Volleyballtraining der deutschen Männer-Nationalmannschaft im Olympischen Trainingszentrum in Kienbaum – eine knappe Autostunde östlich vom Zentrum Berlins. Lukas Kampa, 37, Zuspieler und Kapitän der Mannschaft, gibt den Rhythmus vor: Mal inszeniert er einen Schnellangriff in der Mitte, mal stellt er den Ball hoch nach außen. In Paris wird er seine Karriere in der Nationalmannschaft beenden. Mit einem Mix aus Genuss und Erfolgshunger, hat er sich vorgenommen:
"So wie, weiß ich nicht, manchmal die letzten drei Urlaubstage, da will man ja auch nochmal den Sonnenuntergang unbedingt sehen und das noch machen und das noch machen, und unbedingt nochmal alles mitnehmen, aber ich möchte mit Sicherheit auch aufs Halbfinale oder so schielen, weil: Das würde mir natürlich die größte Befriedigung, das größte Glück bedeuten, wenn wir auch sportlich da wirklich was reißen könnten und am liebsten noch eine Erinnerung aus Metall mitnehmen können, ja."
Im Trainingsspiel sechs gegen sechs geht es richtig zur Sache. Von der Seitenlinie schlägt Bundestrainer Michal Winiarski, ein ehemaliger polnischer Weltklassespieler, in schneller Folge zusätzliche Bälle aufs Feld. Der Stressfaktor ist hoch, einzelne Spieler werden laut.
"Man muss sich im Training auch mal ein bisschen gegenseitig anfetzen und ein bisschen kitzeln, damit was kommt. Sonst ist es auch ein zu großer Unterschied zum Wettkampf. Im Englischen würde man sagen: exposen - also rausgehen, sich angreifbar machen. Das ist das, was man riskieren muss. Dass man halt selber rausgeht, mal jemandem ein bisschen Contra gibt, dass der aber danach, wenn er was gut macht, auch die Möglichkeit hat. Damit muss man umgehen, und das brauchen wir einfach."
Grozer überragt bei sensationeller Qualifikation
So wie beim Qualifikationsturnier für Olympia im vergangenen Herbst in Rio de Janeiro. Mit sieben Siegen aus sieben Spielen, unter anderem gegen Weltmeister Italien und Gastgeber Brasilien. Die gleiche Mannschaft, die bei der Europameisterschaft kurz zuvor bereits im Achtelfinale ausgeschieden war, qualifizierte sich damit sensationell für Olympia – erstmals wieder seit zwölf Jahren. Die Erfolgsgaranten? Eine grandiose Mannschaftsleistung und der überragende Super-Star Georg Grozer, mit 39 Jahren der Älteste im Team und mit 31 Punkten gegen Brasilien der Matchwinner.
"Alle wussten, dass sie nicht Dinge tun müssen, die vielleicht eigentlich Georg machen muss. Es geht gar nicht so sehr um die 31 Punkte an sich, sondern es geht darum, dass vielleicht auch mal andere fünf wichtige Punkte machen, und die sie aber voller Überzeugung, voller Selbstvertrauen machen können, weil sie eben nicht 15 andere machen sollten, die aber gar nicht unbedingt in ihrem Aufgabenbereich sind."
"Ich bin der Älteste, ich bin der Opa, mir geht es gut. Dankeschön", sagt Georg Grozer. Er wirkt aufgeräumt kurz vor Beginn der Spiele. Wie Kapitän Kampa war auch er schon 2012 in London dabei. Damals wurden sie fünfte. Diesmal wollen sie mehr. Ein schwieriges Unterfangen.
In Paris kämpfen die ersten elf der Weltrangliste um die drei Medaillen. Die deutschen Volleyballmänner stehen im Ranking an Position 11, ihr erstes Spiel bestreiten sie am nächsten Samstag gegen den Weltranglistenzweiten Japan. Um 9 Uhr morgens – für Georg Grozer ein Gräuel:
"Ich bin auch ein Mensch, der nicht so gern so früh aufsteht, aber natürlich: Für Olympia macht man alles. Da ist nur der Fokus, das Spiel zu gewinnen, egal, was wehtut. Egal: Das Maximum rauszuholen von mir selbst und damit auch ein Zeichen setzen, dass, wenn ich als alter Mann das kann, die Jüngeren können das noch besser."
