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Vom Schiedsrichter zum Mitspieler

Helfen die milliardenschweren Hilfsprogramme Griechenland wirklich? Oder wäre eine Umschuldung, der sogenannte "Haircut", die bessere Lösung. Gläubiger müssten teilweise oder sogar ganz auf ihr Geld verzichten - betroffen wäre auch die Europäische Zentralbank.

Von Christoph Birnbaum |
    Sie spitzt sich täglich zu - die finanzielle Lage Griechenlands. Und so jagt auch ein Krisentreffen das nächste. Ist die Zukunft des Landes heute Thema beim Treffen der Bundeskanzlerin mit dem französischen Staatspräsidenten, treffen sich am Sonntag und Montag erneut die Finanzminister der Eurozone in Luxemburg, um über die nächste Finanzspritze für Athen zu beraten, sie vielleicht schon zu beschließen. Nächste Woche folgt der EU-Gipfel mit den Staats- und Regierungschefs. Doch die Zweifel wachsen: Helfen die milliardenschweren Hilfsprogramme Griechenland wirklich, oder ist die Staatspleite Athens nicht längst eine ausgemachte Sache?

    Die Politiker - nicht nur in Deutschland, sondern auch in anderen EU-Staaten - werden zusehends skeptischer und diskutieren immer offener und drängender, was viele Banker vor Kurzem noch gar nicht gerne hören wollten - eine Umschuldung des Landes. Dabei gibt es zwei Varianten: Die weiche, bedeutet längere Laufzeiten der Schuldpapiere. Dadurch blieben den Gläubigern griechischer Anleihen schmerzhafte Wertberichtigungen jedenfalls zunächst erspart. Variante zwei ist der so genannte "Haircut". Ein harter Schuldenschnitt. Dabei müssen Gläubiger teilweise oder ganz auf ihre Forderungen verzichten. Verlieren also Geld.
    Doch noch stemmt sich die Europäische Zentralbank mit aller Macht gegen diesen Schritt. Denn die EZB steckt mitten drin im Problem. Und das, obwohl sie eigentlich Schiedsrichter sein sollte und nicht Mitspieler.

    Was ist die Aufgabe der Europäischen Zentralbank?

    Gegründet 1998, ein Jahr vor der Einführung des Euro, soll die EZB in erster Linie die Geldmenge im Euroraum kontrollieren. So steht es im Vertrag von Maastricht aus dem Jahr 1992. Und die EZB ist die "oberste Hüterin" der Preisstabilität innerhalb Europas. Sie muss also dafür sorgen, dass die Inflation die Marke von zwei Prozent nicht überschreitet.

    "Die EZB war ja geradezu angelegt als die Bundesbank des Euroraums und hat insofern versucht, die Attribute, die der Bundesbank zugeschrieben wurden - stabilitätsorientiert in erster Linie, glaubwürdig als zweiter Punkt, wobei das eine natürlich sehr eng mit dem anderen zusammenhängt - zu übernehmen. Und ich denke, das ist ihr in den ersten zehn Jahren der Währungsunion ja durchaus auch gelungen","

    sagt der Volkswirt und EZB-Kenner Ferdinand Fichtner, zuständig für Konjunkturpolitik am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung DIW in Berlin. Als Zentralbank der Euroländer bekommt die EZB ihr Geld von den Zentralbanken aus den 17 Mitgliedsländern - prozentual nach deren Größe. Deutschland ist mit etwa 20 Prozent beteiligt. Dennoch soll die Bank politisch unabhängig sein. Das sei ihr lange gut gelungen, sagt Fichtner:

    ""Die EZB hat sich auf ihre unabhängige Position immer sehr gut und sehr konsequent berufen und hat dabei durchaus ja auch Erfolge vorzuweisen gehabt: Das Preisniveau und die Inflation im Euroraum waren ausgesprochen niedrig und ansonsten hatten wir im Euroraum - was die geldpolitische Situation angeht - ausgesprochen wenige Probleme. Und das in einer Zeit, wo wir ja auch schon Finanzmarktkrisen hatten - beispielsweise in den USA ist die dot.com-Blase geplatzt. Wir hatten Finanzkrisen auf den Weltdevisenmärkten. Also, insofern denke ich, ist die EZB ihrer Funktion als Stabilitätsanker sehr gut nachgekommen."

