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Vom Mauerfall in die Zukunft

Modeselektor und Apparat heißen zwei Berliner Techno-Projekte, die sich 2002 zusammengeschlossen und die musikalische Ehegemeinschaft sinnigerweise Moderat getauft haben. Das zweite Album blickt vor allem in die Zukunft der elektronischen Musik.

Von Dennis Kastrup |
    Sebastian Szary lernte Techno kennen, als diese Musik noch in den Kinderschuhen steckte. Er war dabei, als sich Anfang der 1990er-Jahre die neuen Beats aus Detroit in den verlassenen Ruinen der ehemaligen DDR breitmachten. Ostberlin war ein hedonistisches Schlaraffenland.

    "Das war halt einfach früher anders. Aber früher gab es auch ganz andere Regelungen. Das ist natürlich heutzutage schwierig, hier zum Beispiel in Berlin jetzt zu sagen: 'Ey, heute Abend im Tunnel drüben unter der Brücke machen wir eine Party.' Aber wahrscheinlich muss man es einfach machen. Ich würde sagen, dass Berlin noch ein perfektes Pflaster dafür ist, um solche Sachen durchzuziehen, Stichwort illegal. Aber es ist schon alles ziemlich glatt gebügelt."

    Wer über das Kollektiv Moderat spricht, muss auch immer die Vergangenheit miteinbeziehen. Die Einzelteile Modeselektor und Apparat haben die Geschichte der elektronischen Musik miterlebt und mitgestaltet. Das neue Album "Moderat II" hat die brummenden Bässe und die ziehenden Dubstep-Rhythmen nun in Anzug und Krawatte gepackt. Adrett, selbstbewusst und nachdenklich stehen die drei Mitglieder in diesem Outfit über den Dingen. Die Ambientklänge in den Stücken sorgen für einen ruhigen Puls. Laut war gestern.
    "Viele machen halt den Fehler, ich nenn das mal wirklich Fehler, die hauen einfach auf ihre Produktionen, wenn sie produzieren, total viel Lautmacher auf den Master rauf und eigentlich bleibt wenig von der Musikdynamik übrig."

    So schleicht sich das neue Album langsam heran. Das erste Stück ist ein altes Soundfragment von dem Album davor, also ein Übergang. Im Fußball gibt es den schönen Ausdruck "Aus der Tiefe des Raumes kommen!". Das gilt auch für die Musik von Moderat. Die Songs öffnen sich aus der Tiefe heraus. Die Produktion erdrückt die Songs nicht, sondern lässt ihnen den Freiraum zur Entfaltung. Auch der feinfühlige Gesang von Sascha Ring ist ein Grund dafür. Im Gegensatz zum Vorgängeralbum haben sich Moderat dieses Mal keine weiteren Gastmusiker dazu geholt. Es sind ganz alleine ihre Songs.

    "Die Gewichtung zwischen Songwriter und Produzenten würde ich so ganz Stulle als 50/50 bezeichnen, weil letztendlich sind wir drei Produzenten im Studio, völlig losgelöst von unseren eigenen Projekten. Also es ist nicht Modeselektor featuring Apparat, sondern es ist Gernot, Sascha, Szary. Wir sind halt drei Produzenten. Ich glaube auch, dass Sascha und ich uns ziemlich viel Popmusik reinziehen. Gernot ist mehr so ein DJ-orientierter Mensch. Und so ist das Album letztendlich sehr 'songig' geworden."

    Abgesehen von dem zehnminütigen Stück "Milk", pendeln sich die Stücke um die fünf Minuten ein. In dieser Zeit findet sich auch Platz für Geschichten. Die Texte rücken also in den Vordergrund. Zusammen mit der Musik malen sie oft ein melancholisches Bild, wie zum Beispiel in "Damage Done".

    Die Gestaltung des Covers übernahm, wie auf dem ersten Album, der Berliner Produzent Siriusmo. Sein Stil erinnert an den Pop-Art-Künstler Roy Lichtenstein. Er hat auch bei dem comicartigen Video zu "Bad Kingdom" mitgeholfen. Eine Geschichte über Kolonialisierung und Korruption. Genauso wichtig ist die Bühnenshow. Die Zeiten, in denen Musiker nur mit einem Laptop auf der Bühne standen, sind eh lange vorbei. Für Moderat gestaltet das befreundete Designerbüro "Pfadfinderei" die Projektionen hinter dem Trio.

    "Die Musik und das Video sind sozusagen zwei Acts in einem. Das ist nicht einfach nur eine Tapete, die im Hintergrund abläuft, sondern das ist auch ein Storytelling. Dazu kommt natürlich auch Licht. Das ist auf jeden Fall unsere Corporate Identity bezogen auf Live und natürlich seit fast zehn Jahren haben wir diesen Affen bei Modeselektor als Tier. Wir haben schon oft überlegt, diesen wegzurationalisieren, warum auch immer, aber es kommen immer wieder Ideen. Das ist unglaublich."

    "Moderat II" ist die logische und intelligente Weiterführung der elektronischen Musik. Namen wie DJ Koze oder auch Jon Hopkins gehören in dieselbe Kategorie. Die Beats der Party davor wummern zwar noch nach, aber sie sind eben leiser und filigraner geworden. Die Rollen haben sich also verändert.
    "Wenn meine Mutter darauf angesprochen wird: 'Sag mal, was macht denn dein Sohn eigentlich?' 'Na der macht Musik, der macht so Techno!' 'Ah, [macht Beats nach], so DJ, ne?' 'Nee, nee. Das ist so ganz anders!' Der Begriff hat sich ja auch total gewandelt. Wir würden uns ja auch nicht als reine Technoband bezeichnen. Wir sind eine elektronische Band, die total viele Einflüsse hat. Ich glaube, das wird sich stetig weiter entwickeln. Das macht diese Musik so interessant."