Am späten Nachmittag des 18. Oktober 1813 war alles klar: Die Armeen Preußens, Österreichs und Russlands hatten die Armee Napoleons geschlagen. Die Nachricht übermittelte der österreichische Heerführer Fürst Schwarzenberg dem russischen Zaren und dem preußischen König. Sein eigener Kaiser hatte bereits wenige Stunden zuvor das Schlachtfeld verlassen. Doch im Gemälde, das im Zentrum der Ausstellung des Deutschen Historischen Museums steht, fehlt er nicht – durfte nicht fehlen, sagt Kuratorin Dorlis Blume.
"Die erste Fassung des Gemäldes "Siegesmeldung nach der Schlacht bei Leipzig" von Johann Peter Krafft wurde in Österreich in Auftrag gegeben von den niederösterreichischen Ständen. Es galt, fürs Invalidenhaus des österreichischen Militärs in Wien, für die Ruhmeshalle ein Monumentalgemälde zu schaffen."
Bald sieben Meter lang und mehr als vier Meter hoch ist dieses erste Gemälde von 1817. Die Fassung der "Siegesmeldung", die in Berlin gezeigt wird, ist nicht halb so groß und stammt aus dem Jahre 1839. Mit den Jahren hat sich einiges im Bild geändert.
"Was sehr deutlich wird, ist, dass die ersten Versionen sehr viel drastischer waren, was die Kriegs- und Schlachtendarstellung anbelangt, denn da sind zentral im Bild zu sehen gefallene französische Soldaten. Das rückte immer mehr in den Hintergrund. Und ein zweites interessantes Detail ist: In der ersten Fassung sind die drei Monarchen, die zentral im Bild zu sehen sind, noch eingehakt, also sehr brüderlich vereint, und mit jeder Fassung treten sie mehr auseinander und werden eigenständiger dargestellt."
Nicht anders verlief die Geschichte. Aus dem "heiligen Augenblick" des Sieges erwuchs zwei Jahre später die "Heilige Allianz" der Herrscher: ein Bündnis, das jedem Staat Autonomie wie Beistand zusicherte, das zugleich aber die Hoffnung vieler Teilnehmer an der Völkerschlacht auf freie Nationalstaaten zunichtemachte. Die Französische Revolution sollte sich nie wiederholen! Und dennoch, so Sven Lüken, Leiter der Militaria-Sammlung des Deutschen Historischen Museums, dennoch habe die Völkerschlacht nachhaltige Spuren in der Gesellschaft hinterlassen.
"Die allgemeine Wehrpflicht ist damals eingeführt worden in Preußen, und damit in Deutschland das erste Mal. Das war ja bis vor Kurzem auch so, dass der Soldatenstand zu den angesehenen Ständen im Land gehörte – das ist damals auch neu gewesen. Dass die gesamte Bevölkerung aufstand und teilnahm am Staat, das war auch neu. Alle Schichten der Bevölkerung, auch Frauen, die das erste Mal als politisch Handelnde [sind] aufgetaucht in Deutschland – das sind alles Dinge, die dort erstmals waren, die bis heute so sind, also geblieben sind."
Doch darum geht es in dem Auftragsgemälde der Siegesmeldung nicht. Für Dorlis Blume und Kollegen war dieser Mangel Anreiz und Herausforderung.
"Das Interessanteste an diesem Gemälde finde ich, dass nicht nur die realistische Darstellung der Zeit und der Völkerschlacht erscheint, sondern dass man auch erkennt, wie Gemälde und Bilder instrumentalisiert werden. Hier wird eine politische Idee inszeniert und im Nachhinein der Geschichte übergestülpt. Das ist eigentlich das, was wir mitgeben wollen, gerade jüngeren Besuchern. Dass man Gemälde immer genau anschauen muss, um zu verstehen: Was ist eigentlich damit gemeint?, und eine Szene nie so hinnehmen darf, wie sie dargestellt ist."
