Catherine, die Hauptdarstellerin in Sasha Greys Roman "Die Juliette Society", ist eine junge Frau in einer eigentlich glücklichen Beziehung. Nur sexuell fehlt ihr etwas. Als sie im Bett eine härtere Gangart einlegen will, reagiert ihr Freund mit Ablehnung.
"Sie ist sexuell erfahren, nicht naiv, aber sie hat diese Fantasien und weiß nicht, was sie damit anfangen soll. Sie fängt an, sich zu verurteilen, genauso wie die Leute um sie herum. Bis sie ihre Erfahrungen macht und feststellt, dass das völlig in Ordnung ist. Genauso ging es mir. Ich habe meine Unsicherheiten überwunden, sonst wäre ich nicht in der Pornobranche gelandet."
So geht die erste große Legende über Sasha Grey: Es sei ihr um den Sex gegangen, nicht ums Geld, als sie mit 18 Jahren Pornodarstellerin wurde. Sehr schlau, wie sie damit ganz nebenbei einen der großen Zweifel an der Pornografie beiseite räumt: Haben die Frauen in den Filmen eigentlich Spaß an dem, was sie tun?
"Porno war für mich die Möglichkeit, meine Fantasien in einer sicheren Umgebung auszuleben. Die Leute sind auf ansteckende Krankheiten getestet, es gibt Verträge, es gibt Menschen, die den Sex beobachten. Und da habe ich mich sicher gefühlt, um meine Experimente zu wagen."
Zum Interview trägt Sasha Grey ein schwarzes Businesskostüm und eine hochgeschlossene weiße Bluse, dazu dezentes Make-up. In diesem Outfit würde niemand eine ehemalige Pornodarstellerin vermuten, genauso wenig wohl eine Schriftstellerin. Aber die Klischees zu brechen ist Greys Strategie. Sie zitiert gerne Philosophen und Arthouse-Filme, und ihren Beruf als Pornodarstellerin, den sie vor vier Jahren aufgegeben hat, hat sie immer als Kunst bezeichnet – auch wenn sie nie überzeugend erklären konnte, worin ihre Kunst bestand. Doch so haben sich Sasha Grey auch über die Pornobranche hinaus Türen geöffnet. Sie hat in Musikvideos von Eminem, The Roots oder den Smashing Pumpkins gespielt und hatte 2009 die Hauptrolle in Steven Soderberghs Film "The Girlfriend Experience".
"Ich glaube, es war das erste Mal, dass eine Frau wie ich das Internet zur Verfügung hatte, und so wurde ich zum Teil des Mainstream. Hätte ich das 15 Jahre früher gemacht, wäre ich niemals so bekannt geworden. Über das Internet können sehr unterschiedliche Szenen miteinander kommunizieren. Ich habe meine Arbeit als Kunst verstanden, und das haben andere Künstler erkannt und geschätzt. Ich glaube, dass ich aus der Pornografie komme, hat dem nur etwas Frisches, etwas Neues hinzugefügt."
Mit ihrem Roman bewegt sich Sasha Grey nun allerdings auf ausgetretenen Pfaden: "50 Shades Of Grey" oder "Feuchtgebiete" – erotische Literatur verkauft sich bestens, das Buch von Charlotte Roche hat Sasha Grey sogar gelesen. Doch auf dem literarischen Feld ist der Exotenstatus des Pornostars kein großer Vorteil mehr. In "Die Juliette Society" buchstabiert Grey lediglich all die Körperübungen noch einmal durch, die sie als Darstellerin schon durchgeturnt hat. Wenn alle Tabus gebrochen sind, ist man eben zur ewigen Wiederholung verdammt.
Auch Sasha Grey sagt, dass sie aus dem Geschäft ausgestiegen sei, weil sie vom Ewiggleichen der Pornografie gelangweilt war. Nun ist sie wieder dort gelandet, allerdings kann sie ihre Kleider anbehalten, und das macht den Unterschied. Bei ihren Auftritten zeigt sie keine Haut, und die expliziten Stellen aus ihrem Buch lässt sie bei ihren Lesungen aus. Gerne klagt Sasha Grey in Interviews die Doppelmoral an, mit der wir die Pornografie in die Schmuddelecke verbannen:
"Angela Carter hat gesagt: ‚Erotische Literatur ist nur Pornografie für die Elite‘. Es ist nur eine Frage der Form, ob man sich Pornos im Internet anschaut oder eine Installation im Museum. Wenn ich mich zu irgendeinem Thema äußere, bekomme ich oft die Antwort: Geh doch zurück zur Pornografie! Und dann sage ich: Bin ich doch, es heißt ‚Die Juliette Society‘, lies mal rein. Und natürlich hat die Elite die Definitionsmacht darüber, was noch in Ordnung ist und was nicht mehr."
Doch auch Sasha Grey beugt sich dieser Definitionsmacht: Entweder man steht nackt vor der Kamera, oder man ist Teil der Gesellschaft. Aus den Feuilletons wird sie aber auch trotz ihres züchtigen Outfits sehr bald wieder verschwunden sein.
