Archiv


Vom Drogenbaron zum Serien-Star

Entführungen, Bombenanschläge, Morde: Das Leben tausender Menschen geht auf das Konto des kolumbianischen Drogenbarons Pablo Escobar. Rund 20 Jahre nach seinem Tod ist er nun Star einer Seifenoper geworden. "Pablo – der Boss des Bösen" heißt die erfolgreiche Telenovela des kolumbianischen TV-Senders Caracol.

Von Nils Naumann |
    Pablo-Sprechchöre, jubelnde Männer, kreischende Frauen. Drehpause am Set der Serie im kolumbianischen Medellin. Rund 100 Fans wollen ihren Star live erleben.

    Andres Parra, rotes Polohemd, buschiger Schnauzbart, die schwarzen Haare seiner Perücke zum Seitenscheitel gekämmt, sieht dem Drogenboss Escobar tatsächlich zum Verwechseln ähnlich. Der Hauptdarsteller der Soap schüttelt Hände, umarmt Frauen und Kinder, gibt Autogramme, lässt sich fotografieren.

    "Für die Menschen auf der Straße bin ich inzwischen Pablo Escobar"."

    Der Drogenboss ist ein Mythos: Mitte der 1970er-Jahre arbeitete sich Escobar vom Kleinkriminellen zum größten Dealer seiner Zeit hoch. Escobar industrialisierte den Kokainschmuggel, verdiente Milliarden. Das Forbes-Magazin führte ihn als siebtreichsten Mann der Welt. In seiner Heimatstadt Medellin finanzierte Escobar Sozialwohnungen. 1982 ließ er sich sogar in den kolumbianischen Kongress wählen.

    Wer Escobar im Weg stand, musste sterben. Als die Behörden begannen, gegen ihn vorzugehen, erklärte Escobar dem Staat den Krieg. Er ließ Flugzeuge sprengen und Politiker erschießen. Tausende Tote gehen auf sein Konto. Genug Stoff also für eine Fernsehserie.

    Seit Monaten flimmert die Novela des Privatsenders Caracol täglich über die kolumbianischen Bildschirme. Die Quoten von "Pablo - der Boss des Bösen" sind gut. Juana Uribe hat die Serie mitproduziert. Sie glaubt, dass die Novela zur Aufarbeitung der blutigen Geschichte beitragen kann.

    ""Das ist wie eine Katharsis. Es ist sehr wichtig zu verstehen, was wir erlebt haben, damit sich die Geschichte nicht wiederholt. Viele junge Leute wissen gar nicht, welchen Schaden Escobar angerichtet hat."

    Die Serie, betont Uribe, würde die Geschichte aus der Sicht von Escobars Opfern erzählen.

    "Es tut weh, wenn die Opfer keine Relevanz haben. Denn sie haben eine wichtige Rolle gespielt. Wir erklären, wer Escobars Opfer waren."

    Doch Kritiker bezweifeln, dass die Produzenten ihre hochgesteckten ideellen Ziele erreicht haben. Die Serie ist zwar technisch und finanziell eine der aufwendigsten der kolumbianischen Fernsehgeschichte. Doch die Hauptperson ist Pablo Escobar. Alles dreht sich um die Verwirklichung der persönlichen und geschäftlichen Ziele des Drogenbarons.

    "Durch diese Dramaturgie wird er automatisch zum Helden und zur Identifikationsfigur"

    Alejandra Castaño Echeverri ist Kommunikationswissenschaftlerin an der Universität Medellin. Escobars Gegner, beklagt sie, würden in der Novela nur als kleine Hindernisse bei den Geschäften des Drogenbarons dargestellt. Hindernisse, die aus dem Weg geräumt werden müssten. Außerdem mangele es der Novela an Analyse:

    "Die Serie zeigt nur, was damals passiert ist. Für eine Aufarbeitung der Geschichte reicht das nicht aus."

    Echeverri war zu Escobars Lebzeiten ein kleines Mädchen. Doch sie kann sich noch gut an die Angst vor Bombenattentaten und Schießereien erinnern. Ende der 80er-, Anfang der 90er-Jahre, war Medellin eine traumatisierte Stadt, die Angst ein ständiger Begleiter. Escobar zahlte Kopfgelder für jeden ermordeten Polizisten. Viele Menschen gingen nur bewaffnet auf die Straße. 1991 wurden in der Zwei-Millionen Stadt 6500 Menschen ermordet. 1993 wurde Escobar schließlich von einer Spezialeinheit der Polizei erschossen.

    "Danach begann eine Etappe der Verdrängung. Nach dem Motto: Escobar ist tot, und jetzt ist alles gut."

    In Wirklichkeit aber, so Echeverri, sei die Kultur der Drogenhändler in Medellin und in vielen anderen Landesteilen noch immer präsent:

    "Die Korruption, die Logik des Überflusses, des schnellen Geldes. Die Grundlagen der Gesellschaft in Kolumbien sind verrottet."

    Auch deswegen sei Escobar für viele Menschen noch immer ein Held. Dahinter steckt die Bewunderung für einen Mann, der es aus dem Nichts nach ganz oben schaffte. Escobars brutale Gewalt wird dabei oft verdrängt. Doch dieses Phänomen ist nicht neu. Die Schuld an der Idealisierung Escobars auf die Novela zu schieben, findet Echeverri, sei zu einfach:

    "Ich glaube nicht, dass das Fernsehen die Drogen-Kultur befördert. Sie halten der Gesellschaft nur einen Spiegel vor. Bei uns gibt es die kleinen Bosse, die berühmten Prostituierten, die Püppchen der Mafia - der Drogenhandel gehört noch immer zu unserem Alltag. Die Serie greift das nur auf, deswegen ist sie so erfolgreich."