Es war eigentlich ein Zufall. Ich bin hier vorbei gekommen, und da habe ich diesen Wagen gesehen. Der Preis entsprach meinen Vorstellungen. Ich habe bereits ein eigenes Auto, einen Santana. Aber je besser die wirtschaftliche Situation sich gestaltet und je mehr ich verdiene, um so mehr wünsche ich mir ein neues Auto. Nun habe ich mich für einen Opel entschieden.
Stolze 250.000 RMB kostet der Importwagen. Zuzüglich 10 Prozent Steuern, den Kosten für die Zulassung und Versicherung werden sich die Anschaffungskosten auf 350.000 RMB, umgerechnet knapp 35.000 Euro belaufen. Rund ein Drittel des Kaufpreises hat der Verwaltungsangestellte über einen Kredit finanziert.
Ich habe den Kredit bei der Industrie- und Handelsbank aufgenommen. Ich musste nur ein Formular ausfüllen und unterschreiben. Den Rest hat das Autohaus erledigt. Einige Leute machen sich ja Sorgen, wenn sie Kredite aufnehmen. Aber mir gefällt es, mit dem Geld von morgen heute schon schöne Dinge kaufen zu können.
Erst eine Eigentumswohnung, dann ein Auto – so denken viele Chinesen. Rund 200-300 Mio. Menschen gehören der schnell wachsenden Mittelschicht an, die zum neuen Kundenkreis der Autoindustrie gehört. Während in Deutschland auf 100 Haushalte 173 Autos kommen, sind es in Peking gerade mal 19, errechnete die Bundesagentur für Außenwirtschaft (bfai). Das Potenzial scheint enorm. Kein Wunder, dass ausländische Hersteller da leuchtende Augen bekommen.
Es scheint, als käme an China niemand mehr vorbei. Während in Westeuropa und den USA die Absatzzahlen zurückgehen, kauften die Chinesen im vergangenen Jahr 75 Prozent mehr Pkw als 2002. Bernd Gottschalk, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, zog insbesondere für die deutschen Hersteller bei der Pressekonferenz zum Jahresauftakt eine positive Bilanz.
China entwickelt sich wirklich mit "Sieben-Meilen-Schritten" zur dynamischsten Wachstumsregion der Welt. Es war die Rakete am internationalen Automobilmarkt. Der Markt stieg innerhalb eines Jahres um 74 Prozent. Mit über 4,4 Millionen hergestellten Fahrzeugen wurde China zum weltweit viertwichtigsten Produktionsstandort für Automobile. Von den dort gefertigten 2 Millionen PKW entfallen 36 Prozent auf die deutschen Hersteller. Der Absatz von Volkswagen dort lag höher als in Deutschland.
700.000 der knapp 2,2 Mio. in China verkauften Pkw stammen aus Unternehmen mit deutschem Joint-Venture-Partner. Rund 100.000 weitere Wagen der Marken VW, Audi, BMW, Porsche und Daimler wurden aus Deutschland importiert.
Der Beitritt zur Welthandelsorganisation, WTO, gilt als wichtigster Auslöser für den Auto-Boom. Durch diesen Schritt sanken die Zölle für Importfahrzeuge und Zulieferteile. Dies ließ auch die Preise der in China produzierten Wagen sinken. Die Absatzzahlen explodierten daraufhin. Innerhalb kürzester Zeit hat die Volksrepublik sich vom Land der Fahrradfahrer zum drittgrößten Automarkt weltweit entwickelt. Selten haben Hersteller, Analysten und Regierungsvertreter sich so verschätzt wie bei ihren Prognosen für China.
Die chinesischen Autokunden haben sich schneller emanzipiert, als irgend jemand erwartet hätte. Sie geben sich nicht mehr mit dem VW-Santana zufrieden, sondern wollen die neuesten Modelle im selben Moment, wenn sie in Europa, Japan oder den USA auf den Markt kommen. Sie sind preisbewusst, aber auch Prestigedenken bestimmt ihre Kaufentscheidung. Und Prestige verspricht nun mal eher ein Auto einer internationalen Marke als das eines chinesischen Herstellers. Das Shanghaier Autohaus Honglong hat sich daher ganz gezielt auf Importwagen spezialisiert, sagt die Verkäuferin Wang Zhangying.
Unsere Kunden sind zumeist höhere Angestellte, Firmenvertreter oder Selbständige. Sie wollen Luxuswagen. BMW ist der absolute Renner. Wir vertreiben einige deutsche Marken. Aber die 7er Serie von BMW war innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Ende des letzten Jahres haben sich die Leute geradezu um einen BMW geprügelt.
In Shanghai verfügt eine Familie über ein durchschnittliches Jahreseinkommen von drei- bis viertausend Euro. Für die meisten ist daher schon ein Kleinwagen ein teures Vergnügen. So dominiert momentan eindeutig die Nachfrage nach preiswerten Autos ohne viel Extras. Beobachter erwarten jedoch, dass der Autoboom neuen Schwung erhält, wenn auch internationale Hersteller Autofinanzierungen anbieten dürfen. Im Dezember hatte die chinesischen Bankenaufsicht General Motors, VW und Toyota die ersten Genehmigungen erteilt. Bisher werden nur knapp 20 Prozent aller privaten Autokäufe über Kredite finanziert. In Europa oder den USA sind es dagegen 70-80 Prozent.
Die vorherrschende Goldgräberstimmung hat viele Unternehmen veranlasst, ihre Investitionen ordentlich aufzustocken. Der Marktführer Volkswagen gab im Juli letzten Jahres überraschend weitere Milliardeninvestitionen bekannt. General Motors zog kurze Zeit später nach und kündigte ebenfalls an, seine Kapazitäten auszubauen. Spätzünder wie Toyota oder BMW versuchten, in letzter Minute auf den fahrenden Zug aufzuspringen und verhandelten im Eiltempo mit chinesischen Joint-Venture-Partnern. Fast täglich war im letzten Jahr von neuen Vertragsabschlüssen oder der Einweihung neuer Produktionsanlagen die Rede. Insgesamt 20 Milliarden Euro investierten ausländische Hersteller in den vergangenen zwei Jahrzehnten in China, knapp die Hälfte davon stammt von deutschen Unternehmen. Die Financial Times schätzt, dass mittelfristig weitere 10 Mrd. dazu kommen werden.
Ein Laserscheinwerfer streift die Bühne, Sambamusik ertönt im Halbdunkel der Ausstellungshalle. Dann kommt er, rollt durch einen künstlichen Wasserfall auf die Bühne: Der Gol, VWs neuer Kleinwagen für die chinesische Mittelschicht. Fotoapparate blitzen. Sambatänzerinnen schwingen ihre Beine.
Mit Bildern vorm Karneval in Rio und jubelnden Fußballfans präsentierte Volkswagen im vergangenen Februar erstmals vor chinesischen Autojournalisten den Gol. Der Motorpresse muss schon was geboten werden. Allein im vergangenen Jahr gingen im Reich der Mitte rund 30 neue Pkw-Modelle an den Start.