Beachvolleyball: Hoffnung auf eine Medaille
Ortswechsel: Bundesleistungszentrum Beachvolleyball in Hamburg-Wandsbek. Wunderschöne alte Bäume, durch deren Blätter ein kräftiger Wind rauscht, säumen die großzügige Anlage mit zehn Spielfeldern, Rasen und Freibad. Hier trainieren Nils Ehlers, 30, und Clemens Wickler, 29 Jahre alt, das einzige deutsche Männer-Duo, das sich für Paris qualifiziert hat. Bei den großen Turnieren in diesem Jahr belegten die beiden viermal Platz 4, auch in der Weltrangliste stehen sie auf Position 4. Es geht voran, findet Clemens Wickler:
"Im letzten Jahr sind wir sehr konstant auf den fünften Plätzen gelandet, da ist Halbfinale schon mal deutlich besser, und wenn wir es auch in Paris ins Halbfinale schaffen, dann bin ich da sehr optimistisch, dass wir uns dort auch eine Medaille holen."
"Natürlich würde ich mir wünschen, dass Beachvolleyball so populär wäre wie Fußball", ergänzt Nils Ehlers. "Aber ich glaube, der Wunsch wird dann irgendwann mit mir ins Grab gehen." Beide lachen.
"Fußball ist einfach zu mächtig, aber ich finde trotzdem geil, dass wir zum Beispiel bei Olympischen Spielen eine der Sportarten sind mit den meisten Zuschauern, dass wir jetzt auch in Paris eine geile Plattform haben direkt vor dem Eiffelturm, ich glaube, da werden einige Leute einschalten, und umso schöner, dass wir da Deutschland repräsentieren können, um vielleicht noch einmal eine zusätzliche Reichweite für unseren Sport zu bieten."
Es fehlt noch etwas mehr "Erwachsensein"
Zweimal schon gewannen deutsche Teams Gold bei Olympia: Julius Brink und Jonas Reckermann in London 2012 und Laura Ludwig und Kira Walkenhorst in Rio 2016. Das aktuelle Top-1-Team der Männer würde es ihnen gern nachmachen. Mit seiner Körpergröße von 2,10 m ist Nils Ehlers der klassische Blockspieler, der 1,91 m große Clemens Wickler ist Defender. Die beiden ergänzen sich bestens, findet Bundestrainer Thomas Kaczmarek, für ganz oben jedoch fehle noch ein bisschen:
"Ich nenne es immer gerne: Erwachsensein in den nötigen Situationen, vielleicht auch bei ‚19 beide‘ cool zu sein und den gleichen Ball mit dem gleichen Mut mit der gleichen Intensität zu spielen. Und da nicht vielleicht ein paar Prozente weniger zu machen."
Die fehlenden Prozente wollen Ehlers/Wickler in Paris draufpacken. Und wenn es doch nicht klappen sollte, kein Problem, sagt Nils Ehlers: "Die Reise ist noch nicht zu Ende. Also dieses Jahr der Höhepunkt mit den Olympischen Spielen, und so alt sind wir auch noch nicht, wir planen schon noch, ein paar Jahre zu spielen, das heißt: Da werden noch einige Höhepunkte kommen."
Im Beachvolleyball der Frauen gehen in Paris zwei Teams an den Start: Svenja Müller und Cinja Tillmann, die 2022 Bronze bei der WM holten, und die Olympiasiegerin von 2018 Laura Ludwig.
"Ich habe einfach Bock, wieder die beste Spielerin zu werden, das triggert mich", sagt Ludwig und fügt hinzu: "Wie so eine Achterbahnfahrt – das ist halt der Kampf ums Olympiaticket". Den hat das ZDF in einer sehenswerten Dokumentation festgehalten.