    Doch vor ziemlich genau einem Jahr, im Mai 2010 - erfasste die internationale Finanzkrise Griechenland. Die internationalen Ratingagenturen stuften die Kreditwürdigkeit herab, so dass es für das Land und vor allem für griechische Banken fast unmöglich wurde, sich Geld auf dem freien Kapitalmarkt, also bei anderen Banken zu leihen.

    Welche Rolle spielt die EZB in der Griechenland-Krise?

    Den europäischen Politikern und der EZB blieb nichts anderes übrig: Sie sprangen ein: Brüssel spannte einen riesigen finanziellen Rettungsschirm mit direkten Zahlungen und Garantien, und die Europäische Zentralbank kaufte in großem Umfang riskante Staatsanleihen. Zuerst waren es "nur" griechische Staatsanleihen - später folgten auch noch portugiesische und irische. Hier sieht Ferdinand Fichtner die Ursprünge des Problems, mit dem die EZB heute zu kämpfen hat.
    "Ich fürchte, die EZB hat in der Finanzkrise einiges an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Die ersten zwei Jahre der Finanzkrise, das heißt nach dem Lehman-Schock bis Anfang 2010 hat die EZB, glaube ich, noch sehr besonnen agiert, und die Kapitalmärkte haben das auch noch mit sehr viel Wohlwollen beobachtet. Aber als dann die Krise nach Europa übergeschwappt ist in Form der Euro-Schuldenkrise, da ist der EZB - ich fürchte - in vielen Fällen auch keine andere Alternative geblieben, als schnell zu handeln, auch einfach, weil die Institutionen im Euroraum noch nicht bereit waren, mit dieser Krise umzugehen."

    Zum Handeln wurde EZB-Präsident Jean-Claude Trichet vor allem aus Frankreich gedrängt. Von Staatspräsident Nicholas Sarkozy und seiner Finanzministerin Christine Lagarde, die heute für den Chefposten beim Internationalen Währungsfonds kandidiert. Wollte man damals vor allem französische Kreditinstitute schützen, die sich bis heute stark bei griechischen Banken und in der griechischen Wirtschaft engagieren? Offiziell sagte Trichet damals: Der Ankauf griechischer Staatsanleihen muss sein - um die gesamte Eurozone vor einer drohenden unkontrollierten Insolvenz eines Eurostaates zu retten.

    Ist die EZB vor der Politik eingeknickt und hat ihre Unabhängigkeit aufgegeben?

    Zu den Kernaufgaben der EZB gehört, wie bei jeder Notenbank, die Geldpolitik im Auge zu behalten und für die Stabilität des Euro zu sorgen. Aber es sind eben nicht die einzigen Aufgaben, sagt der Finanzmarktwissenschaftler Manfred Jäger-Ambrozewicz vom Institut der Deutschen Wirtschaft, dem IW in Köln:

    "Na ja, wenn man sich die Geschichte von Zentralbanken ganz grundsätzlich anschaut, dann muss man erst einmal ganz grundsätzlich feststellen, dass sie geschaffen wurden, um Finanzkrisen zu vermeiden. Sie waren also der 'lender of last resort', wie man so sagt, also derjenige, die, wenn die Banken in Liquiditätsschwierigkeiten kommen, und zwar unverschuldet, weil illiquide und nicht insolvent, dann soll die Zentralbank einspringen."

    Und den Finanzinstituten Geld zur Verfügung stellen - dabei ist sie nach Ansicht von IW-Geldmarktexperte Manfred Jäger-Ambrozewicz einen Schritt zu weit gegangen: Denn die EZB belieh die ausländischen Staatsanleihen nicht mehr nur, sondern kaufte die Papiere auf - mit allen Risiken.

    "Genau genommen hat die EZB den Banken - französischen, deutschen und sonstigen Banken - diese Anleihen abgekauft. Früher hat die Zentralbank die Anleihen zu Refinanzierungsgeschäften akzeptiert als Sicherheiten, das sind immer temporäre Geschäfte für eine, für zwei Wochen, für einen Monat usw. Diesmal hat sie diese Wertpapiere endgültig gekauft und damit auch ein Risiko übernommen."

    Damit ist sie längst nicht mehr nur ein neutraler Beobachter, wie sie es sein sollte, sondern zutiefst involviert. Die EZB und ihr Präsident Trichet sind Partei. Und wenn sie sich dem Drängen vieler Politiker auf eine schnelle Umschuldung Griechenlands weiterhin widersetzt, vertritt sie als Institution und Jean-Claude Trichet als EZB-Präsident in hohem Maße eigene Interessen. Von einer unabhängigen Notenbank kann keine Rede mehr sein. In diese Lage ist die EZB nicht unwissentlich geraten, meint Ferdinand Fichtner vom DIW in Berlin.