Sasha Grey, "Die Juliette Society"
Heyne Hardcore, 317 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 978-3-453-26886-9
"Sie ist sexuell erfahren, nicht naiv, aber sie hat diese Fantasien und weiß nicht, was sie damit anfangen soll. Sie fängt an, sich zu verurteilen, genauso wie die Leute um sie herum. Bis sie ihre Erfahrungen macht und feststellt, dass das völlig in Ordnung ist. Genauso ging es mir. Ich habe meine Unsicherheiten überwunden, sonst wäre ich nicht in der Pornobranche gelandet."
So geht die erste große Legende über Sasha Grey: Es sei ihr um den Sex gegangen, nicht ums Geld, als sie mit 18 Jahren Pornodarstellerin wurde. Sehr schlau, wie sie damit ganz nebenbei einen der großen Zweifel an der Pornografie beiseite räumt: Haben die Frauen in den Filmen eigentlich Spaß an dem, was sie tun?
"Porno war für mich die Möglichkeit, meine Fantasien in einer sicheren Umgebung auszuleben. Die Leute sind auf ansteckende Krankheiten getestet, es gibt Verträge, es gibt Menschen, die den Sex beobachten. Und da habe ich mich sicher gefühlt, um meine Experimente zu wagen."
Zum Interview trägt Sasha Grey ein schwarzes Businesskostüm und eine hochgeschlossene weiße Bluse, dazu dezentes Make-up. In diesem Outfit würde niemand eine ehemalige Pornodarstellerin vermuten, genauso wenig wohl eine Schriftstellerin. Aber die Klischees zu brechen ist Greys Strategie. Sie zitiert gerne Philosophen und Arthouse-Filme, und ihren Beruf als Pornodarstellerin, den sie vor vier Jahren aufgegeben hat, hat sie immer als Kunst bezeichnet – auch wenn sie nie überzeugend erklären konnte, worin ihre Kunst bestand. Doch so haben sich Sasha Grey auch über die Pornobranche hinaus Türen geöffnet. Sie hat in Musikvideos von Eminem, The Roots oder den Smashing Pumpkins gespielt und hatte 2009 die Hauptrolle in Steven Soderberghs Film "The Girlfriend Experience".
"Ich glaube, es war das erste Mal, dass eine Frau wie ich das Internet zur Verfügung hatte, und so wurde ich zum Teil des Mainstream. Hätte ich das 15 Jahre früher gemacht, wäre ich niemals so bekannt geworden. Über das Internet können sehr unterschiedliche Szenen miteinander kommunizieren. Ich habe meine Arbeit als Kunst verstanden, und das haben andere Künstler erkannt und geschätzt. Ich glaube, dass ich aus der Pornografie komme, hat dem nur etwas Frisches, etwas Neues hinzugefügt."
Mit ihrem Roman bewegt sich Sasha Grey nun allerdings auf ausgetretenen Pfaden: "50 Shades Of Grey" oder "Feuchtgebiete" – erotische Literatur verkauft sich bestens, das Buch von Charlotte Roche hat Sasha Grey sogar gelesen. Doch auf dem literarischen Feld ist der Exotenstatus des Pornostars kein großer Vorteil mehr. In "Die Juliette Society" buchstabiert Grey lediglich all die Körperübungen noch einmal durch, die sie als Darstellerin schon durchgeturnt hat. Wenn alle Tabus gebrochen sind, ist man eben zur ewigen Wiederholung verdammt.
Auch Sasha Grey sagt, dass sie aus dem Geschäft ausgestiegen sei, weil sie vom Ewiggleichen der Pornografie gelangweilt war. Nun ist sie wieder dort gelandet, allerdings kann sie ihre Kleider anbehalten, und das macht den Unterschied. Bei ihren Auftritten zeigt sie keine Haut, und die expliziten Stellen aus ihrem Buch lässt sie bei ihren Lesungen aus. Gerne klagt Sasha Grey in Interviews die Doppelmoral an, mit der wir die Pornografie in die Schmuddelecke verbannen:
"Angela Carter hat gesagt: ‚Erotische Literatur ist nur Pornografie für die Elite‘. Es ist nur eine Frage der Form, ob man sich Pornos im Internet anschaut oder eine Installation im Museum. Wenn ich mich zu irgendeinem Thema äußere, bekomme ich oft die Antwort: Geh doch zurück zur Pornografie! Und dann sage ich: Bin ich doch, es heißt ‚Die Juliette Society‘, lies mal rein. Und natürlich hat die Elite die Definitionsmacht darüber, was noch in Ordnung ist und was nicht mehr."
Doch auch Sasha Grey beugt sich dieser Definitionsmacht: Entweder man steht nackt vor der Kamera, oder man ist Teil der Gesellschaft. Aus den Feuilletons wird sie aber auch trotz ihres züchtigen Outfits sehr bald wieder verschwunden sein.
Sasha Grey, "Die Juliette Society"
Heyne Hardcore, 317 Seiten, 19,99 Euro, ISBN 978-3-453-26886-9