Um das zu erleichtern, wurde das Gemälde nach Themen zerpflückt: Wer hat es gemalt? Wen hat er porträtiert? Wo fand die Schlacht statt? Alles weitere – Napoleon und die Befreiungskriege, Eisernes Kreuz und Waffen, Skizzen vom Sterben der einfachen Soldaten und Denkmalsentwürfe für die Herrscher – all das wurde rings um die Gemäldeausschnitte platziert. Das Denkmal der Völkerschlacht schlechthin ist kein Thema der Ausstellung. Geschaffen vor einem Jahrhundert, ragt der wuchtige Bau 91 Meter hoch über Leipzig und einstigem Schlachtfeld. Im kleinen Denkmalsmuseum nebenan, das Steffen Poser leitet, hängt eine Miniatur-Variante jener Siegesmeldung. Eines von mehreren kleinformatigen, goldgerahmten Gemälden.
"Man sieht immer viel Getümmel, viel Gewimmel. Aber es zeigt natürlich das, was wir aus den Berichten kennen, also dieses abschreckende Antlitz des Krieges, in keiner Weise. Das ist das, was der Bildungsbürger sich zu Hause aufhing und was man mit vielen Toten und vielem Kriegsgräuel eher nicht in der Wohnung haben wollte."
Doch auch in dieser Ausstellung finden sich einige Zeugnisse vom Leid: Skizzen, die Augenzeugen festgehalten haben aus eigenem Antrieb. Aufträge wurden daraus nicht. Und auch jene Berichte, die Steffen Poser erwähnte, entstanden unverklärt nach der Schlacht. Eine weite Verbreitung fanden auch sie nicht. Ganz anders die Schriften eines Theodor Körners oder Ernst Moritz Arndts: flammende Appelle, die durchaus Brand stiften sollten – gegen Napoleon, gegen die Franzosen. Die Autoren waren schillernde, widersprüchliche Persönlichkeiten.
"Gerade bei Arndt ist es ja zum Beispiel so, dass wir es zum einen mit jemandem zu tun haben, der sich ganz glühend gegen die Leibeigenschaft eingesetzt hat, und auf der anderen Seite ein Mann, der so durchdrungen von Franzosenhass gewesen ist, dass es einen wirklich schaudert und man sich fragt: Was ist in so einem Mann vorgegangen?"
Der Frage widmet sich die Sonderausstellung "Helden nach Maß", die in zehn Tagen in Leipzig eröffnet wird. In der ständigen Ausstellung verbleiben die Kuriositäten, die Zeugnisse der verklärten Erinnerung an die Schlacht: Sammeltassen mit den drei knieenden Monarchen, wie sie Gott für den Sieg danken. Oder ein kleines Brötchen, angeblich gebacken in der Siegesnacht. Stücke, die heute Antworten geben auf Fragen wie:
"Was hat man denn damals gesammelt? Was erschien den Leuten vor hundert, hundertfünfzig Jahren wichtig? Was, meinten sie, würde später mal die Geschichte einer Schlacht erzählen? Und wenn man sich heute solche Dinge anschaut, dann stellt man allzu oft fest: Sie erzählen eigentlich gar nichts."
Das hat auch Yadegar Asisi festgestellt. Er ist der Gestalter von Riesenpanoramen wie dem antiken Rom oder Pergamon. Nun hat er ein Bild vom "Leipzig 1813" entworfen, vom Letzten dieser vier umkämpften Tage. Der Betrachter schaut von der Thomaskirche herab auf eine Stadt im Chaos. Rund 500.000 Menschen hatten ringsum gekämpft, etwa 90.000 Tote gab es. Wer nicht auf dem Schlachtfeld verreckt ist, wurde in Leipzig behandelt.
"Als ich hier anfing, hat man mir gesagt: Mensch, Völkerschlacht musst du machen! Da hab ich gesagt: Mich interessiert das nicht, weil ich immer diese Schlachtengemälde, also Panoramen vor mir hatte, die überhaupt keine Wirkung auf mich hatten. Und dann – es ist fünf-sechs Jahre her – hatte ich auf einmal den Gedanken: Man müsste eigentlich die Schlacht von der Stadt aus betrachten, wo es gar keine Schlacht mehr ist. Ich glaube, der Krieg ist immer dann am grausamsten, wenn er vorbei ist, weil – dann sieht man eigentlich, was los ist. Der Krieg selber, heute – ich habe damals ein bisschen den Krieg in Teheran mitgekriegt, den Iran-Irak-Krieg – wenn man da von Weitem guckt, dann sieht das ja aus wie Feuerwerk. Erst kurz danach merkt man auf einmal, was eigentlich passiert ist. Alles ist vorbei, aber das Elend ist auf einmal da."