Mit der deutlich modernisierten Version des Gol, der vor rund 20 Jahren in Brasilien seine Premiere feierte, will VW auch in China den wachsenden Bedarf der Privatkunden befriedigen, so Asien-Pazifik-Chef Bernd Leissner.
Der Gol ist das Einstiegsauto, das sportive Auto für junge Leute, die sich jetzt gerade ein Auto leisten können. Und wir glauben, damit ein Segment anzugreifen, das sehr, sehr schnell wachsen wird.
Der Gol entpuppte sich als Flop. Doch dies ändert nichts an VWs aggressiver Modellpolitik, mit der die Wolfsburger ihre Position als Marktführer auf dem hart umkämpften chinesischen Automarkt behaupten wollen. Im vergangenen Jahr brachte VW außer dem Gol vier neue Modelle auf den Markt. Darunter den Polo in der Stufenheck-Version, den Audi A4, den neuen Golf sowie den Touran. Das Unternehmen, das Mitte der 80er Jahre als eines der ersten in China die Produktion aufnahm, ist heute mit rund 30 Prozent Marktanteil nach wie vor der führende Hersteller. VW beschäftigt zusammen mit Audi knapp 19.000 Mitarbeiter.
Im vergangenen Jahr verkaufte VW in der Volksrepublik erstmals mehr Autos als auf dem Heimatmarkt Deutschland. Der Konzern setzte knapp 700.000 Wagen ab, 36 Prozent mehr als im Vorjahr.
Angesichts der enormen Umsatzsteigerungen und der Tatsache, dass beide Werke in China an der Kapazitätsgrenze produzieren, wollen die Wolfsburger bis 2008 weitere fünf Mrd. Euro investieren – vor allem in den Ausbau ihrer Werke und die Einführung neuer Modelle. Dass China der renditestärkste Markt für Volkswagen ist, beweist nicht zuletzt die Tatsache, dass die Wolfsburger ihre neuen Investitionen komplett aus dem Cash-flow der beiden chinesischen Joint-Ventures bezahlen wollen. So kündigte es zumindest VW-Vorstandschef Pischetsrieder im Juli letzten Jahres an.
Wir haben gegenüber, das sollte ich vielleicht an dieser Stelle mal sagen, wir haben natürlich als einzige die Chance, die gesamten Investitionen, die diese Verdoppelung der Kapazitäten erfordern wird aus dem Cashflow der beiden Joint-Venture zu bestreiten. D.h. es wird nicht ein einziger Euro des VW-Konzerns zu dieser Kapazitätserweiterung nach China transferiert. Die beiden Joint-Ventures werden die gesamten Investitionen aus dem Cashflow finanzieren können. In dieser Situation ist natürlich keiner unserer weltweiten Wettbewerber.
Wie viel die ausländischen Konzerne in China verdienen, darüber geben sie zwar offiziell keine Auskunft. Doch die Gewinne müssen gemessen am Endverkaufspreis der Autos vergleichsweise hoch sein. Für die meisten Hersteller ist China derzeit der renditestärkste Markt der Welt. Besonders attraktiv ist der Markt für Luxuswagen, denn jede 5. Edelkarosse wird bereits in der Volksrepublik verkauft.
Was tut man nicht alles, um in China das eigene Image zu pflegen und sich auf höchster Ebene ins Gespräch zu bringen. Beim Forbes-Treffen im September letzten Jahres in Shanghai stellte BMW einige Dutzend Sponsoren-Wagen zur Verfügung. Die Einladung aufs Podium hatte Vorstandschef Helmut Panke damit sicher. Er nutzte die Gelegenheit, um den späten Markteintritt von BMW zu begründen.
Es ist genau der richtige Zeitpunkt für BMW, gerade jetzt in China eine eigene Produktion aufzubauen, gemeinsam mit unserem Joint-Venture-Partner Brilliance. Denn nun ist der Markt reif für Premiumprodukte. In den letzten drei Jahren hat sich der Markt im Premiumsegment verdreifacht. Diejenigen, die bereits hier waren, haben sich positioniert als Hersteller von Kaderkarossen oder Wagen für hohe Militärs, aber nicht für erfolgreiche Unternehmer. Deshalb ist es unser Ziel zu sagen, wir sind auch in China die Nr. 1 unter den Premiumherstellern für den indiviuellen Kunden – ebenso wie im Rest der Welt.
"Baoma", edles Pferd heißt die Luxusmarke auf Chinesisch, die den Chinesen bereits in den vergangenen 10 Jahren über Importwagen näher gebracht wurde. Allein im vergangenen Jahr importierte BMW 16.000 Wagen nach China. Vom größten BMW, dem 760 Li, wurden mehr als 4.000 Stück verkauft. Damit ist China für die 7er Reihe der zweitgrößte Markt weltweit. Diese Zahlen erscheinen besonders bemerkenswert vor dem Hintergrund, dass das Modell in China aufgrund von Einfuhrzöllen und Luxussteuern mit rund 190.000 Euro gut doppelt so viel kostet wie in Deutschland.
Man fragt sich, warum Luxushersteller wie DaimlerChrysler oder BMW es nicht auch in Zukunft beim Import belassen. Zumal die Zölle im Zuge des WTO-Beitritts bis 2006 auf 25 Prozent sinken werden. Und lokal produzierte Autos, obwohl sie günstiger sind, technisch vielfach nicht mit ihren ausländischen Konkurrenten mithalten können.
Der Shanghaier Manager Deng Weizheng hat im vergangenen Jahr einen importierten Geländewagen von BMW gekauft. Ganz bewusst hat er sich gegen einen BMW "made in China" entschieden.
Ich werde immer nur Importwagen kaufen. Ich bin selbst in der Industrie tätig und seit 10 Jahren bei einer japanischen Firma. Ich bin einfach der Ansicht, dass die Deutschen und die Japaner die besten Autos der Welt machen.
Dennoch hat BMW im März letzten Jahres mit dem chinesischen Privatunternehmen Brilliance den Aufbau eines Joint-Ventures vereinbart. Sechs Monate später liefen in Shenyang, im Nordosten Chinas, die ersten Wagen der 3er Serie vom Band. Im November folgten bereits die ersten 5er Modelle, berichtet Unternehmensrepräsentant Andreas Kunz in Peking stolz.
Der Aufbau der Produktion läuft über Plan, kann man sagen, ist sehr viel schneller gekommen, als wir eigentlich geplant hatten. Es ist ein qualitätsgesteuerter Aufbau. D.h. einerseits trainieren wir unsere neuen Mitarbeiter, damit sie die Fahrzeuge hier dann auch nach den globalen Qualitätsstandards herstellen können. Wir haben am 1. Juli die Business-License erhalten. Aber bereits zuvor haben wir Trainingslinien im Werk von Brilliance aufgebaut, um die ersten Mitarbeiter zu trainieren. Momentan werden im Hauptwerk Dadong die gesamte Produktion qualitätsgesteuert so aufgebaut, dass sie bis Anfang Mai komplett dasteht und den globalen BMW-Standards entspricht.
