Wir sind von der Autobahn München-Salzburg runter, wenige Kilometer durch einen dichten Wald gerollt. Plötzlich öffnen sich die Bäume wie ein Theatervorhang. Vor uns liegt eine hügelige, frühlingswarme Landschaft. Wie eine Theater-Kulisse. Und der Bühnenraum dieser Theaterkulisse ist seitlich eingefasst von der mächtigen Kampenwand, 1.670 Meter hoch, trägt noch eine weiße Zipfelmütze aus letzten Schneeresten. Burkhard Heinzelmann:
"Leitet sich vom Namen her, Kampen ist der Kamm. Und die ist auch wie ein Kamm. Es geht eine Seilbahn nach oben. Eine traumhafte Kulisse."
Wir sehen natürlich Aschau vor uns liegen, die beiden Zwiebeltürme, wir sehen ein märchenhaftes Schloss.
"Das Aschauer Schloss ist also eine relativ großzügige Schlossanlage, wurde auch früher als Raubritter-Standort benutzt. Denn hier im Talschnitt, den Sie sehen, geht der Weg auch rüber, drüben ins Inntal, das heißt nach Tirol. Und wenn man ein paar Meter in das Tal hinein fährt, kann man runter auf Kufstein blicken und den Inn."
Das ist die berühmte Kulturschneise, Handelsstraße?
"Handels- und Schmugglerstraße."
Das wäre diese Tirolschneise. Aber das ist nicht die Straße, über die die Fugger ihr Silber aus Südtirol runter gekarrt haben, nach Augsburg?
"Ja, die haben sicher den Inn benutzt. Aber das hier ist schon ein bequemer
Alpenübergang, denn der geht nur bis 900 Meter hoch."
Und dieses Szenario begleitet das Tal des Flüsschens Prien, die mündet dann in den Chiemsee. Und wir sind entlang der Prien nun auf dem Kirchplatz von Aschau angekommen. Die Kirche wird in der Breite überragt von der früheren Posthalter-Station, wo die Pferde nach Tirol und Italien gewechselt wurden. Die Pfarrkirche, innen österlich geschmückt, Osterkerze. Und ein Orgel-Präludium von Caspar Ett, vor rund 170 Jahren ist quasi das Vorspiel auf die Ölbergandacht, dazu später mehr.
Man könnte auch sagen, diese Kirche ist wie ein farbiger Schmetterling, hat sich in ihren 800/900 Jahren mehrfach gehäutet. Reste aus Romanik und Gotik. Dann kommen vor 300 Jahren die Meister aus Südtirol, bringen den Barock nach Bayern. Den Figuren geben sie Schwung und Farbe. Barock mit Glanz und Gloria. Dr. Ulrich Feldmann:
"Barock ist ein Lebensgefühl. Ein Lebensgefühl der Bejahung, der Freu-de, des positiven Denkens. Und das drückt sich in so einer Kirche sehr, sehr schön aus. Sie sehen ja hier eine prachtvolle Ornamentik an den Decken, prachtvolle Sei-ten- und Hauptaltäre. Aber sie haben Recht mit Ihrer Einleitung. Die Kirche ist erstmals erwähnt im Jahre 1170, in dem sogenannten Falkensteincodex. Die heutige Form geht im Wesentlichen auf zwei Umbauphasen zurück. Die eine ist von Max IV., Graf Preysing. Die Familie Preysing war eine der einflussreichsten adeligen Familien in Bayern. Sie hatte immer wesentliche Hofämter am Fürstenhof in München inne."
Nun wollen wir uns in die "Ölbergandacht" eindenken. Bis Karfreitag war hier nämlich für die Fastenzeit ein ganz anderes Altarbild zu sehen. Die Szene zeigte Jesus am Ölberg. Also nach dem letzten Abendmahl geht er ja händeringend und hadernd zum Ölberg. Kann dieser Kelch an mir vorüber gehen? Nicht mein Wille geschehe usw. Also eine hochdramatische Parabel.