    "Ich glaube nicht, dass die EZB sich darauf berufen kann, dass sie das nicht gewollt hatten. Trichet und der EZB-Rat hat im Frühjahr letzten Jahres durchaus erkannt, dass das jetzt notwendig ist, dass man zu diesen unkonventionellen Maßnahmen greifen muss. Ich bin nicht überzeugt, dass sich Trichet und der Rat darüber im Klaren waren, dass man langfristig in dieser Situation bleiben wird. Ich fürchte, das hat man zum damaligen Zeitpunkt unterschätzt, dass sich die Krise weiter ausbreitet."

    Heute ist die EZB der größte Gläubiger Griechenlands. Durch ihr Ankaufprogramm hält sie griechische Anleihen im geschätzten Wert von knapp 50 Milliarden Euro, sagt Ferdinand Fichtner vom DIW:

    "Schätzungen laufen darauf hinaus, dass die EZB ungefähr 40 bis 50 Milliarden Euro griechische Staatsanleihen direkt aufgekauft hat durch die Intervention am Kapitalmarkt. Darüber hinaus ist die EZB involviert, weil griechische Banken sich bei der EZB Kapital geliehen haben und griechische Staatsanleihen als Sicherheiten hinterlegt haben. Da geht man davon aus, dass dies in der Größenordnung von 90 Milliarden Euro bewegt. Das wäre die Gesamtsumme - 40 bis 50 Milliarden Direkt aufgekaufte Staatsanleihen, und 90 Milliarden an Sicherheiten, die noch in den Büchern stehen."

    Kann die EZB pleite gehen?

    Bei solch hohem finanziellen Risiko steuert die Zentralbank auf eine technische Pleite zu, ist der Chef des Münchener Ifo-Instituts, Hans-Werner Sinn, überzeugt: Er rechnet vor, dass das Eigenkapital der EZB bei knapp elf Milliarden Euro liege. Sollte es zu einem Schuldenschnitt von 50 Prozent kommen und die EZB damit auf die Hälfte ihrer Forderungen verzichten müssen, müsste sie gut 20 Milliarden Euro abschreiben. Andere Berechnungen nennen noch viel gewaltigere Summen - allein, was das Risiko der griechischen Anleihen angeht. Dazu kommen dann noch die milliardenschweren Staatsanleihen und Rettungspakete für Portugal und Irland.

    Ist die EZB also durch ihr gewolltes, oder ungewolltes Engagement zur "Bad Bank" geworden? Zum Müllplatz für toxische Wertpapiere in Europa, die die Zentralbank bei einem Schuldenschnitt Griechenlands in die Pleite reißen können? Manfred Jäger-Ambrozewicz vom IW Köln glaubt nicht an die Gefahr einer Pleite der EZB, aber er sieht, welche Risiken Trichet und die EZB vor knapp einem Jahr eingegangen sind:

    "Soweit würde ich nicht gehen, aber es ist auf jeden Fall bemerkenswert und bedenklich, dass die Zentralbank aufgetreten ist, um diese Anleihen zu kaufen. Damit vermischt sich nämlich die Geldpolitik und die Fiskalpolitik und die Europapolitik und das ist eine unglückliche Verbindung, weil die EZB dann nicht mehr unabhängig nach dem eigenen Mandat her Geldpolitik betreiben kann, sondern eben auch noch fürchten muss, dass sie in die Bredouille gerät oder in Schieflagen, wenn die Anleihen umstrukturiert werden."

    Auch Ferdinand Fichtner vom Berliner DIW sieht die Lage der EZB kritisch:

    "Ich würde das nicht als Bad Bank bezeichnen, aber natürlich hat die EZB damit hochriskante Papiere in ihren Büchern stehen. Standard & Poors hat Griechenland gerade auf absoluten Junk-Status herab gestuft. Das heißt beispielsweise, dass seriöse Versicherungen die Papiere abstoßen werden, die die EZB jetzt in ihren Büchern stehen hat. Das ist sicherlich fraglich. Im Gesamtvolumen macht das Engagement in Griechenland nicht so viel aus. Insofern ist die EZB keine reine Bad Bank, aber natürlich hat die EZB damit Papiere in ihren Büchern stehen, die extrem ausfallgefährdet sind."