"Die erste Fassung des Gemäldes "Siegesmeldung nach der Schlacht bei Leipzig" von Johann Peter Krafft wurde in Österreich in Auftrag gegeben von den niederösterreichischen Ständen. Es galt, fürs Invalidenhaus des österreichischen Militärs in Wien, für die Ruhmeshalle ein Monumentalgemälde zu schaffen."
Bald sieben Meter lang und mehr als vier Meter hoch ist dieses erste Gemälde von 1817. Die Fassung der "Siegesmeldung", die in Berlin gezeigt wird, ist nicht halb so groß und stammt aus dem Jahre 1839. Mit den Jahren hat sich einiges im Bild geändert.
"Was sehr deutlich wird, ist, dass die ersten Versionen sehr viel drastischer waren, was die Kriegs- und Schlachtendarstellung anbelangt, denn da sind zentral im Bild zu sehen gefallene französische Soldaten. Das rückte immer mehr in den Hintergrund. Und ein zweites interessantes Detail ist: In der ersten Fassung sind die drei Monarchen, die zentral im Bild zu sehen sind, noch eingehakt, also sehr brüderlich vereint, und mit jeder Fassung treten sie mehr auseinander und werden eigenständiger dargestellt."
Nicht anders verlief die Geschichte. Aus dem "heiligen Augenblick" des Sieges erwuchs zwei Jahre später die "Heilige Allianz" der Herrscher: ein Bündnis, das jedem Staat Autonomie wie Beistand zusicherte, das zugleich aber die Hoffnung vieler Teilnehmer an der Völkerschlacht auf freie Nationalstaaten zunichtemachte. Die Französische Revolution sollte sich nie wiederholen! Und dennoch, so Sven Lüken, Leiter der Militaria-Sammlung des Deutschen Historischen Museums, dennoch habe die Völkerschlacht nachhaltige Spuren in der Gesellschaft hinterlassen.
"Die allgemeine Wehrpflicht ist damals eingeführt worden in Preußen, und damit in Deutschland das erste Mal. Das war ja bis vor Kurzem auch so, dass der Soldatenstand zu den angesehenen Ständen im Land gehörte – das ist damals auch neu gewesen. Dass die gesamte Bevölkerung aufstand und teilnahm am Staat, das war auch neu. Alle Schichten der Bevölkerung, auch Frauen, die das erste Mal als politisch Handelnde [sind] aufgetaucht in Deutschland – das sind alles Dinge, die dort erstmals waren, die bis heute so sind, also geblieben sind."
Doch darum geht es in dem Auftragsgemälde der Siegesmeldung nicht. Für Dorlis Blume und Kollegen war dieser Mangel Anreiz und Herausforderung.
"Das Interessanteste an diesem Gemälde finde ich, dass nicht nur die realistische Darstellung der Zeit und der Völkerschlacht erscheint, sondern dass man auch erkennt, wie Gemälde und Bilder instrumentalisiert werden. Hier wird eine politische Idee inszeniert und im Nachhinein der Geschichte übergestülpt. Das ist eigentlich das, was wir mitgeben wollen, gerade jüngeren Besuchern. Dass man Gemälde immer genau anschauen muss, um zu verstehen: Was ist eigentlich damit gemeint?, und eine Szene nie so hinnehmen darf, wie sie dargestellt ist."
Um das zu erleichtern, wurde das Gemälde nach Themen zerpflückt: Wer hat es gemalt? Wen hat er porträtiert? Wo fand die Schlacht statt? Alles weitere – Napoleon und die Befreiungskriege, Eisernes Kreuz und Waffen, Skizzen vom Sterben der einfachen Soldaten und Denkmalsentwürfe für die Herrscher – all das wurde rings um die Gemäldeausschnitte platziert. Das Denkmal der Völkerschlacht schlechthin ist kein Thema der Ausstellung. Geschaffen vor einem Jahrhundert, ragt der wuchtige Bau 91 Meter hoch über Leipzig und einstigem Schlachtfeld. Im kleinen Denkmalsmuseum nebenan, das Steffen Poser leitet, hängt eine Miniatur-Variante jener Siegesmeldung. Eines von mehreren kleinformatigen, goldgerahmten Gemälden.