"Die Szene Christus vor seiner Festnahme am Ölberg wird drei Mal verlesen, aus drei Evangelien. Und in allen drei Evangelien wird erwähnt, dass Christus sich entfernt zum Beten und die Jünger schlafen ein. Und er kommt zurück und sagt, könnt ihr nicht mal eine Stunde wach sein?"
" Und das ist auf diesem Ölberg-Bild als Altarbild, fast lebensgroß mit aller Farbenpracht des Barock ausgemalt. Aus einer strahlenden Wolke schwebt ein Engel mit weißen Flügeln und rot- güldenen Gewändern herab. Trägt einen Kelch in der Hand. Und dieser Engel und auch die anderen Personen sind teilweise beweg-lich: Also dieser Todesengel oder Trost-Engel hängt an einer unsichtbaren Mechanik, kann auf und abschweben. Jesus kann seine Arme und Hände ringen. Ein barockes Mysterienspiel mit beweglichen Figuren. Wir lesen:""
"Es stammt wohl aus der Zeit der Gegenreformation, als man die Darstellungen des Leidens, der Kreuzigung und des Sterbens Jesu um eine neue Botschaft erweitert. Im Barock werden statt Martyrium Engel, Himmelfahrten, triumphale Auferstehung in lichten Farben als positive Bildersprache für die Gläubigen inszeniert. Und ähnlich wie die Jünger eingeschlafen waren, war auch diese beweg-liche Barockinszenierung in Aschau eingeschlafen."
Und erst seit zehn Jahren führt man dieses Passionsspiel der Ölbergandacht wieder auf. Mit Lesungen und mit handgemachter Musik begleitet.
Und wir sind mittlerweile weiter zum Schloss Hohenaschau gekommen. Es war mal Mittelalters eine finstere Burg auf felsigem Plateau. Heute hat es die von weitem erkennbare Wuchtigkeit einer pompösen Renaissance-Anlage. Und wir werfen einen Blick in den Konzert- und Ahnensaal des Schlosses. Hier stehen zwölf mannshohe barocke Stuckfiguren. Frühere Burg- und Schlossherrn von Hohenaschau. Jeder könnte uns eine Episode deutscher Geschichte erzählen. Nur so ein Beispiel. Da ist jener Aschauer Herr abgebildet, der 1266, also vor 750 Jahren im Gefolge eines 3.000-Mann-Heeres mit dem erst 15-jährigen Herzog Konradin von Schwaben bis in die Stiefelspitze Italiens zieht. Ein 15-Jähriger darf heute grade mal den Mofa-Führerschein machen. Vor 750 Jahren führt so ein Junge ein Heer an. Was will er und seine Begleitung im gefährlichen Italien, in der Zeit der Machtkämpfe zwischen Päpsten und deutschen Canossagängern? Nach dem Tode des Staufer-Kaisers Friedrich II., der die Welt in Erstaunen versetzte, versucht dessen Enkel, Konradin, als letzter männlicher Staufer das Königreich Sizilien wieder in Besitz zu nehmen. Die Hintergründe:
"Konradin ist der Sohn des römisch-deutschen Königs Konrad IV.. Unteritalien, Neapel und Sizilien waren ihm von Papst widerrechtlich aberkannt worden. Der Feldzug des jungen Konradins endet 1268 in Neapel, wo der 16-Jährige nach verlorener Schlacht öffentlich unter dem Richtschwert Karls von Anjou geköpft wird."
Da erschrickt man, wegen der so unösterlichen Wortwahl. Doch zusammen mit Konradin wird auf dem Marktplatz von Neapel auch sein treuer Paladin aus Aschau hingerichtet. Eine Petitesse aus dem Zettelkasten der Geschichte. Und ich sehe hier auch ein kleines koloriertes Bild aus dem Codex Manesse. Codex Manesse ist die berühmte mittelalterliche Bilder- und Text-Sammlung. Das Bild zeigt, eben diesen jungen Konradin, anmutig zu Pferde, ganz locker. Von seinem Falknerhandschuh steigt ein Jagdfalke hoch. So wie es sich für einem Enkel von Friedrich II. ge-hört.
