"Das zeigt sich darin, dass ein Krippenberg erst mal vorhanden ist. Also schwäbische Krippen haben sehr oft einen Bergaufbau, sozusagen, mit verschiedenen Grotten und Höhlen, wo verschiedene Szenen gleichzeitig reingesetzt worden sind. Und das sehen wir hier alles vereinigt in einem einzigen Krippenberg, also unten die Geburt, oben dann schon die Kreuzigung, auf der linken Seite der auferstandene Heiland, was eine Besonderheit ist. Das nennt man dann Simultankrippen; Das ist eine sehr wesentliche Spezialität der schwäbischen Krippe, dass man verschiedene Szenen gleichzeitig sofort in diese Krippenlandschaft setzt und nicht etwa wechselt, wie das bei den anderen bayerischen Landschaften durchaus der Fall ist."
Einige Schritte weiter, fällt mir eine bekannte Darstellung aus der Bibel auf. Jesus steht im Tempel. Es ist einer der wenigen Ausschnitte die aus seiner Kindheit überliefert wurden. Als 12-Jähriger führt er einen Disput mit den jüdischen Gelehrten, so scheint es zu mindest auf den ersten Blick. Doch auf dem Lesepult blickt er nicht wie erwartet in die jüdische Tora. Jesus hat ein gebundenes Buch vor sich. Frau Thierbach macht mich auf den Hintergrund dieser, man könnte sagen etwas zweckentfremdeten Krippe aus dem 19. Jahrhundert aufmerksam:
"Diese Krippe hat hier noch eine Besonderheit, denn die Schriftgelehrten sind als evangelische Geistliche dargestellt worden und einen können wir sogar zuordnen. Das ist einer rechts vorne mit einem Wachskopf und echten Glasaugen, das ist etwas sehr besonderes, und der ist als Galileo Galilei bezeichnet, also der diskutiert mit Jesus im Tempel. Das ist eine sehr interessante Geschichte, vor allem wenn man weiß, dass die Krippe von den Dominikanern kommt, die ja durchaus die Häretiker sehr bekämpft haben, hat das natürlich schon so eine gewisse Intention wenn Christus mit den evangelischen diskutiert; das heißt er vermittelt die rechte, katholische Lehre und muss den anderen erklären, dass sie eigentlich einem Irrglauben unterliegen. Also das ist so die Idee, die hinter dieser Krippe steht."
Auch in der Krippe einer Kunsthandwerkerin aus dem bayerischen Wald finden sich Figuren, die ihre Vorbilder nicht allein in der Bibel hatten. Die mit Watte gefüllten, genähten Figuren sind Porträts von Personen und Persönlichkeiten aus dem 20. Jahrhundert, die die Künstlerin Maria Pscheidl-Krystek besonders interessant oder sympathisch fand. Darunter auch einige Prominente:
"Wir haben hier Johannes Paul II, Alfons Goppel, Franz Josef Strauß, die beiden bayerischen Ministerpräsidenten und sehr viel Volk, das in Regen, wo die Künstlerin ansässig war, zu gegen war, präsent war. Es ist auch eine sehr sehr feinteilige Arbeit, denn diese Dame im Vordergrund die einen Korb an ihrem Handgelenk trägt, da haben wir reingeguckt, da ist sogar noch ein Brillenetui drin, aus Stoff modelliert, die Brille ist ein Drahtgeflecht, das stoffumwickelt ist. Also bis ins Kleinste, das der normale Betrachter gar nicht sehen kann, ist die Krippe durchgearbeitet und durchmodelliert worden und das finde ich schon eine große Besonderheit, eine starke Leistung."
Aus den angenehm beheizten Museumsräumen, gehe ich jetzt durch die schwere Eisenpforte ein paar Stufen hinunter in den kalten Kreuzgang des Doms. Gretl Reitmayer vom Verein der Krippenfreunde hat sich bereiterklärt, mich durch diese Ausstellung zu führen und wartet in ihrer raschelnden Winterjacke auf mich. Der größte Teil der Exponate hier stammt von zeitgenössischen Krippenbauern. Auch Gretl Reitmayer stellt ihre eigenen Krippen aus; eine davon aus Ton modelliert, voller Symbolik und mit unzähligen Figuren bestückt. Dabei hat sie ursprünglich ganz klein angefangen:
"Ich wollte eigentlich nur eine Darstellung und das waren die Weisen in der Wüste. Ich habe nur die Könige gehabt und die Kamele und den Stern, da sie einfach dem Stern folgen, aber das war dann eine Szene, die direkt danach verlangt hat, dass man auch Maria und Josef, eigentlich die hauptsächliche Krippe macht und irgendwann sind halt Maria und Josef entstanden und dann hat man ausgebaut, dann hat man einen Hintergrund gebraucht und so ist das langsam gewachsen, immer wieder eine Figur. Wenn gerade wieder Zeit war, hat man wieder eine Figur gemacht und dann die Hirtenverkündigung und den Engel und eines Tages hat man halt die ganze Krippe gehabt."
