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Vom Pfarrhaus ins Kloster
"Ich bin gegangen, bevor der Frust kam"

Vor einem Jahr verließ der Pfarrer Thomas Frings seine Gemeinde und ging ins Kloster. Er ging nicht still, sondern kritisierte in einem viel beachteten offenen Brief die Kirchenleitung - aber auch die Erwartungen der Gläubigen. Jetzt hat legt er in einem Buch nach.

Von Andrea Lieblang |
    Thomas Frings vor dem Kirchengebäude seiner ehemaligen Gemeinde in Münster.
    Thomas Frings vor dem Kirchengebäude seiner ehemaligen Gemeinde in Münster. (picture-allinace / dpa / Bernd Thissen)
    Das niedrige Benediktinerkloster versteckt sich hinter einem Wald und hohen Sträuchern, dort, wo das Land beginnt, besonders flach zu werden und sich graue Kanäle durch Felder und Äcker ziehen.
    "Es ist ein Ort der Stille. Hier ist kein Lärm, keine Auto-Straßen, keine Fluglinien, es wird keine Musik gemacht, es gibt kein Ausflugscafé, es gibt keine Buchhandlungen, hier fahren ganz wenig Gäste eigentlich nur vorbei. Es ist still."
    Wer ihn aus der Zeit kennt, als er noch Gemeindepfarrer in Münster war, sieht sofort: Er ist schmaler geworden. Obwohl er auch früher schon schlank war. Auch das melierte Haar ist eine Spur grauer und der Vollbart dichter und länger. Seit September 2016 lebt der 56-Jährige als sogenannter Postulant im Kloster:
    Die Gemeinschaft ist klein: Mit dem Abt sind es dreizehn Personen - sechs Patres und sieben "im Nachwuchs", wie Frings es nennt. Doch warum muss er, ein geweihter Priester, noch einmal ganz klein, als Postulant, anfangen?
    "Drei Tage will ich gehen, drei Tage will ich bleiben"
    "Steht sogar in der Regel bei Benedikt: 'Falls ein Priester um Aufnahme bittet, ist ihm nichts anzuerkennen, er ist in nichts einem anderen vorzuziehen!' Sogar noch eher mit größerer Aufmerksamkeit und Vorsicht zu betrachten!
    Ich hader deswegen nicht, weil ich mich gar nicht jeden Tag frage, ob ich weitermache. Wenn mich jemand fragt, hab ich schon mal gesagt: 'Drei Tage in der Woche will ich gehen, drei Tage in der Woche will ich bleiben, und einen Tag weiß ich nicht, was ich will.'"
    Vor einem Jahr hat er seiner Gemeinde Hl. Kreuz in Münster verkündet, dass er sich verabschieden wird. Die Gemeinde war schockiert: Ein engagierter Priester. Die Kirche voll, wenn er predigte. Seine Kunstprojekte über die Stadt hinaus bekannt. Zuletzt eine Licht-Installation an allen vier Seiten des Turms, ein Mose-Wort: 'Ja-ich-bin-da'. Kein Wunder, dass es damals auch Vermutungen gab, es habe ein Zerwürfnis mit irgendeinem Gremium gegeben. Frings trinkt seinen Kaffee aus und schüttelt dabei energisch den Kopf: Dann hätte er seinen Bischof um Versetzung gebeten. Der Grund, warum er sich für eine derart radikale Wende in seinem Leben entschieden habe, liege viel tiefer:
    "Wir haben einen Nachwuchsmangel, der so eklatant geworden ist, dass selbst dieses ganze fusionierte Modell der Diözese so schon nicht mehr funktionieren wird in kürzester Zeit. Und ich mich dann frage, selbst wenn es in der Gemeinde ja gut lief, wir hatten sogar Wachstumszahlen, zwar auf unterstem Niveau, aber ganz langsam gestiegen. Aber so, wie Kirche jetzt strukturiert ist, war klar, in zehn Jahren würde ich da keinen Nachfolger mehr kriegen. Und dann ist die Frage: Wie viel Energie stecke ich dann da rein, wenn ich weiß, dass danach sowieso wieder geschlossen wird?"