Und dieses Falknerbild und der Name Friedrich II., der das berühme Buch von der Jagd mit dem Falken geschrieben hat, lädt uns quasi in die heutige Falknerei, hier direkt unterhalb des Aschauer Schlosses ein. Und wir werden von rund 15 neu-gierigen, putzigen, selbstbewussten Jagdhelfern beäugt. Hannes Lehnert ist der Schlossfalkner:
"Wir machen drei Vogelflug-Vorführungen hier. Wir präsentieren Falken Milan, Bussard, Adler im Freiflug. Wir wollen also schauen, dass wir ein bisserl den Naturschutz, den Artenschutz, alles a bisserl rüber bringen. Und als Statussymbol hat eigentlich bei uns der Falke ausgedient. Wir sehen ihn als Jagdkumpanen, auch der Adler oder der Habicht. Früher war es ja nur dem hohen Adel vorbehalten, die Falken zur Jagd zu verwenden. A Bürger, a Bauer, a ganz normale Arbeiter haben das bei Todesstrafe nicht gedurft."
Was sind Sie denn für ihre Falken? Sind Sie eine Art Vater oder Boss?
"Es ist ganz unterschiedlich, je nach Greifvogel. Es gibt Greifvögel wie die großen Adler, die gehen auch mit dem Menschen eine Beziehung ein. Sie sehen den Menschen auch teilweise als Partner."
Hat Ihr Falke das nicht in den Genen drin?
"Ja, er hat natürlich Eltern gehabt. Das beginnt ja mit dem Trockenwerden wie wir sagen, wenn der Greifvogel fliegen kann, die sogenannte Bettelflug-Periode. In diesem Zeitraum lernen die Altvögel dem Jungvogel alles, was für sein späteres Leben wichtig ist. Und den Part übernehmen wir als Falkner. Wir versuchen also ab der Bettelflugperiode den Greifvogel zu trainieren. Wir lernen ihm das Fliegen, dass er zu uns zurück kommt. Und wir lernen ihm das Beutemachen."
Aber wenn der bis drei zählen kann, wird der doch sagen, Du kannst doch selber gar nicht fliegen!
"Des brauchen wir nicht, weil er kommt ja zurück. Bekommt beim Zurückkommen immer seine Belohnung. Und die Belohnung, wir machen ja in der Falknerei simulierte Jagdflüge. Wir stellen also das Ganze nach wie es in der freien Natur ist. Wir haben Beuteattrappen, manchmal ist es ein Federspiel, manchmal ist es auch nur der Handschuh des Falkners. Und da ist Beute versteckt. Und diese Beute, die jagt der Greifvogel an."
Und dazu diese Landschaft hier an der Kampenwand. Und es kommt sogar vor, dass Hannes Lehnert oben von der Kampenwand, aus 1.670 Metern mit einem Gleitschirm zu Tal schwebt und sich dabei von seinen frei fliegenden Adlern begleiten lässt, sich von denen die Thermik zeigen lässt, in dieser Naturtheater-Kulisse von Aschau.
Und wir kehren noch einmal zurück auf den Kirchplatz. Da, wo früher die Poststation betrieben wurde. In diesem aufwendig renovierten Gebäude, ist seit 20 Jahren die "Residenz-Heinz-Winkler" eingezogen. Residenz heißt, 5-Sterne Hotel und der einzige 3-Sterne Koch Bayerns. Wir treffen ihn in seiner Küche. 62 Jahre alt, er dirigiert, probiert, er kostet, er macht die Honneurs. Und er verteidigt mit jeder Speise, die serviert wird, seinen Titel: 21 Jahre 3-Sterne in der Champions-League des Micheline. Was ist "essen"? Wir stellen die Frage mit Hilfe eines erfundenen Beispiels. Telefonanruf aus einer Staatslimousine. Die Bundeskanzlerin sei inkognito und politisch in der Nähe unterwegs. Anfrage, ob man ohne Aufwand und Zeitverlust eine Kleinigkeit einnehmen könne? Was servieren oder empfehlen Sie?
