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Vom Geheimdienst bespitzelt, von Unbekannten ermordet

Jahrelang war der 16. Dezember für die gambische Zeitung "The Point" ein Tag zum Feiern. Seit einem Jahr ist es ein Tag der Trauer.

Von Bettina Kaps |
    "The Point" wurde am 16. Dezember 1991 von zwei gambischen Journalisten gegründet. Deyda Hydara und Pap Saine schufen die erste moderne Tageszeitung des Landes, aus Geldmangel erscheint sie allerdings nur drei Mal pro Woche. Oberster Grundsatz des Blattes ist Unabhängigkeit.

    Am 16. Dezember 2004 feierte die Redaktion ihr 13-jähriges Bestehen. Für den Herausgeber Deyda Hydara war die Zahl 13 kein gutes Ohmen:

    " Gegen neun Uhr abends brachen alle auf. Deyda nahm zwei Angestellte in seinem Auto mit. Zunächst sollte auch Pap Saine einsteigen, sein Freund und Kollege, aber dann entschied er sich anders. Deyda fuhr los. Ungefähr zehn Minuten später, in einer dunklen Vorortstraße von Banjul, überholte ihn ein Taxi. Ein Passagier feuerte Schüsse ab. Eine Kugel traf Deydas Kopf, die andere genau sein Herz. Eine dritte Kugel durchbohrte die Wagentür und schlug im Knie der einen Mitarbeiterin ein. Deyda war auf der Stelle tot…"

    …resümiert Leonard Vincent von der französischen Menschenrechtsorganisation "Reporter ohne Grenzen" die tragischen Ereignisse an jenem Abend.

    Gambia ist ein Zwergstaat, eine schmale Enklave im Senegal. Das verarmte Land wird seit 1994 vom Militär-Leutnant Yahya Jammeh regiert.

    Die wenigen Straßen der Hauptstadt überzieht ein Netz von Kontrollpunkten. Der Mord ereignete sich nur wenige Meter von einer Polizeikaserne entfernt. Dennoch dauerte es über eine Stunde, bis Hilfe kam. Und die Mörder konnten unerkannt entkommen.

    Zuerst übernahm die Polizei die Ermittlungen, dann der übermächtige Geheimdienst. Ergebnisse gibt es nicht, sagt der Mitbegründer der Zeitung Pap Saine:

    "Es herrscht Stillstand. Im Juni hat der Geheimdienst einen Zwischenbericht veröffentlicht und seither ist nichts passiert. Ich kann niemanden öffentlich beschuldigen, aber wir wissen genau, dass Hydara von Feinden der Presse ermordet wurde. "

    Leonard Vincent war zwei Mal in Gambia, um die Umstände des Journalistenmords zu erhellen. Mit viel Mühe und Überzeugungsarbeit ist es ihm gelungen, Zeugen zum Sprechen zu bringen. Dabei hat er Ungereimtheiten entdeckt.

    "Der Geheimdienst NIA ermittelt nicht ernsthaft, und das hat einen Grund: Es gibt etwas zu verbergen. Bei meiner zweiten Mission, sechs Monate nach dem Mord, habe ich erfahren, dass Deyda am Abend seines Todes vom Geheimdienst bespitzelt wurde. Als er die Redaktion verließ, also höchstens eine Viertel Stunde vor dem Mord, wurde er von Agenten beschattet und verfolgt. "

    Der 58-jährige Hydara war einer der einflussreichsten Journalisten des Landes. Beliebt und gefürchtet waren vor allem seine Chroniken. Unter dem ironischen Titel "Good Morning, Mister President" erlaubte er es sich, den Staatspräsidenten zu kritisieren und ihm Ratschläge zu erteilen. Eine andere Kolumne mit der Überschrift "Der Biss" prangerte gesellschaftliche Missstände an. Sein Weggefährte Pap Saine leitet die Zeitung jetzt allein:

    " Es ist schwierig, in Gambia Journalist zu sein. Erst vor einer Woche wurde eine meiner Journalistinnen angegriffen. Sie liegt im Krankenhaus. Drei Unbekannte waren zu ihr nach Hause gegangen und hatten sie aufgefordert, zu einer dringenden Sitzung in die Redaktion zu kommen. Weil sie ganz neu im Beruf ist, hat sie das geglaubt. Kaum war sie auf der Straße, wurde sie bewusstlos geschlagen. Wenn man in Gambia für die unabhängige Presse arbeitet, muss man um sein Leben fürchten. "

    Die neuen Pressegesetze des Landes machen die Arbeit des Journalisten schier unmöglich, sagt Leonard Vincent:

    " Es drohen schwere Gefängnisstrafen. Darüber hinaus müssen die Herausgeber ihr Vermögen als Pfand für etwaige Strafen oder Verurteilungen hinterlegen. Angenommen, "The Point" würde für Diffamierung verurteilt – dann käme Pap Saine ins Gefängnis, außerdem könnte man sein Haus beschlagnahmen und seine Familie auf die Straße setzen. "

    Pap Saine bedauert, dass die Staatengemeinschaft das Klima von Gewalt und Einschüchterung in seinem Land ignoriert. Nach dem Mord an Hydara musste er seine Mitarbeiter erst einmal überzeugen, die Arbeit fortzusetzen. Trotz aller Gefahren gibt er sich zuversichtlich.

    " Es geht wieder besser. Die Zeitung liegt in Führung, weil sie objektiver ist als alle anderen. Die Bevölkerung von Gambia steht hinter unserer Zeitung."