In ihrer Krippe stehen zwölf Türme für die Stämme Israels, die siebenarmige jüdische Menora hat sie aufgenommen und möchte sie als die sieben Gaben des heiligen Geistes verstanden wissen. Eine Eule, die ja gemeinhin als Symbol der Weisheit bekannt ist, hat Gretl Reitmayer weit hinten am Rand platziert. Weil sie als lichtscheuer Vogel das Licht des Herrn fürchtet, steht die Eule hier für die Unbekehrten. Natürlich dürfen auch die Weisen aus dem Morgenland nicht fehlen. Typischerweise kennt man sie als die Heiligen Drei Könige. Doch ebenfalls ganz am Rand, von der Ausstellungsbox verdeckt und deshalb nicht sofort zu sehen, steht ein vierter König. Artaban kam zu spät nach Jerusalem. Einer Legende nach, weil er sich nicht von den mitgebrachten Schätzen trennen wollte und immer wieder anhielt um sie zu betrachten. Doch Gretl Reitmayer weiß von einer anderen Version zu erzählen:
"Da gibt's ja auch die besonders schöne Legende von dem russischen König, der von zu Hause die Gaben mitbekam, den Honig und die Leinwand und das Gold oder das Geld, das er unterwegs immer an die Armen verteilt hat. Als er gar nichts mehr hatte, hat er eine arme Frau getroffen - da war er dann schon am Mittelmeer - die sehr betrübt war, weil ihr Mann gestorben war, der Galeerenhäftling war und jetzt hätte sie ihren Sohn, ihren kleinen Sohn austauschen sollen und dafür ist der vierte König eingesprungen und hat dreißig Jahre den Dienst versehen und kam gerade noch zur rechten Zeit nach der Kreuzigung nach Jerusalem."
Zum Abschluss führt mich Gretl Reitmayer zu einer Krippe, die so wohl nur in Augsburg stehen kann. Im Vordergrund ist die Geburt Jesu und die Anbetung durch die drei Weisen zu sehen. Modelliert wurden die Figuren vor etwa 30 Jahren aus Fimo-Masse. Im Hintergrund greift die Krippe eine alte Tradition auf. Auf einem Berg steht das Himmlische Jerusalem aus der Geheimen Offenbarung des Johannes. Ulrich Reitmayer hat die Architektur als Abbild seiner Heimatstadt Augsburg gestaltet.
"Man sieht die Stadt vom Süden her. Man muss sich jetzt vorstellen, da ist die Stadtmauer und da sind alle Augsburger Tore, die es heute noch gibt, das Rote Tor, das Vogeltor, das Jakobertor, der Fünffingerlesturm und das Wertachbrucker Tor, dann die verschiedenen Häuschen mit ihren schönen Giebeln und im Hintergrund die Kirchen, die Ulrichskirche, das Rathaus mit dem Perlachturm und der Dom - also die Heimatliebe war halt so groß, ein gebürtiger Augsburger, hat halt seine Vaterstadt als jenseitiges Jerusalem als Heilige Stadt gebaut."
Einige Schritte weiter, fällt mir eine bekannte Darstellung aus der Bibel auf. Jesus steht im Tempel. Es ist einer der wenigen Ausschnitte die aus seiner Kindheit überliefert wurden. Als 12-Jähriger führt er einen Disput mit den jüdischen Gelehrten, so scheint es zu mindest auf den ersten Blick. Doch auf dem Lesepult blickt er nicht wie erwartet in die jüdische Tora. Jesus hat ein gebundenes Buch vor sich. Frau Thierbach macht mich auf den Hintergrund dieser, man könnte sagen etwas zweckentfremdeten Krippe aus dem 19. Jahrhundert aufmerksam:
"Diese Krippe hat hier noch eine Besonderheit, denn die Schriftgelehrten sind als evangelische Geistliche dargestellt worden und einen können wir sogar zuordnen. Das ist einer rechts vorne mit einem Wachskopf und echten Glasaugen, das ist etwas sehr besonderes, und der ist als Galileo Galilei bezeichnet, also der diskutiert mit Jesus im Tempel. Das ist eine sehr interessante Geschichte, vor allem wenn man weiß, dass die Krippe von den Dominikanern kommt, die ja durchaus die Häretiker sehr bekämpft haben, hat das natürlich schon so eine gewisse Intention wenn Christus mit den evangelischen diskutiert; das heißt er vermittelt die rechte, katholische Lehre und muss den anderen erklären, dass sie eigentlich einem Irrglauben unterliegen. Also das ist so die Idee, die hinter dieser Krippe steht."