Bis 2006 sollen in der neuen Fabrik, die im Mai eingeweiht wird, 30.000 Fahrzeuge pro Jahr vom Band laufen. Aber lässt sich das vielgepriesene Premiumsegment tatsächlich in einem Entwicklungsland produzieren – noch dazu aus dem Stand?
Die Pressearbeit der Münchner lässt vermuten, dass es größere Schwierigkeiten gibt. Nicht einmal für das firmeneigene Magazin durften Fotografen bisher die im Aufbau befindliche Fabrik in Shenyang ablichten. Fragen zur Ausstattung des Werkes oder den derzeitigen Produktionsbedingungen blockt der Pekinger Unternehmensrepräsentant, Andreas Kunz, unwirsch ab. Ob die von der Regierung vorgegebene Lokalisierungsrate von 40 Prozent erreicht werden kann, ohne dass BMW Qualitätseinbußen hinnehmen muss; ob globale Zulieferer wirklich BMW in den Nordosten Chinas folgen werden, obwohl das Unternehmen relativ geringe Stückzahlen plant. All das bleibt unbeantwortet. Nur eines will Kunz immer wieder kommunizieren. Dass die chinesische Automobilindustrie mit Hilfe von BMW einen Quantensprung machen wird.
Die Produktion ist nur für den chinesischen Markt ausgelegt. Wozu aber BMW sich gegenüber dem Partner Brilliance verpflichtet hat, dass bei jeder Produktreihe immer die neusten Modelle produziert werden und auch die neuste Technik hierher gebracht wird. Das ist also nicht so, dass wir hier Auslaufmodelle produzieren werden, während wir in der übrigen Welt schon einen Modellwechsel hatte. Das ist ein ganz großer Unterschied zu einigen unserer Wettbewerber oder zu früheren Ansätzen in der Automobilindustrie.
Unangefochtener Primus im Luxussegment ist jedoch nach wie vor Audi mit einem Marktanteil von mehr als 40 Prozent. Rund 63.000 Autos konnte die Ingolstädter VW-Tochter im vergangenen Jahr in China verkaufen. Um von seinem Image des Kader-Karossenherstellers wegzukommen, führte das Unternehmen zusätzlich zum A6 im vergangenen April den A 4 ein. Damit sollen auch lifestyleorientierte Privatkunden auf dem schnellst wachsenden Automarkt der Welt angesprochen werden. Vorstandsmitglied Erich Schmitt ist zuversichtlich, dass Audi auch in Zukunft seinen Vorsprung gegenüber den Mitbewerbern halten kann.
Noch rollt der Großteil der in China gefertigten Pkw bei ausländischen Gemeinschaftsunternehmen vom Band, an denen die internationalen Hersteller maximal 50 Prozent halten dürfen. Die lokalen Autobauer beschränken sich auf die Montage von Modellen ihrer ausländischen Joint-Venture-Partner. Die wenigen rein chinesischen Pkw, z.B. der Firmen Geely, Brilliance oder Chery haben nur einen kleinen Marktanteil.
Von den 120 chinesischen Autoherstellern produzieren gerade mal zehn mehr als 100.000 Wagen pro Jahr. Die chinesische Regierung will dies ändern, indem sie die lokalen Hersteller drängt, eigene Modelle auf den Markt zu bringen und untereinander zu fusionieren. Ziel ist die Bildung von zwei bis drei auch international agierenden Automobilherstellern und 10-15 weiteren, die vorwiegend für den chinesischen Markt produzieren sollen. Peking betrachtet die Autoindustrie als eine der wichtigsten Säulen des Wirtschaftswachstums. Aus Sorge, dass die chinesischen Hersteller schon bald für immer aus dem Branchenbuch verschwinden könnten, entschied sich Peking kürzlich, ein uraltes Strategiepapier aus den Schubladen zu holen. Bis 2010 soll die Hälfte des chinesischen PKW-Marktes von lokalen Herstellern kontrolliert werden. Bisher bestreiten diese nicht mal ein Zehntel.
Mehr Marktanteile sind jedoch nur dann realistisch, wenn die chinesischen Hersteller Copy-Right-Vereinbarungen in Zukunft gezielt verletzen. Der Weg dorthin ist geebnet: Die vier großen staatlichen Hersteller (FAW, SAIC, Dongfeng und Guangzhou Automobile Group) sind gleich mit mehreren ausländischen Firmen Joint-Ventures eingegangen. Auf diese Weise können sie von ihnen lernen und sie gegeneinander ausspielen. Schon heute kopieren chinesische Hersteller Design und Technik ihrer Joint-Venture-Partner.
So machte vor gut zwei Jahren der Hersteller Chery mit einem Modell auf sich aufmerksam, dessen Technologie der des VW Jetta verblüffend ähnlich ist. Toyota wiederum verklagte 2002 das Privatunternehmen Geely wegen Verstößen gegen den Markenschutz, verlor den Prozess allerdings. Dies war das erste Verfahren dieser Art in Chinas Autoindustrie. Doch die Fälle könnten sich schon bald häufen. Laut einer Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG befürchten 90 Prozent der weltweit tätigen Autohersteller, dass sie in China kopiert werden.
Auch die Zulieferindustrie steht unter der Fuchtel der Regierung. "Wir sind dazu verpflichtet, 40 Prozent unserer Bauteile von örtlichen Zulieferern zu beziehen", klagte kürzlich BMW-Chef Panke. Die liefern häufig schlechte Qualität zu erheblich höheren Preisen. Durchschnittlich liegen sie ein Drittel über dem Weltmarktniveau. Auch die Kosten der internationalen Zulieferer, die in China produzieren, liegen darüber. Ein Grund sind die hohen Importzölle für Materialien und Maschinen, die bisher nicht in China gefertigt werden können. Hinzu kommt, dass die vergleichsweise niedrigen Stückzahlen eine rentable Produktion erschweren, sagt Volker Gaertke. Er arbeitet für den amerikanischen Konzern Delphi, den unangefochtenen Marktführer unter den internationalen Zulieferern. Als Delphi 1994 in China anfing, war VW der erste Kunde. Inzwischen beliefert Delphi fast alle Hersteller und konnte im vergangenen Jahr seinen Umsatz um 50 Prozent auf 650 Mio. US$ steigern. Der Kundenbetreuer Gaertke hält eine strenge Lokalisierungsquote für falsch.
Lokalisierung bedeutet ja, dass ich die richtige Technologie zu richtigen Kosten bei gleichbeibender Qualität bekommen kann. Vorgaben wie in der Vergangenheit haben dazu geführt, dass lokalisiert wurde, ohne dass alle drei Punkte gegeben waren. Wenn wir die drei vorfinden, werden wir sicherlich in China produzieren. Der Zwang zur Lokalisierung hat China nicht gut getan. Mit der Freiheit, China als einen Produktionsstandort unter vielen weltweit zu sehen, ist China viel besser bedient.
