"Wir haben nicht nur genügend Vorräte an Mars-Riegeln und Trinkwasser, sondern auch an Cheese-and-Onion-Chips."
Ob Boris Johnson da vom eigenen Vorratsschrank oder von den Lagerbeständen der Supermärkte sprach, vor ein paar Tagen? Fakt ist: Die Briten müssen einen Großteil ihrer Lebensmittel importieren. Viel frische Ware lässt sich nur begrenzt horten. Aber Unternehmen, die Lagerflächen vermieten, melden, dass britische Unternehmen aus allen Branchen Lieferengpässe fürchten und Vorräte anlegen.
Lagerfläche wird knapp
Die Logistikfirma Miniclippers Logistics, etwa 80 Kilometer nördlich von London, kann keine neuen Kunden mehr annehmen. Managerin Jayne Masters sagt, ihre Firma habe schon ein zusätzliches Obergeschoss eingezogen:
"Sie erwähnen alle den Brexit, wenn sie anrufen. Sie haben Sorge, dass Waren nicht rechtzeitig bei ihnen ankommen. Das reicht von Läden in den Innenstädten, andere lagern hier Vorprodukte für die Fertigung ein; in der Lebensmittelindustrie müssen die Produkte ja auf den Tag genau da sein. Aber wir haben nichts mehr frei."
Logistik-Arbeiter aus Osteuropa haben das Land verlassen
Die Anbieter von Lagerflächen sind die Profiteure der Angst vor einem ungeregelten Brexit. Peter Ward, Vorstandsvorsitzender des Verbandes der britischen Lagerindustrie, frohlockt, für seine Branche seien das eigentlich gute News. Aber die Lager seien voll. Und den Logistikfirmen fehlt es inzwischen auch an Arbeitskräften.
"Was wir hier am stärksten merken mit Blick auf den Brexit, ist, dass viele Arbeiter aus Osteuropa das Land verlassen haben. Die Logistikindustrie ist seit vielleicht 15 Jahren sehr stark von diesen Arbeitskräften abhängig. Und wir sehen einen massiven Exodus dieser osteuropäischen Arbeitskräfte."
Autobranche drohen gigantische Verluste
Die Autokonzerne indes haben Sorge, dass ihnen Vorprodukte aus der EU ausgehen. Denn sie arbeiten "just in time" und haben größtenteils gar keine Materiallager mehr, sagt David Zaccheo vom Speditionsunternehmen Alcaline:
"Einer unser Kunden, ein Automobilhersteller, wenn der seine Produktion anhalten muss, reden wir über Verluste von 36.000 Pfund pro Minute. Wenn er für ein paar Stunden unterbrechen muss, können Sie sich leicht vorstellen, was das kostet. Wir reden von Millionen allein an einem halben Tag."
Um mögliche kilometerlange Staus in Dover zu vermeiden, hat das Speditionsunternehmen inzwischen einen Helikopter gekauft, mit dem es ganz wichtige Teile schnell zu den Herstellern bringen kann.
"Ohne Deal wird ab dem 29. März Armageddon sein"
Der Hafen von Dover ist das Nadelöhr, durch das im Jahr 2,5 Millionen Lastwagen hindurch müssen. Jeden Tag pendeln allein etwa 10.000 Lkw mit Lebensmitteln, Bekleidung und Medikamenten zwischen Großbritannien und dem EU-Festland. Wenn sie alle in Zukunft kontrolliert werden müssten, weil Großbritannien nicht mehr zum Binnenmarkt gehört, sehe er schwarz, sagt John James, Chef des Speditionsunternehmens Star Cargo.
"Wenn wir ohne Deal aus der EU heraus gehen, wird ab dem 29. März Armageddon für uns hier sein. Das ist nicht 'Project Fear', das ist nicht bloß Angstmacherei, das wird die Realität sein."
Jede Fuhre entspricht einem Aktenordner Papier
Bevor das Vereinigte Königreich sich 1992 dem gemeinsamen Binnenmarkt anschloss, gab es in Dover 130 Zoll-Kontrollstellen, heute sind es nur noch 17. Sie müssten allerdings dann ab Ende März doppelt so viele Lastwagen kontrollieren wie ihre Kollegen vor 27 Jahren. Derzeit sind es am Tag im Schnitt 330 Lkw, weil nur drei von 100 Fuhren von außerhalb der EU kommen. Bald wären es dann 11.000.
Für jede einzelne Fuhre müssen die Zoll-Angestellten dann einen Papierstapel durcharbeiten, der so dick ist wie zwei bis drei Aktenordner. 20 Minuten Bearbeitungszeit Minimum, sagt Steve Applebie von Harbour Shipping Limited, der größten Zollabfertigungsfirma in Dover. Er sagt, er bräuchte hier dann sofort 300 Leute.
"Wenn sie nicht schnell Leute ausbilden, die meinen Job machen, können sie den Papierkram nicht erledigen. Die einzige Möglichkeit, die sie haben, wäre, die Türen weit aufzumachen und einfach alles reinzulassen. Und sich über die Folgen später Gedanken zu machen."