"Man sieht immer viel Getümmel, viel Gewimmel. Aber es zeigt natürlich das, was wir aus den Berichten kennen, also dieses abschreckende Antlitz des Krieges, in keiner Weise. Das ist das, was der Bildungsbürger sich zu Hause aufhing und was man mit vielen Toten und vielem Kriegsgräuel eher nicht in der Wohnung haben wollte."
Doch auch in dieser Ausstellung finden sich einige Zeugnisse vom Leid: Skizzen, die Augenzeugen festgehalten haben aus eigenem Antrieb. Aufträge wurden daraus nicht. Und auch jene Berichte, die Steffen Poser erwähnte, entstanden unverklärt nach der Schlacht. Eine weite Verbreitung fanden auch sie nicht. Ganz anders die Schriften eines Theodor Körners oder Ernst Moritz Arndts: flammende Appelle, die durchaus Brand stiften sollten – gegen Napoleon, gegen die Franzosen. Die Autoren waren schillernde, widersprüchliche Persönlichkeiten.
"Gerade bei Arndt ist es ja zum Beispiel so, dass wir es zum einen mit jemandem zu tun haben, der sich ganz glühend gegen die Leibeigenschaft eingesetzt hat, und auf der anderen Seite ein Mann, der so durchdrungen von Franzosenhass gewesen ist, dass es einen wirklich schaudert und man sich fragt: Was ist in so einem Mann vorgegangen?"
Der Frage widmet sich die Sonderausstellung "Helden nach Maß", die in zehn Tagen in Leipzig eröffnet wird. In der ständigen Ausstellung verbleiben die Kuriositäten, die Zeugnisse der verklärten Erinnerung an die Schlacht: Sammeltassen mit den drei knieenden Monarchen, wie sie Gott für den Sieg danken. Oder ein kleines Brötchen, angeblich gebacken in der Siegesnacht. Stücke, die heute Antworten geben auf Fragen wie:
"Was hat man denn damals gesammelt? Was erschien den Leuten vor hundert, hundertfünfzig Jahren wichtig? Was, meinten sie, würde später mal die Geschichte einer Schlacht erzählen? Und wenn man sich heute solche Dinge anschaut, dann stellt man allzu oft fest: Sie erzählen eigentlich gar nichts."
Das hat auch Yadegar Asisi festgestellt. Er ist der Gestalter von Riesenpanoramen wie dem antiken Rom oder Pergamon. Nun hat er ein Bild vom "Leipzig 1813" entworfen, vom Letzten dieser vier umkämpften Tage. Der Betrachter schaut von der Thomaskirche herab auf eine Stadt im Chaos. Rund 500.000 Menschen hatten ringsum gekämpft, etwa 90.000 Tote gab es. Wer nicht auf dem Schlachtfeld verreckt ist, wurde in Leipzig behandelt.
"Als ich hier anfing, hat man mir gesagt: Mensch, Völkerschlacht musst du machen! Da hab ich gesagt: Mich interessiert das nicht, weil ich immer diese Schlachtengemälde, also Panoramen vor mir hatte, die überhaupt keine Wirkung auf mich hatten. Und dann – es ist fünf-sechs Jahre her – hatte ich auf einmal den Gedanken: Man müsste eigentlich die Schlacht von der Stadt aus betrachten, wo es gar keine Schlacht mehr ist. Ich glaube, der Krieg ist immer dann am grausamsten, wenn er vorbei ist, weil – dann sieht man eigentlich, was los ist. Der Krieg selber, heute – ich habe damals ein bisschen den Krieg in Teheran mitgekriegt, den Iran-Irak-Krieg – wenn man da von Weitem guckt, dann sieht das ja aus wie Feuerwerk. Erst kurz danach merkt man auf einmal, was eigentlich passiert ist. Alles ist vorbei, aber das Elend ist auf einmal da."