Auch in der Krippe einer Kunsthandwerkerin aus dem bayerischen Wald finden sich Figuren, die ihre Vorbilder nicht allein in der Bibel hatten. Die mit Watte gefüllten, genähten Figuren sind Porträts von Personen und Persönlichkeiten aus dem 20. Jahrhundert, die die Künstlerin Maria Pscheidl-Krystek besonders interessant oder sympathisch fand. Darunter auch einige Prominente:
"Wir haben hier Johannes Paul II, Alfons Goppel, Franz Josef Strauß, die beiden bayerischen Ministerpräsidenten und sehr viel Volk, das in Regen, wo die Künstlerin ansässig war, zu gegen war, präsent war. Es ist auch eine sehr sehr feinteilige Arbeit, denn diese Dame im Vordergrund die einen Korb an ihrem Handgelenk trägt, da haben wir reingeguckt, da ist sogar noch ein Brillenetui drin, aus Stoff modelliert, die Brille ist ein Drahtgeflecht, das stoffumwickelt ist. Also bis ins Kleinste, das der normale Betrachter gar nicht sehen kann, ist die Krippe durchgearbeitet und durchmodelliert worden und das finde ich schon eine große Besonderheit, eine starke Leistung."
Aus den angenehm beheizten Museumsräumen, gehe ich jetzt durch die schwere Eisenpforte ein paar Stufen hinunter in den kalten Kreuzgang des Doms. Gretl Reitmayer vom Verein der Krippenfreunde hat sich bereiterklärt, mich durch diese Ausstellung zu führen und wartet in ihrer raschelnden Winterjacke auf mich. Der größte Teil der Exponate hier stammt von zeitgenössischen Krippenbauern. Auch Gretl Reitmayer stellt ihre eigenen Krippen aus; eine davon aus Ton modelliert, voller Symbolik und mit unzähligen Figuren bestückt. Dabei hat sie ursprünglich ganz klein angefangen:
"Ich wollte eigentlich nur eine Darstellung und das waren die Weisen in der Wüste. Ich habe nur die Könige gehabt und die Kamele und den Stern, da sie einfach dem Stern folgen, aber das war dann eine Szene, die direkt danach verlangt hat, dass man auch Maria und Josef, eigentlich die hauptsächliche Krippe macht und irgendwann sind halt Maria und Josef entstanden und dann hat man ausgebaut, dann hat man einen Hintergrund gebraucht und so ist das langsam gewachsen, immer wieder eine Figur. Wenn gerade wieder Zeit war, hat man wieder eine Figur gemacht und dann die Hirtenverkündigung und den Engel und eines Tages hat man halt die ganze Krippe gehabt."
In ihrer Krippe stehen zwölf Türme für die Stämme Israels, die siebenarmige jüdische Menora hat sie aufgenommen und möchte sie als die sieben Gaben des heiligen Geistes verstanden wissen. Eine Eule, die ja gemeinhin als Symbol der Weisheit bekannt ist, hat Gretl Reitmayer weit hinten am Rand platziert. Weil sie als lichtscheuer Vogel das Licht des Herrn fürchtet, steht die Eule hier für die Unbekehrten. Natürlich dürfen auch die Weisen aus dem Morgenland nicht fehlen. Typischerweise kennt man sie als die Heiligen Drei Könige. Doch ebenfalls ganz am Rand, von der Ausstellungsbox verdeckt und deshalb nicht sofort zu sehen, steht ein vierter König. Artaban kam zu spät nach Jerusalem. Einer Legende nach, weil er sich nicht von den mitgebrachten Schätzen trennen wollte und immer wieder anhielt um sie zu betrachten. Doch Gretl Reitmayer weiß von einer anderen Version zu erzählen:
"Da gibt's ja auch die besonders schöne Legende von dem russischen König, der von zu Hause die Gaben mitbekam, den Honig und die Leinwand und das Gold oder das Geld, das er unterwegs immer an die Armen verteilt hat. Als er gar nichts mehr hatte, hat er eine arme Frau getroffen - da war er dann schon am Mittelmeer - die sehr betrübt war, weil ihr Mann gestorben war, der Galeerenhäftling war und jetzt hätte sie ihren Sohn, ihren kleinen Sohn austauschen sollen und dafür ist der vierte König eingesprungen und hat dreißig Jahre den Dienst versehen und kam gerade noch zur rechten Zeit nach der Kreuzigung nach Jerusalem."
Zum Abschluss führt mich Gretl Reitmayer zu einer Krippe, die so wohl nur in Augsburg stehen kann. Im Vordergrund ist die Geburt Jesu und die Anbetung durch die drei Weisen zu sehen. Modelliert wurden die Figuren vor etwa 30 Jahren aus Fimo-Masse. Im Hintergrund greift die Krippe eine alte Tradition auf. Auf einem Berg steht das Himmlische Jerusalem aus der Geheimen Offenbarung des Johannes. Ulrich Reitmayer hat die Architektur als Abbild seiner Heimatstadt Augsburg gestaltet.
"Man sieht die Stadt vom Süden her. Man muss sich jetzt vorstellen, da ist die Stadtmauer und da sind alle Augsburger Tore, die es heute noch gibt, das Rote Tor, das Vogeltor, das Jakobertor, der Fünffingerlesturm und das Wertachbrucker Tor, dann die verschiedenen Häuschen mit ihren schönen Giebeln und im Hintergrund die Kirchen, die Ulrichskirche, das Rathaus mit dem Perlachturm und der Dom - also die Heimatliebe war halt so groß, ein gebürtiger Augsburger, hat halt seine Vaterstadt als jenseitiges Jerusalem als Heilige Stadt gebaut."