Bisher importieren Joint-Venture-Unternehmen wie VW oder General Motors neben dem Design auch die Motoren und die gesamte Elektronik. Um die Kosten in Zukunft zu senken und der Aufforderung der chinesischen Regierung nachzukommen, in China für Arbeitsplätze zu sorgen, drängen sie jedoch ihre heimischen Zulieferer, ihnen nach China zu folgen und direkt vor Ort zu produzieren.
Mit großer Sicherheit werden die derzeitigen Wachstumsraten schon bald deutlich sinken. Experten rechnen daher mit enormen Überkapazitäten und halten einen Preiskampf für unvermeidbar. Zhao Ying, Autoexpertin der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften ist der Ansicht, dass trotz prognostizierter Zuwachsraten von 30 Prozent über die nächsten Jahre nicht alle westlichen Autokonzerne in China überleben können. Es werde zu Schließungen und Übernahmen kommen, sagt sie.
Ob Exporte für die Konzerne langfristig ein attraktiver Ausweg sind, ist umstritten. Denn die Produktionskosten sind höher als in Osteuropa oder Brasilien. Zum anderen müssen die in den Joint-Ventures erwirtschafteten Gewinne geteilt werden. Für Exporte in die asiatischen Nachbarländer sprechen in erster Linie die niedrigen Transportkosten. Honda will in Südchina schon bald eine neue Fabrik bauen, die nur für den Export produzieren soll. Und auch Volkswagen will die Chance nutzen.
Im Dezember 2003 rollte in Shanghai der erste Polo für den australischen Markt vom Band. Bevor sich Volkswagen-Vorstandsmitglied Folker Weißgerber demonstrativ in den ersten Export-Wagen setzte, betonte er die Bedeutung des silbernen Polos mit Stufenheck:
Ich glaube, dass der heutige Tag ein ganz bedeutender in der Geschichte von SVW ist, weil wir heute beweisen, dass wir international konkurrenzfähig sind. Diesen Beweis erbringen wir, indem wir in ein Automobiltechnik gesehen schwieriges Land, nach Australien, VW-Polo aus Shanghai exportieren.
Bis 2008 sollen jedes Jahr mindestens 600 Wagen nach Australien geliefert werden. Für VW bedeutet dieser Polo gleich mehrere Superlative: Das erste in China produzierte Auto, das in einem entwickelten Land verkauft wird, zum ersten Mal in Serie und zu gängigen Preisen. Im Juli noch hatten die Wolfsburger Export-Pläne dementiert. Damals sei vieles unklar gewesen, sagt Asien-Pazifik-Chef Bernd Leissner sechs Monate später.
Wenn die Qualität stimmt, und die stimmt glücklicherweise – und wenn die Kosten stimmen, dann überlegen wir, ob wir es tun. In dem Fall hat beides gestimmt – und wir haben begonnen.
Der chinesischen Regierung machen unterdessen nicht nur Überkapazitäten Sorgen, sondern auch die drohende Energie- und Verkehrskatastrophe. Experten, die vor den Folgen eines autozentrierten Transportsystems warnen, wird neuerdings Gehör geschenkt. So sprach kürzlich der langjährige Präsident des Worldwatch Instituts in Washington und Altstar der globalen Ökoszene, Lester Brown, vor Studenten der Pekinger Volksuniversität. Eindringlich warnte er vor den globalen Folgen, sollte die Zahl der Autos weiter ungebremst steigen. Im November empfing die chinesische Regierung einen der einflussreichsten Kritiker der Autoindustrie, den Chef von Greenpeace, Gerd Leipold. Das englischsprachige Parteiblatt China Daily kommentierte unlängst: "Der Autoboom ist der Vorreiter eines Alptraums städtischer Entwicklung".
Doch bisher ist Shanghai die einzige Stadt in China, die versucht, die Zahl der Autos zu begrenzen. Die 20-Mio.-Metropole ist dazu übergegangen, einmal im Monat 6.000 Zulassungen zu versteigern. Autobesitzer müssen bis zu 5.000 Euro zahlen, um an eines der heiß begehrten Nummernschilder zu kommen. Diese Maßnahme spült zwar Geld in die Kassen der Stadtregierung. Sie hilft aber nur wenig. Denn viele Autobesitzer sind findig genug, um ihren Wagen in einer anderen Provinz registrieren zu lassen. Zhu Hao vom Shanghaier Institut für Verkehrsplanung will daher all seine Energie darauf verwenden, dass der öffentliche Nahverkehr nicht länger zugunsten des privaten Autoverkehrs benachteiligt wird.
Der Verkehrsstau wird in erster Linie durch Autos verursacht. Und die meisten Autobesitzer sind Angehörige der neuen Mittel- und Oberschicht. Es wäre daher nicht gerecht, wenn die anderen Verkehrsteilnehmer in gleichem Maße unter dem Stau leiden müssten wie die Autofahrer.
Konkret heißt dies, dass Busspuren eingerichtet werden, damit alle, die den öffentlichen Nahverkehr nutzen, schneller durchkommen. Da gibt es nur ein Problem: Die öffentlichen Verkehrsmittel sind völlig überlastet, das räumt auch Zhu Hao ein. Shanghai hat den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs schlichtweg verschlafen.
Selbst die U-Bahnen, die bis vor kurzem noch nicht so voll waren, sind nun überfüllt. Wir haben zusätzliche Züge eingesetzt. Die Linie 1 verkehrt bereits alle 3 Minuten. Aber das ist immer noch nicht genug. Der Nahverkehr hält momentan einfach nicht Schritt mit dem gestiegenen Bedarf. Wir müssen die Infrastruktur völlig neu planen.
Bis Shanghai im Jahr 2010 die Expo ausrichtet, sollen zusätzliche Strassen, Tunnel und Brücken gebaut werden. Am Ausbau des U- und S-Bahn-Netzes wird bereits gearbeitet. In den nächsten sechs Jahren sollen die Transportkapazitäten von derzeit einer Million auf acht Millionen erhöht werden. Um das Verkehrschaos in der dicht besiedelten Stadt so schnell wie möglich zu verringern, haben die Stadtväter sich kürzlich allerdings etwas ausgedacht, was den Nahverkehr in zusätzliche Bedrängnis bringen dürfte.
Seit dem 1. Januar darf auf den Hauptstraßen der Hafenmetropole nicht mehr geradelt werden. Die speziellen Fahrradspuren, die bei Ausländern oft für Verwunderung gesorgt hatten, sollen in Zukunft für Autos frei gehalten werden.
Die Stadtväter wollen in einer der meist verschmutzten Metropolen dieser Welt ausgerechnet dem umweltfreundlichsten aller Verkehrsmittel den Garaus machen. Anders sei dem wachsenden Verkehrschaos nicht beizukommen, so lautet die offizielle Begründung von Bürgermeister Han Zheng.
1949 hatte die chinesische Führung das Fahrrad noch als Transportmittel der Massen gepriesen. Angesichts nicht enden wollender Staus aber verkündet Chinas Vorzeigemetropole nun den Abschied vom Drahtesel. Die Radler sollen auf Bus oder U-Bahn umsteigen. Und wo die nicht verkehren, auf Taxis. Hauptsache sie machen die Strassen frei. Denn China braucht eine zusätzliche Überholspur für seinen Weg in das Autozeitalter.
