel Abfall, wo der Spargel kaputtgeht. Aber ich sag: Ich habe 30 Prozent weniger Lohnkosten und wenn ich dafür zwanzig Prozent weniger schönen Spargel hab, das macht das zehnmal wett."
Autorin: "Warum hat das nicht jeder?"
Zimmermann: "Manche trauen dem nicht, die meinen, das gibt schlechte Qualität, die haben zu viel Abfall, wo der Spargel kaputtgeht. Aber ich sag: Ich habe 30 Prozent weniger Lohnkosten und wenn ich dafür zwanzig Prozent weniger schönen Spargel hab, das macht das zehnmal wett."
Der Anteil von "Spargelbruch", also kurzen Stangen, ist bei der Maschine größer. Das hat mit der Erntemethode zu tun. Beim "Abmähen" des Spargels kommt alles mit, was im Damm steckt. Bei der Handernte nur, was oben schon fast raus lugt. Schmecken tun die kurzen Stangen aber genauso gut, das Problem ist also eher ästhetisch.
Skepsis gegenüber Ernte-Robotern
Inzwischen gibt es auch andere Modelle von Spargelernte-Robotern, die ähnlich wie bei der Hand-Ernte stechen und so nur lange Stangen aus dem Damm holen. An der Skepsis der Bauern hat das bisher nichts geändert. Über 99 Prozent ernten nach wie vor von Hand
"Wir haben jetzt in Summe 50 Maschinen verkauft. Ja, könnte man sagen: Marktführer. Ich glaube, andere liegen irgendwie bei vier oder drei. Aber tatsächlich ist es so: Man merkt, dass es ein gesteigertes Interesse gibt oder dass sie die Leute mit dem Thema wieder befassen, weil die Erntehelfer-Situation nicht besser wird, die Planungssicherheit absolut nicht mehr gegeben ist."
Im Corona-Jahr 2020 hat Christian Bornstein fünf Maschinen verkauft. Norbert Zimmermann hat seine seit zwei Jahren. Am Feldrand stehen immer mal wieder Kollegen, die sich angucken wollen, wie sie funktioniert.
Bis 24. Juni fährt sein Spargelvollernter noch. Jetzt wo das Wetter trockener und wärmer geworden ist und der Spargel richtig wächst, glaubt er nicht, dass seine Leute diese Saison noch einmal mit der Hand ran müssen.
"Dann erkläre ich meine Spargelstecherkarriere für dieses Jahr für beendet."