"Ich würde ihr mal einen schönen Steinpilzsalat machen. Ich würde ihr ein Chiemgau-Weidenrind, ein geschmortes Kalbsbäckchen machen. Ich würde ihr mal so wirklich was Herzhaftes, Gutes, Natürliches zu essen geben. Und trotzdem leicht, und das ist das Wichtige, verstehen Sie? Essen ist ja Energieaufnahme. Essen ist ja nicht dazu da um den Magen zu füllen. Essen ist dazu da um uns Kraft zu geben. Wenn man richtig isst, dann ist der Magen happy, der Körper ist happy. Und man kriegt Energie. Und deswegen muss man sich um das Essen vielmehr Gedanken machen als wir es meistens tun."
Eine bodenständige Südtiroler Antwort in Zeiten, wo rund um die Uhr die Fernsehköche um die Wette kochen. Heinz Winkler kam als Jüngster von elf Geschwistern aus kleinen Verhältnissen aus der Nähe von Brixen und arbeitete sich zu einem europäischen Spitzenkoch hoch. Er ist mit vielen Auszeichnungen, Bundesverdienstkreuz, 63 Küchensternen und Kochmützen geehrt worden. Zitat aus einer Preisverleihung: "Er kocht ohne alle spektakulären Edelprodukte großartiger als die notirischen Kaviarvergolder". Zitat-Ende. Und nach dem Essen tritt man auf die Hotel-Terrasse hinaus und blickt in die Natur-Theaterkulisse Aschau. Und schaut in Richtung auf das Schloss nach oben, ob da nicht ein Steinadler zum eleganten Landeanflug beim Falkner Hannes Lehnert auf den Handschuh ansetzt und sich seine "Happy-Belohnung" abholt.
"Leitet sich vom Namen her, Kampen ist der Kamm. Und die ist auch wie ein Kamm. Es geht eine Seilbahn nach oben. Eine traumhafte Kulisse."
Wir sehen natürlich Aschau vor uns liegen, die beiden Zwiebeltürme, wir sehen ein märchenhaftes Schloss.
"Das Aschauer Schloss ist also eine relativ großzügige Schlossanlage, wurde auch früher als Raubritter-Standort benutzt. Denn hier im Talschnitt, den Sie sehen, geht der Weg auch rüber, drüben ins Inntal, das heißt nach Tirol. Und wenn man ein paar Meter in das Tal hinein fährt, kann man runter auf Kufstein blicken und den Inn."
Das ist die berühmte Kulturschneise, Handelsstraße?
"Handels- und Schmugglerstraße."
Das wäre diese Tirolschneise. Aber das ist nicht die Straße, über die die Fugger ihr Silber aus Südtirol runter gekarrt haben, nach Augsburg?
"Ja, die haben sicher den Inn benutzt. Aber das hier ist schon ein bequemer
Alpenübergang, denn der geht nur bis 900 Meter hoch."
Und dieses Szenario begleitet das Tal des Flüsschens Prien, die mündet dann in den Chiemsee. Und wir sind entlang der Prien nun auf dem Kirchplatz von Aschau angekommen. Die Kirche wird in der Breite überragt von der früheren Posthalter-Station, wo die Pferde nach Tirol und Italien gewechselt wurden. Die Pfarrkirche, innen österlich geschmückt, Osterkerze. Und ein Orgel-Präludium von Caspar Ett, vor rund 170 Jahren ist quasi das Vorspiel auf die Ölbergandacht, dazu später mehr.