Stolze 250.000 RMB kostet der Importwagen. Zuzüglich 10 Prozent Steuern, den Kosten für die Zulassung und Versicherung werden sich die Anschaffungskosten auf 350.000 RMB, umgerechnet knapp 35.000 Euro belaufen. Rund ein Drittel des Kaufpreises hat der Verwaltungsangestellte über einen Kredit finanziert.
Ich habe den Kredit bei der Industrie- und Handelsbank aufgenommen. Ich musste nur ein Formular ausfüllen und unterschreiben. Den Rest hat das Autohaus erledigt. Einige Leute machen sich ja Sorgen, wenn sie Kredite aufnehmen. Aber mir gefällt es, mit dem Geld von morgen heute schon schöne Dinge kaufen zu können.
Erst eine Eigentumswohnung, dann ein Auto – so denken viele Chinesen. Rund 200-300 Mio. Menschen gehören der schnell wachsenden Mittelschicht an, die zum neuen Kundenkreis der Autoindustrie gehört. Während in Deutschland auf 100 Haushalte 173 Autos kommen, sind es in Peking gerade mal 19, errechnete die Bundesagentur für Außenwirtschaft (bfai). Das Potenzial scheint enorm. Kein Wunder, dass ausländische Hersteller da leuchtende Augen bekommen.
Es scheint, als käme an China niemand mehr vorbei. Während in Westeuropa und den USA die Absatzzahlen zurückgehen, kauften die Chinesen im vergangenen Jahr 75 Prozent mehr Pkw als 2002. Bernd Gottschalk, Präsident des Verbandes der Automobilindustrie, zog insbesondere für die deutschen Hersteller bei der Pressekonferenz zum Jahresauftakt eine positive Bilanz.
China entwickelt sich wirklich mit "Sieben-Meilen-Schritten" zur dynamischsten Wachstumsregion der Welt. Es war die Rakete am internationalen Automobilmarkt. Der Markt stieg innerhalb eines Jahres um 74 Prozent. Mit über 4,4 Millionen hergestellten Fahrzeugen wurde China zum weltweit viertwichtigsten Produktionsstandort für Automobile. Von den dort gefertigten 2 Millionen PKW entfallen 36 Prozent auf die deutschen Hersteller. Der Absatz von Volkswagen dort lag höher als in Deutschland.
700.000 der knapp 2,2 Mio. in China verkauften Pkw stammen aus Unternehmen mit deutschem Joint-Venture-Partner. Rund 100.000 weitere Wagen der Marken VW, Audi, BMW, Porsche und Daimler wurden aus Deutschland importiert.
Der Beitritt zur Welthandelsorganisation, WTO, gilt als wichtigster Auslöser für den Auto-Boom. Durch diesen Schritt sanken die Zölle für Importfahrzeuge und Zulieferteile. Dies ließ auch die Preise der in China produzierten Wagen sinken. Die Absatzzahlen explodierten daraufhin. Innerhalb kürzester Zeit hat die Volksrepublik sich vom Land der Fahrradfahrer zum drittgrößten Automarkt weltweit entwickelt. Selten haben Hersteller, Analysten und Regierungsvertreter sich so verschätzt wie bei ihren Prognosen für China.
Die chinesischen Autokunden haben sich schneller emanzipiert, als irgend jemand erwartet hätte. Sie geben sich nicht mehr mit dem VW-Santana zufrieden, sondern wollen die neuesten Modelle im selben Moment, wenn sie in Europa, Japan oder den USA auf den Markt kommen. Sie sind preisbewusst, aber auch Prestigedenken bestimmt ihre Kaufentscheidung. Und Prestige verspricht nun mal eher ein Auto einer internationalen Marke als das eines chinesischen Herstellers. Das Shanghaier Autohaus Honglong hat sich daher ganz gezielt auf Importwagen spezialisiert, sagt die Verkäuferin Wang Zhangying.
Unsere Kunden sind zumeist höhere Angestellte, Firmenvertreter oder Selbständige. Sie wollen Luxuswagen. BMW ist der absolute Renner. Wir vertreiben einige deutsche Marken. Aber die 7er Serie von BMW war innerhalb kürzester Zeit ausverkauft. Ende des letzten Jahres haben sich die Leute geradezu um einen BMW geprügelt.
In Shanghai verfügt eine Familie über ein durchschnittliches Jahreseinkommen von drei- bis viertausend Euro. Für die meisten ist daher schon ein Kleinwagen ein teures Vergnügen. So dominiert momentan eindeutig die Nachfrage nach preiswerten Autos ohne viel Extras. Beobachter erwarten jedoch, dass der Autoboom neuen Schwung erhält, wenn auch internationale Hersteller Autofinanzierungen anbieten dürfen. Im Dezember hatte die chinesischen Bankenaufsicht General Motors, VW und Toyota die ersten Genehmigungen erteilt. Bisher werden nur knapp 20 Prozent aller privaten Autokäufe über Kredite finanziert. In Europa oder den USA sind es dagegen 70-80 Prozent.
Die vorherrschende Goldgräberstimmung hat viele Unternehmen veranlasst, ihre Investitionen ordentlich aufzustocken. Der Marktführer Volkswagen gab im Juli letzten Jahres überraschend weitere Milliardeninvestitionen bekannt. General Motors zog kurze Zeit später nach und kündigte ebenfalls an, seine Kapazitäten auszubauen. Spätzünder wie Toyota oder BMW versuchten, in letzter Minute auf den fahrenden Zug aufzuspringen und verhandelten im Eiltempo mit chinesischen Joint-Venture-Partnern. Fast täglich war im letzten Jahr von neuen Vertragsabschlüssen oder der Einweihung neuer Produktionsanlagen die Rede. Insgesamt 20 Milliarden Euro investierten ausländische Hersteller in den vergangenen zwei Jahrzehnten in China, knapp die Hälfte davon stammt von deutschen Unternehmen. Die Financial Times schätzt, dass mittelfristig weitere 10 Mrd. dazu kommen werden.
Ein Laserscheinwerfer streift die Bühne, Sambamusik ertönt im Halbdunkel der Ausstellungshalle. Dann kommt er, rollt durch einen künstlichen Wasserfall auf die Bühne: Der Gol, VWs neuer Kleinwagen für die chinesische Mittelschicht. Fotoapparate blitzen. Sambatänzerinnen schwingen ihre Beine.
Mit Bildern vorm Karneval in Rio und jubelnden Fußballfans präsentierte Volkswagen im vergangenen Februar erstmals vor chinesischen Autojournalisten den Gol. Der Motorpresse muss schon was geboten werden. Allein im vergangenen Jahr gingen im Reich der Mitte rund 30 neue Pkw-Modelle an den Start.
Mit der deutlich modernisierten Version des Gol, der vor rund 20 Jahren in Brasilien seine Premiere feierte, will VW auch in China den wachsenden Bedarf der Privatkunden befriedigen, so Asien-Pazifik-Chef Bernd Leissner.
