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Vom Meereswurm abgekupfert

Technik. - Immer mehr Ingenieure holen sich bei der Natur Anregungen für ihre Forschungen. Ein australischer Physiker untersuchte jetzt Haare eines Meereswurms auf ihr Potential für die Glasfaserkommunikation. Seine Entdeckungen publizierte er in der jüngsten Ausgabe des Wissenschaftsjournals "Nature".

    Die Seemaus ist ein rund 15 Zentimeter langer Wurm, dessen Körper mit bunt schillernden Haaren bedeckt ist. Was den theoretischen Physiker Ross McPhedran aus Sydney an dem Tier interessiert, ist die Art, wie es zu seinen leuchtend bunten Haaren kommt. "In der Natur werden Farben auf zwei verschiedene Weisen erzeugt: zum einen durch Pigmente, zum anderen durch gewisse Strukturen, die für Farbe sorgen", erklärt er. Die Seemaus gewinnt ihr irisierendes Aussehen mit der zweiten Methode, und das ist der Grund für McPhedrans Untersuchungen. Unter dem Elektronenmikroskop zeigt sich, dass die Haare der Seemaus eine regelmäßige Struktur wie Honigwaben haben. Die Größe der Waben entspricht der Wellenlänge des Lichts. "Dadurch können die Haare das Licht sehr stark streuen, die Streuung hängt von der Farbe des einfallenden Lichtes ab", so der Physiker. Senkrecht auf das Haar fallendes Licht wird rot reflektiert, Licht mit einem anderen Einfallswinkel grün oder blau. Wird das Haar bewegt, schillert es also in den unterschiedlichsten Farben.

    Dem Australier gelang es sogar, die Struktur, die für den irisierenden Effekt verantwortlich ist, nachzubauen. Ein Stapel aus 500 optischen Gittern erzeugte das gleiche Farbenspiel. Warum die Seemaus so mit Farbeffekten spielt, ist unbekannt, aber möglicherweise hat der Mensch bald Verwendung für ihren Trick. "Genau die Struktur, die die Seemaus vor Millionen Jahren entwickelte, wird gerade für die Glasfaserkommunikation untersucht", erklärt McPhedran. In derzeitigen Glasfasern wird die als Informationsträger dienende Lichtwelle durch zusätzliche Elemente eingeschlossen, die die Lichtbrechung der Faser erhöhen. "Die Seemaus hält das Licht in den Waben ihrer Haare gefangen, und es sieht so aus, als ob diese neue, oder besser sehr alte Methode neue Dimensionen für die Glasfaserkommunikation eröffnet", betont der Physiker. Derzeit sind Glasfasern nach Art des Seemaus-Haars allerdings noch zu teuer in der Herstellung.

    [Quellen: Frank Grotelüschen, Ross McPhedran]