    Entscheidungsgemeinde statt Volkskirche
    "Ich bin nicht frustriert gegangen, ich bin gegangen, bevor der Frust kam". So sieht er es heute. Für sein Ausscheiden gab es damals in der Gemeinde bei aller Bestürzung viel Verständnis. Unter seinen Mitbrüdern dagegen, aber nicht nur:
    "Denn jeder, der da weiter macht, muss sich durch mich ja infrage gestellt gefühlt haben. Und dass einige dann gesagt haben: 'Er hat Depressionen, das ist manisch oder das ist phobisch.' Oder was sie mir alles an den Kopf geworfen haben und gesagt haben: 'Das stimmt doch überhaupt gar nicht, das ist doch alles nicht so!' Ich hab den Eindruck, dass wir als Christen zwar zur Hoffnung berufen sind, aber als Kirche in Deutschland zur Hoffnung verdammt sind."
    Warum, fragt Thomas Frings, wird noch immer am Modell der Volkskirche festgehalten? In einer Gesellschaft, die längst freiere, unverbindlichere Lebensentwürfe gefunden hat? Er würde gern mit der Zeit gehen, mit einer Kirche, die bereit ist, sich dieser Zeit anzupassen. Ihm schwebt das Modell einer sogenannten Entscheidungsgemeinde vor, die nicht an den persönlichen Wohnbezirk gebunden ist und für die man sich darum bewusst entscheidet:
    "Und man da dann in dem Maße mitmacht, wie man möchte. Das heißt aber auch, wenn einer sagt: Für diese Gemeinde würd ich gerne mitmachen, aber ich bin überhaupt nicht getauft. Dann heißt es: Herzlich Willkommen! Du kannst Mitglied dieser Gemeinde sein. Sie kriegen nen Segen, Sie können natürlich nicht sakramental heiraten, weil Sie nicht in der Kirche sind. Sobald Sie mehr wollen, nämlich die Taufe, dann geben Sie auch ein Versprechen ab, und das möchten wir, dass das gehalten wird. Zuspruch bis an die Grenzen, aber soweit ich mich der Mitte nähere, geht das mit einem Anspruch einher."
    Traum jedes Priesters
    Ein langsames, ein ehrliches Annähern. Mit einem Pfarrer, der mehr Zeit hätte für die Seelsorge. Fast trotzig fügt er hinzu:
    "Bisher machen wir so in den Gemeinden, dass wir sagen: Wir haben so und so viel Priester, wir können so und so viel Messen anbieten, da kann man am deutlichsten dran zeigen. In der Gemeinde würde es umgekehrt gehen. Da würde man sagen: Die Kirche hat 300 Sitzplätze, und solange die 300 Sitzplätze nicht voll sind, gibt es nur eine Messe. Punktum Schluss, wir machen überhaupt kein Service-Angebot. Erst wenn die Leute nicht mehr reinpassen, würde man sagen: So, jetzt machen wir ne zusätzliche Messe! Und wissen Sie was? Das ist nen Traum für jeden Priester!"
    Glaubt er tatsächlich, dass auch nur ein einziger Bischof es wagen würde, sich darauf einzulassen? Sofort kommt ein "Ja". Und genauso schnell die Frage: "Wer?"
    "Das sage ich Ihnen nicht über's Mikrophon, weil ich dann ja Druck ausübe! Ich bin nicht der Einzige, der das so sagt. Welches Risiko gehen wir denn damit ein, wenn wir das probieren? Das einfach mal fünf oder acht Jahre so nen Testlauf machen, und sagen, wir probieren's mal aus, ob so etwas möglich ist. Statt immer nur: Rückschritt, Rückschritt, Rückschritt!"
    In diesen Tagen erscheint sein Buch. Der Titel ist als Frage formuliert: "Aus, Amen, Ende?" - mit einem bewusst gesetzten Fragezeichen. Ein dezenter Hinweis darauf, dass er nicht mehr Priester sein möchte?
    "Nein, keinesfalls. Ich will ja auch Priester sein, und ich bin auch unglaublich gerne Pfarrer gewesen. Und das ist auch das, was ich auch weiterhin gerne machen würde! Das wäre nach wie vor immer noch meine erste Wahl, muss ich ganz ehrlich sagen!"
    Wenn sich also nur ein einziger Bischof auf sein Modell einließe? Thomas Frings zögert keine Sekunde, um gewohnt selbstbewusst zu antworten:
    "Das wäre eine Herausforderung, die ich sehr wohlwollend überdenken würde, ja! Muss ich sagen - ja."