Der Gol ist das Einstiegsauto, das sportive Auto für junge Leute, die sich jetzt gerade ein Auto leisten können. Und wir glauben, damit ein Segment anzugreifen, das sehr, sehr schnell wachsen wird.
Der Gol entpuppte sich als Flop. Doch dies ändert nichts an VWs aggressiver Modellpolitik, mit der die Wolfsburger ihre Position als Marktführer auf dem hart umkämpften chinesischen Automarkt behaupten wollen. Im vergangenen Jahr brachte VW außer dem Gol vier neue Modelle auf den Markt. Darunter den Polo in der Stufenheck-Version, den Audi A4, den neuen Golf sowie den Touran. Das Unternehmen, das Mitte der 80er Jahre als eines der ersten in China die Produktion aufnahm, ist heute mit rund 30 Prozent Marktanteil nach wie vor der führende Hersteller. VW beschäftigt zusammen mit Audi knapp 19.000 Mitarbeiter.
Im vergangenen Jahr verkaufte VW in der Volksrepublik erstmals mehr Autos als auf dem Heimatmarkt Deutschland. Der Konzern setzte knapp 700.000 Wagen ab, 36 Prozent mehr als im Vorjahr.
Angesichts der enormen Umsatzsteigerungen und der Tatsache, dass beide Werke in China an der Kapazitätsgrenze produzieren, wollen die Wolfsburger bis 2008 weitere fünf Mrd. Euro investieren – vor allem in den Ausbau ihrer Werke und die Einführung neuer Modelle. Dass China der renditestärkste Markt für Volkswagen ist, beweist nicht zuletzt die Tatsache, dass die Wolfsburger ihre neuen Investitionen komplett aus dem Cash-flow der beiden chinesischen Joint-Ventures bezahlen wollen. So kündigte es zumindest VW-Vorstandschef Pischetsrieder im Juli letzten Jahres an.
Wir haben gegenüber, das sollte ich vielleicht an dieser Stelle mal sagen, wir haben natürlich als einzige die Chance, die gesamten Investitionen, die diese Verdoppelung der Kapazitäten erfordern wird aus dem Cashflow der beiden Joint-Venture zu bestreiten. D.h. es wird nicht ein einziger Euro des VW-Konzerns zu dieser Kapazitätserweiterung nach China transferiert. Die beiden Joint-Ventures werden die gesamten Investitionen aus dem Cashflow finanzieren können. In dieser Situation ist natürlich keiner unserer weltweiten Wettbewerber.
Wie viel die ausländischen Konzerne in China verdienen, darüber geben sie zwar offiziell keine Auskunft. Doch die Gewinne müssen gemessen am Endverkaufspreis der Autos vergleichsweise hoch sein. Für die meisten Hersteller ist China derzeit der renditestärkste Markt der Welt. Besonders attraktiv ist der Markt für Luxuswagen, denn jede 5. Edelkarosse wird bereits in der Volksrepublik verkauft.
Was tut man nicht alles, um in China das eigene Image zu pflegen und sich auf höchster Ebene ins Gespräch zu bringen. Beim Forbes-Treffen im September letzten Jahres in Shanghai stellte BMW einige Dutzend Sponsoren-Wagen zur Verfügung. Die Einladung aufs Podium hatte Vorstandschef Helmut Panke damit sicher. Er nutzte die Gelegenheit, um den späten Markteintritt von BMW zu begründen.
Es ist genau der richtige Zeitpunkt für BMW, gerade jetzt in China eine eigene Produktion aufzubauen, gemeinsam mit unserem Joint-Venture-Partner Brilliance. Denn nun ist der Markt reif für Premiumprodukte. In den letzten drei Jahren hat sich der Markt im Premiumsegment verdreifacht. Diejenigen, die bereits hier waren, haben sich positioniert als Hersteller von Kaderkarossen oder Wagen für hohe Militärs, aber nicht für erfolgreiche Unternehmer. Deshalb ist es unser Ziel zu sagen, wir sind auch in China die Nr. 1 unter den Premiumherstellern für den indiviuellen Kunden – ebenso wie im Rest der Welt.
"Baoma", edles Pferd heißt die Luxusmarke auf Chinesisch, die den Chinesen bereits in den vergangenen 10 Jahren über Importwagen näher gebracht wurde. Allein im vergangenen Jahr importierte BMW 16.000 Wagen nach China. Vom größten BMW, dem 760 Li, wurden mehr als 4.000 Stück verkauft. Damit ist China für die 7er Reihe der zweitgrößte Markt weltweit. Diese Zahlen erscheinen besonders bemerkenswert vor dem Hintergrund, dass das Modell in China aufgrund von Einfuhrzöllen und Luxussteuern mit rund 190.000 Euro gut doppelt so viel kostet wie in Deutschland.
Man fragt sich, warum Luxushersteller wie DaimlerChrysler oder BMW es nicht auch in Zukunft beim Import belassen. Zumal die Zölle im Zuge des WTO-Beitritts bis 2006 auf 25 Prozent sinken werden. Und lokal produzierte Autos, obwohl sie günstiger sind, technisch vielfach nicht mit ihren ausländischen Konkurrenten mithalten können.
Der Shanghaier Manager Deng Weizheng hat im vergangenen Jahr einen importierten Geländewagen von BMW gekauft. Ganz bewusst hat er sich gegen einen BMW "made in China" entschieden.
Ich werde immer nur Importwagen kaufen. Ich bin selbst in der Industrie tätig und seit 10 Jahren bei einer japanischen Firma. Ich bin einfach der Ansicht, dass die Deutschen und die Japaner die besten Autos der Welt machen.
Dennoch hat BMW im März letzten Jahres mit dem chinesischen Privatunternehmen Brilliance den Aufbau eines Joint-Ventures vereinbart. Sechs Monate später liefen in Shenyang, im Nordosten Chinas, die ersten Wagen der 3er Serie vom Band. Im November folgten bereits die ersten 5er Modelle, berichtet Unternehmensrepräsentant Andreas Kunz in Peking stolz.
Der Aufbau der Produktion läuft über Plan, kann man sagen, ist sehr viel schneller gekommen, als wir eigentlich geplant hatten. Es ist ein qualitätsgesteuerter Aufbau. D.h. einerseits trainieren wir unsere neuen Mitarbeiter, damit sie die Fahrzeuge hier dann auch nach den globalen Qualitätsstandards herstellen können. Wir haben am 1. Juli die Business-License erhalten. Aber bereits zuvor haben wir Trainingslinien im Werk von Brilliance aufgebaut, um die ersten Mitarbeiter zu trainieren. Momentan werden im Hauptwerk Dadong die gesamte Produktion qualitätsgesteuert so aufgebaut, dass sie bis Anfang Mai komplett dasteht und den globalen BMW-Standards entspricht.
Bis 2006 sollen in der neuen Fabrik, die im Mai eingeweiht wird, 30.000 Fahrzeuge pro Jahr vom Band laufen. Aber lässt sich das vielgepriesene Premiumsegment tatsächlich in einem Entwicklungsland produzieren – noch dazu aus dem Stand?