Man könnte auch sagen, diese Kirche ist wie ein farbiger Schmetterling, hat sich in ihren 800/900 Jahren mehrfach gehäutet. Reste aus Romanik und Gotik. Dann kommen vor 300 Jahren die Meister aus Südtirol, bringen den Barock nach Bayern. Den Figuren geben sie Schwung und Farbe. Barock mit Glanz und Gloria. Dr. Ulrich Feldmann:
"Barock ist ein Lebensgefühl. Ein Lebensgefühl der Bejahung, der Freu-de, des positiven Denkens. Und das drückt sich in so einer Kirche sehr, sehr schön aus. Sie sehen ja hier eine prachtvolle Ornamentik an den Decken, prachtvolle Sei-ten- und Hauptaltäre. Aber sie haben Recht mit Ihrer Einleitung. Die Kirche ist erstmals erwähnt im Jahre 1170, in dem sogenannten Falkensteincodex. Die heutige Form geht im Wesentlichen auf zwei Umbauphasen zurück. Die eine ist von Max IV., Graf Preysing. Die Familie Preysing war eine der einflussreichsten adeligen Familien in Bayern. Sie hatte immer wesentliche Hofämter am Fürstenhof in München inne."
Nun wollen wir uns in die "Ölbergandacht" eindenken. Bis Karfreitag war hier nämlich für die Fastenzeit ein ganz anderes Altarbild zu sehen. Die Szene zeigte Jesus am Ölberg. Also nach dem letzten Abendmahl geht er ja händeringend und hadernd zum Ölberg. Kann dieser Kelch an mir vorüber gehen? Nicht mein Wille geschehe usw. Also eine hochdramatische Parabel.
"Die Szene Christus vor seiner Festnahme am Ölberg wird drei Mal verlesen, aus drei Evangelien. Und in allen drei Evangelien wird erwähnt, dass Christus sich entfernt zum Beten und die Jünger schlafen ein. Und er kommt zurück und sagt, könnt ihr nicht mal eine Stunde wach sein?"
" Und das ist auf diesem Ölberg-Bild als Altarbild, fast lebensgroß mit aller Farbenpracht des Barock ausgemalt. Aus einer strahlenden Wolke schwebt ein Engel mit weißen Flügeln und rot- güldenen Gewändern herab. Trägt einen Kelch in der Hand. Und dieser Engel und auch die anderen Personen sind teilweise beweg-lich: Also dieser Todesengel oder Trost-Engel hängt an einer unsichtbaren Mechanik, kann auf und abschweben. Jesus kann seine Arme und Hände ringen. Ein barockes Mysterienspiel mit beweglichen Figuren. Wir lesen:""
"Es stammt wohl aus der Zeit der Gegenreformation, als man die Darstellungen des Leidens, der Kreuzigung und des Sterbens Jesu um eine neue Botschaft erweitert. Im Barock werden statt Martyrium Engel, Himmelfahrten, triumphale Auferstehung in lichten Farben als positive Bildersprache für die Gläubigen inszeniert. Und ähnlich wie die Jünger eingeschlafen waren, war auch diese beweg-liche Barockinszenierung in Aschau eingeschlafen."
Und erst seit zehn Jahren führt man dieses Passionsspiel der Ölbergandacht wieder auf. Mit Lesungen und mit handgemachter Musik begleitet.