Die Pressearbeit der Münchner lässt vermuten, dass es größere Schwierigkeiten gibt. Nicht einmal für das firmeneigene Magazin durften Fotografen bisher die im Aufbau befindliche Fabrik in Shenyang ablichten. Fragen zur Ausstattung des Werkes oder den derzeitigen Produktionsbedingungen blockt der Pekinger Unternehmensrepräsentant, Andreas Kunz, unwirsch ab. Ob die von der Regierung vorgegebene Lokalisierungsrate von 40 Prozent erreicht werden kann, ohne dass BMW Qualitätseinbußen hinnehmen muss; ob globale Zulieferer wirklich BMW in den Nordosten Chinas folgen werden, obwohl das Unternehmen relativ geringe Stückzahlen plant. All das bleibt unbeantwortet. Nur eines will Kunz immer wieder kommunizieren. Dass die chinesische Automobilindustrie mit Hilfe von BMW einen Quantensprung machen wird.
Die Produktion ist nur für den chinesischen Markt ausgelegt. Wozu aber BMW sich gegenüber dem Partner Brilliance verpflichtet hat, dass bei jeder Produktreihe immer die neusten Modelle produziert werden und auch die neuste Technik hierher gebracht wird. Das ist also nicht so, dass wir hier Auslaufmodelle produzieren werden, während wir in der übrigen Welt schon einen Modellwechsel hatte. Das ist ein ganz großer Unterschied zu einigen unserer Wettbewerber oder zu früheren Ansätzen in der Automobilindustrie.
Unangefochtener Primus im Luxussegment ist jedoch nach wie vor Audi mit einem Marktanteil von mehr als 40 Prozent. Rund 63.000 Autos konnte die Ingolstädter VW-Tochter im vergangenen Jahr in China verkaufen. Um von seinem Image des Kader-Karossenherstellers wegzukommen, führte das Unternehmen zusätzlich zum A6 im vergangenen April den A 4 ein. Damit sollen auch lifestyleorientierte Privatkunden auf dem schnellst wachsenden Automarkt der Welt angesprochen werden. Vorstandsmitglied Erich Schmitt ist zuversichtlich, dass Audi auch in Zukunft seinen Vorsprung gegenüber den Mitbewerbern halten kann.
Noch rollt der Großteil der in China gefertigten Pkw bei ausländischen Gemeinschaftsunternehmen vom Band, an denen die internationalen Hersteller maximal 50 Prozent halten dürfen. Die lokalen Autobauer beschränken sich auf die Montage von Modellen ihrer ausländischen Joint-Venture-Partner. Die wenigen rein chinesischen Pkw, z.B. der Firmen Geely, Brilliance oder Chery haben nur einen kleinen Marktanteil.
Von den 120 chinesischen Autoherstellern produzieren gerade mal zehn mehr als 100.000 Wagen pro Jahr. Die chinesische Regierung will dies ändern, indem sie die lokalen Hersteller drängt, eigene Modelle auf den Markt zu bringen und untereinander zu fusionieren. Ziel ist die Bildung von zwei bis drei auch international agierenden Automobilherstellern und 10-15 weiteren, die vorwiegend für den chinesischen Markt produzieren sollen. Peking betrachtet die Autoindustrie als eine der wichtigsten Säulen des Wirtschaftswachstums. Aus Sorge, dass die chinesischen Hersteller schon bald für immer aus dem Branchenbuch verschwinden könnten, entschied sich Peking kürzlich, ein uraltes Strategiepapier aus den Schubladen zu holen. Bis 2010 soll die Hälfte des chinesischen PKW-Marktes von lokalen Herstellern kontrolliert werden. Bisher bestreiten diese nicht mal ein Zehntel.
Mehr Marktanteile sind jedoch nur dann realistisch, wenn die chinesischen Hersteller Copy-Right-Vereinbarungen in Zukunft gezielt verletzen. Der Weg dorthin ist geebnet: Die vier großen staatlichen Hersteller (FAW, SAIC, Dongfeng und Guangzhou Automobile Group) sind gleich mit mehreren ausländischen Firmen Joint-Ventures eingegangen. Auf diese Weise können sie von ihnen lernen und sie gegeneinander ausspielen. Schon heute kopieren chinesische Hersteller Design und Technik ihrer Joint-Venture-Partner.
So machte vor gut zwei Jahren der Hersteller Chery mit einem Modell auf sich aufmerksam, dessen Technologie der des VW Jetta verblüffend ähnlich ist. Toyota wiederum verklagte 2002 das Privatunternehmen Geely wegen Verstößen gegen den Markenschutz, verlor den Prozess allerdings. Dies war das erste Verfahren dieser Art in Chinas Autoindustrie. Doch die Fälle könnten sich schon bald häufen. Laut einer Umfrage der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG befürchten 90 Prozent der weltweit tätigen Autohersteller, dass sie in China kopiert werden.
Auch die Zulieferindustrie steht unter der Fuchtel der Regierung. "Wir sind dazu verpflichtet, 40 Prozent unserer Bauteile von örtlichen Zulieferern zu beziehen", klagte kürzlich BMW-Chef Panke. Die liefern häufig schlechte Qualität zu erheblich höheren Preisen. Durchschnittlich liegen sie ein Drittel über dem Weltmarktniveau. Auch die Kosten der internationalen Zulieferer, die in China produzieren, liegen darüber. Ein Grund sind die hohen Importzölle für Materialien und Maschinen, die bisher nicht in China gefertigt werden können. Hinzu kommt, dass die vergleichsweise niedrigen Stückzahlen eine rentable Produktion erschweren, sagt Volker Gaertke. Er arbeitet für den amerikanischen Konzern Delphi, den unangefochtenen Marktführer unter den internationalen Zulieferern. Als Delphi 1994 in China anfing, war VW der erste Kunde. Inzwischen beliefert Delphi fast alle Hersteller und konnte im vergangenen Jahr seinen Umsatz um 50 Prozent auf 650 Mio. US$ steigern. Der Kundenbetreuer Gaertke hält eine strenge Lokalisierungsquote für falsch.
Lokalisierung bedeutet ja, dass ich die richtige Technologie zu richtigen Kosten bei gleichbeibender Qualität bekommen kann. Vorgaben wie in der Vergangenheit haben dazu geführt, dass lokalisiert wurde, ohne dass alle drei Punkte gegeben waren. Wenn wir die drei vorfinden, werden wir sicherlich in China produzieren. Der Zwang zur Lokalisierung hat China nicht gut getan. Mit der Freiheit, China als einen Produktionsstandort unter vielen weltweit zu sehen, ist China viel besser bedient.
Bisher importieren Joint-Venture-Unternehmen wie VW oder General Motors neben dem Design auch die Motoren und die gesamte Elektronik. Um die Kosten in Zukunft zu senken und der Aufforderung der chinesischen Regierung nachzukommen, in China für Arbeitsplätze zu sorgen, drängen sie jedoch ihre heimischen Zulieferer, ihnen nach China zu folgen und direkt vor Ort zu produzieren.
Mit großer Sicherheit werden die derzeitigen Wachstumsraten schon bald deutlich sinken. Experten rechnen daher mit enormen Überkapazitäten und halten einen Preiskampf für unvermeidbar. Zhao Ying, Autoexpertin der Chinesischen Akademie der Sozialwissenschaften ist der Ansicht, dass trotz prognostizierter Zuwachsraten von 30 Prozent über die nächsten Jahre nicht alle westlichen Autokonzerne in China überleben können. Es werde zu Schließungen und Übernahmen kommen, sagt sie.
Ob Exporte für die Konzerne langfristig ein attraktiver Ausweg sind, ist umstritten. Denn die Produktionskosten sind höher als in Osteuropa oder Brasilien. Zum anderen müssen die in den Joint-Ventures erwirtschafteten Gewinne geteilt werden. Für Exporte in die asiatischen Nachbarländer sprechen in erster Linie die niedrigen Transportkosten. Honda will in Südchina schon bald eine neue Fabrik bauen, die nur für den Export produzieren soll. Und auch Volkswagen will die Chance nutzen.
Im Dezember 2003 rollte in Shanghai der erste Polo für den australischen Markt vom Band. Bevor sich Volkswagen-Vorstandsmitglied Folker Weißgerber demonstrativ in den ersten Export-Wagen setzte, betonte er die Bedeutung des silbernen Polos mit Stufenheck:
Ich glaube, dass der heutige Tag ein ganz bedeutender in der Geschichte von SVW ist, weil wir heute beweisen, dass wir international konkurrenzfähig sind. Diesen Beweis erbringen wir, indem wir in ein Automobiltechnik gesehen schwieriges Land, nach Australien, VW-Polo aus Shanghai exportieren.
Bis 2008 sollen jedes Jahr mindestens 600 Wagen nach Australien geliefert werden. Für VW bedeutet dieser Polo gleich mehrere Superlative: Das erste in China produzierte Auto, das in einem entwickelten Land verkauft wird, zum ersten Mal in Serie und zu gängigen Preisen. Im Juli noch hatten die Wolfsburger Export-Pläne dementiert. Damals sei vieles unklar gewesen, sagt Asien-Pazifik-Chef Bernd Leissner sechs Monate später.
Wenn die Qualität stimmt, und die stimmt glücklicherweise – und wenn die Kosten stimmen, dann überlegen wir, ob wir es tun. In dem Fall hat beides gestimmt – und wir haben begonnen.
Der chinesischen Regierung machen unterdessen nicht nur Überkapazitäten Sorgen, sondern auch die drohende Energie- und Verkehrskatastrophe. Experten, die vor den Folgen eines autozentrierten Transportsystems warnen, wird neuerdings Gehör geschenkt. So sprach kürzlich der langjährige Präsident des Worldwatch Instituts in Washington und Altstar der globalen Ökoszene, Lester Brown, vor Studenten der Pekinger Volksuniversität. Eindringlich warnte er vor den globalen Folgen, sollte die Zahl der Autos weiter ungebremst steigen. Im November empfing die chinesische Regierung einen der einflussreichsten Kritiker der Autoindustrie, den Chef von Greenpeace, Gerd Leipold. Das englischsprachige Parteiblatt China Daily kommentierte unlängst: "Der Autoboom ist der Vorreiter eines Alptraums städtischer Entwicklung".
Doch bisher ist Shanghai die einzige Stadt in China, die versucht, die Zahl der Autos zu begrenzen. Die 20-Mio.-Metropole ist dazu übergegangen, einmal im Monat 6.000 Zulassungen zu versteigern. Autobesitzer müssen bis zu 5.000 Euro zahlen, um an eines der heiß begehrten Nummernschilder zu kommen. Diese Maßnahme spült zwar Geld in die Kassen der Stadtregierung. Sie hilft aber nur wenig. Denn viele Autobesitzer sind findig genug, um ihren Wagen in einer anderen Provinz registrieren zu lassen. Zhu Hao vom Shanghaier Institut für Verkehrsplanung will daher all seine Energie darauf verwenden, dass der öffentliche Nahverkehr nicht länger zugunsten des privaten Autoverkehrs benachteiligt wird.
Der Verkehrsstau wird in erster Linie durch Autos verursacht. Und die meisten Autobesitzer sind Angehörige der neuen Mittel- und Oberschicht. Es wäre daher nicht gerecht, wenn die anderen Verkehrsteilnehmer in gleichem Maße unter dem Stau leiden müssten wie die Autofahrer.
Konkret heißt dies, dass Busspuren eingerichtet werden, damit alle, die den öffentlichen Nahverkehr nutzen, schneller durchkommen. Da gibt es nur ein Problem: Die öffentlichen Verkehrsmittel sind völlig überlastet, das räumt auch Zhu Hao ein. Shanghai hat den Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs schlichtweg verschlafen.
Selbst die U-Bahnen, die bis vor kurzem noch nicht so voll waren, sind nun überfüllt. Wir haben zusätzliche Züge eingesetzt. Die Linie 1 verkehrt bereits alle 3 Minuten. Aber das ist immer noch nicht genug. Der Nahverkehr hält momentan einfach nicht Schritt mit dem gestiegenen Bedarf. Wir müssen die Infrastruktur völlig neu planen.
Bis Shanghai im Jahr 2010 die Expo ausrichtet, sollen zusätzliche Strassen, Tunnel und Brücken gebaut werden. Am Ausbau des U- und S-Bahn-Netzes wird bereits gearbeitet. In den nächsten sechs Jahren sollen die Transportkapazitäten von derzeit einer Million auf acht Millionen erhöht werden. Um das Verkehrschaos in der dicht besiedelten Stadt so schnell wie möglich zu verringern, haben die Stadtväter sich kürzlich allerdings etwas ausgedacht, was den Nahverkehr in zusätzliche Bedrängnis bringen dürfte.
Seit dem 1. Januar darf auf den Hauptstraßen der Hafenmetropole nicht mehr geradelt werden. Die speziellen Fahrradspuren, die bei Ausländern oft für Verwunderung gesorgt hatten, sollen in Zukunft für Autos frei gehalten werden.
Die Stadtväter wollen in einer der meist verschmutzten Metropolen dieser Welt ausgerechnet dem umweltfreundlichsten aller Verkehrsmittel den Garaus machen. Anders sei dem wachsenden Verkehrschaos nicht beizukommen, so lautet die offizielle Begründung von Bürgermeister Han Zheng.
1949 hatte die chinesische Führung das Fahrrad noch als Transportmittel der Massen gepriesen. Angesichts nicht enden wollender Staus aber verkündet Chinas Vorzeigemetropole nun den Abschied vom Drahtesel. Die Radler sollen auf Bus oder U-Bahn umsteigen. Und wo die nicht verkehren, auf Taxis. Hauptsache sie machen die Strassen frei. Denn China braucht eine zusätzliche Überholspur für seinen Weg in das Autozeitalter.