Und wir sind mittlerweile weiter zum Schloss Hohenaschau gekommen. Es war mal Mittelalters eine finstere Burg auf felsigem Plateau. Heute hat es die von weitem erkennbare Wuchtigkeit einer pompösen Renaissance-Anlage. Und wir werfen einen Blick in den Konzert- und Ahnensaal des Schlosses. Hier stehen zwölf mannshohe barocke Stuckfiguren. Frühere Burg- und Schlossherrn von Hohenaschau. Jeder könnte uns eine Episode deutscher Geschichte erzählen. Nur so ein Beispiel. Da ist jener Aschauer Herr abgebildet, der 1266, also vor 750 Jahren im Gefolge eines 3.000-Mann-Heeres mit dem erst 15-jährigen Herzog Konradin von Schwaben bis in die Stiefelspitze Italiens zieht. Ein 15-Jähriger darf heute grade mal den Mofa-Führerschein machen. Vor 750 Jahren führt so ein Junge ein Heer an. Was will er und seine Begleitung im gefährlichen Italien, in der Zeit der Machtkämpfe zwischen Päpsten und deutschen Canossagängern? Nach dem Tode des Staufer-Kaisers Friedrich II., der die Welt in Erstaunen versetzte, versucht dessen Enkel, Konradin, als letzter männlicher Staufer das Königreich Sizilien wieder in Besitz zu nehmen. Die Hintergründe:
"Konradin ist der Sohn des römisch-deutschen Königs Konrad IV.. Unteritalien, Neapel und Sizilien waren ihm von Papst widerrechtlich aberkannt worden. Der Feldzug des jungen Konradins endet 1268 in Neapel, wo der 16-Jährige nach verlorener Schlacht öffentlich unter dem Richtschwert Karls von Anjou geköpft wird."
Da erschrickt man, wegen der so unösterlichen Wortwahl. Doch zusammen mit Konradin wird auf dem Marktplatz von Neapel auch sein treuer Paladin aus Aschau hingerichtet. Eine Petitesse aus dem Zettelkasten der Geschichte. Und ich sehe hier auch ein kleines koloriertes Bild aus dem Codex Manesse. Codex Manesse ist die berühmte mittelalterliche Bilder- und Text-Sammlung. Das Bild zeigt, eben diesen jungen Konradin, anmutig zu Pferde, ganz locker. Von seinem Falknerhandschuh steigt ein Jagdfalke hoch. So wie es sich für einem Enkel von Friedrich II. ge-hört.
Und dieses Falknerbild und der Name Friedrich II., der das berühme Buch von der Jagd mit dem Falken geschrieben hat, lädt uns quasi in die heutige Falknerei, hier direkt unterhalb des Aschauer Schlosses ein. Und wir werden von rund 15 neu-gierigen, putzigen, selbstbewussten Jagdhelfern beäugt. Hannes Lehnert ist der Schlossfalkner:
"Wir machen drei Vogelflug-Vorführungen hier. Wir präsentieren Falken Milan, Bussard, Adler im Freiflug. Wir wollen also schauen, dass wir ein bisserl den Naturschutz, den Artenschutz, alles a bisserl rüber bringen. Und als Statussymbol hat eigentlich bei uns der Falke ausgedient. Wir sehen ihn als Jagdkumpanen, auch der Adler oder der Habicht. Früher war es ja nur dem hohen Adel vorbehalten, die Falken zur Jagd zu verwenden. A Bürger, a Bauer, a ganz normale Arbeiter haben das bei Todesstrafe nicht gedurft."
Was sind Sie denn für ihre Falken? Sind Sie eine Art Vater oder Boss?
"Es ist ganz unterschiedlich, je nach Greifvogel. Es gibt Greifvögel wie die großen Adler, die gehen auch mit dem Menschen eine Beziehung ein. Sie sehen den Menschen auch teilweise als Partner."
Hat Ihr Falke das nicht in den Genen drin?
"Ja, er hat natürlich Eltern gehabt. Das beginnt ja mit dem Trockenwerden wie wir sagen, wenn der Greifvogel fliegen kann, die sogenannte Bettelflug-Periode. In diesem Zeitraum lernen die Altvögel dem Jungvogel alles, was für sein späteres Leben wichtig ist. Und den Part übernehmen wir als Falkner. Wir versuchen also ab der Bettelflugperiode den Greifvogel zu trainieren. Wir lernen ihm das Fliegen, dass er zu uns zurück kommt. Und wir lernen ihm das Beutemachen."
Aber wenn der bis drei zählen kann, wird der doch sagen, Du kannst doch selber gar nicht fliegen!
"Des brauchen wir nicht, weil er kommt ja zurück. Bekommt beim Zurückkommen immer seine Belohnung. Und die Belohnung, wir machen ja in der Falknerei simulierte Jagdflüge. Wir stellen also das Ganze nach wie es in der freien Natur ist. Wir haben Beuteattrappen, manchmal ist es ein Federspiel, manchmal ist es auch nur der Handschuh des Falkners. Und da ist Beute versteckt. Und diese Beute, die jagt der Greifvogel an."
Und dazu diese Landschaft hier an der Kampenwand. Und es kommt sogar vor, dass Hannes Lehnert oben von der Kampenwand, aus 1.670 Metern mit einem Gleitschirm zu Tal schwebt und sich dabei von seinen frei fliegenden Adlern begleiten lässt, sich von denen die Thermik zeigen lässt, in dieser Naturtheater-Kulisse von Aschau.
Und wir kehren noch einmal zurück auf den Kirchplatz. Da, wo früher die Poststation betrieben wurde. In diesem aufwendig renovierten Gebäude, ist seit 20 Jahren die "Residenz-Heinz-Winkler" eingezogen. Residenz heißt, 5-Sterne Hotel und der einzige 3-Sterne Koch Bayerns. Wir treffen ihn in seiner Küche. 62 Jahre alt, er dirigiert, probiert, er kostet, er macht die Honneurs. Und er verteidigt mit jeder Speise, die serviert wird, seinen Titel: 21 Jahre 3-Sterne in der Champions-League des Micheline. Was ist "essen"? Wir stellen die Frage mit Hilfe eines erfundenen Beispiels. Telefonanruf aus einer Staatslimousine. Die Bundeskanzlerin sei inkognito und politisch in der Nähe unterwegs. Anfrage, ob man ohne Aufwand und Zeitverlust eine Kleinigkeit einnehmen könne? Was servieren oder empfehlen Sie?
"Ich würde ihr mal einen schönen Steinpilzsalat machen. Ich würde ihr ein Chiemgau-Weidenrind, ein geschmortes Kalbsbäckchen machen. Ich würde ihr mal so wirklich was Herzhaftes, Gutes, Natürliches zu essen geben. Und trotzdem leicht, und das ist das Wichtige, verstehen Sie? Essen ist ja Energieaufnahme. Essen ist ja nicht dazu da um den Magen zu füllen. Essen ist dazu da um uns Kraft zu geben. Wenn man richtig isst, dann ist der Magen happy, der Körper ist happy. Und man kriegt Energie. Und deswegen muss man sich um das Essen vielmehr Gedanken machen als wir es meistens tun."
Eine bodenständige Südtiroler Antwort in Zeiten, wo rund um die Uhr die Fernsehköche um die Wette kochen. Heinz Winkler kam als Jüngster von elf Geschwistern aus kleinen Verhältnissen aus der Nähe von Brixen und arbeitete sich zu einem europäischen Spitzenkoch hoch. Er ist mit vielen Auszeichnungen, Bundesverdienstkreuz, 63 Küchensternen und Kochmützen geehrt worden. Zitat aus einer Preisverleihung: "Er kocht ohne alle spektakulären Edelprodukte großartiger als die notirischen Kaviarvergolder". Zitat-Ende. Und nach dem Essen tritt man auf die Hotel-Terrasse hinaus und blickt in die Natur-Theaterkulisse Aschau. Und schaut in Richtung auf das Schloss nach oben, ob da nicht ein Steinadler zum eleganten Landeanflug beim Falkner Hannes Lehnert auf den Handschuh ansetzt und sich seine "Happy-Belohnung" abholt.