    Wer zahlt, wenn die EZB in Schieflage gerät?

    In jedem Fall müsste die EZB genauso wie jede andere Bank im Fall einer Umschuldung Griechenlands Wertberichtigungen in großem Stil vornehmen, Verluste abschreiben und sich eventuell neues Eigenkapital besorgen - beispielsweise von der deutschen Bundesbank. Denn die Europäische Zentralbank wird zu unterschiedlichen Anteilen von den Eurostaaten finanziert. Die Euro-Staaten halten rund 70 Prozent am Eigenkapital der Bank, die restlichen 30 Prozent die übrigen Nicht-Euro-Länder. Thomas Hartmann-Wendels, Direktor des Instituts für Bankwirtschaft an der Universität Köln:

    "Die EZB gehört allen Staaten der Eurozone, entsprechend ihrer Größe - also Deutschland hat wieder den größten Teil beizutragen - , so dass also letztlich diese Verluste, die die EZB durch die Abschreibung ihrer Staatsanleihen hinnehmen muss, auf den Steuerzahler zukommen werden."

    Deutschland hat knapp 20 Prozent des EZB-Kapitals bereit gestellt. Rund zwei Milliarden Euro. Im Fall größerer Verluste der EZB wäre Deutschland also mit rund 20 Prozent der Summe in der Pflicht. Das könnte sich sehr schnell auf zweistellige Milliardenbeträge summieren.

    Sollen private Gläubiger im Fall einer Umschuldung herangezogen werden?

    Die EZB ist gegen eine Beteiligung privater Gläubiger. Weil sie damit ihre Aussagen der letzten Jahre korrigieren müsste. Der Kölner Bankenexperte Thomas Hartmann-Wendels meint dazu:

    "In der Vergangenheit hat man den Fehler gemacht, dass man den Banken suggeriert, eingeredet hat, wenn ihr Griechenland einen Kredit gebt, ist das sicher. Davon sind die Banken ausgegangen, deshalb haben sie Griechenland auch Kredite gegeben, obwohl Griechenland eigentlich gar nicht mehr kreditwürdig war. Das war natürlich ein Fehler, dass man diesen Eindruck erweckt hat und dass die Banken darauf auch vertraut haben. Wenn man dies mit einem Schlag korrigieren würde, und den Banken sagt, da habt ihr euch getäuscht, auch Griechenland ist ein Schuldner, der insolvent werden kann, bei dem ihr Verluste erleiden konntet, hätte das natürlich enorme Folgen einmal für die Banken selbst, die jetzt Abschreibungen vornehmen müssen, und die Gefahr wäre sehr groß, dass wir wieder in eine Bankenkrise hineinschlittern, weil man nicht weiß, welche Bank in welchem Maß engagiert ist."

    Der Interbankenhandel, in dem sich Banken untereinander Geld leihen, und von dem Griechenland zur Zeit komplett abgeschnitten ist, weil es sich nur mehr durch die Rettungspakete Europas finanziert, käme für Griechenland so nur schwer in Gang. Thomas Hartmann-Wendels:

    "Es hätte aber auch die Konsequenz, dass Griechenland über lange Zeit nicht mehr den Kapitalmarkt gehen könnte vermutlich, und damit um so mehr am Tropf auch der anderen Eurostaaten hängen würde."

    Denn: wenn man den Banken sagt, dass sie mit ihrem Investment in Griechenland in der Vergangenheit ein übergroßes Risiko eingegangen sind - bekommt Griechenland erst recht keine Kredite mehr von privaten Banken. Die Politik müsste wieder einspringen - und wahrscheinlich auch die EZB. Denn die Forderung, Griechenland müsse sich so schnell wie möglich wieder frisches Geld am privaten Kapitalmarkt besorgen, kann dann noch so oft wiederholt werden - sie läuft ins Leere.

    Das ist ein Argument, das Trichet in der Vergangenheit immer wieder vorgebracht hat, wenn es um die Rolle der privaten Gläubiger ging, die Griechenland schon bald wieder neue Kredite bewilligen sollen.

    Ist das der einzige Grund warum Trichet die privaten Gläubiger nicht beteiligen möchte?

    "Ich glaube, die EZB fürchtet dann noch mehr als bisher ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel zu setzen","

    sagt Ferdinand Fichtner vom DIW in Berlin:

    ""Jean-Claude Trichet hat im Prinzip in den letzten achtzehn Monaten gebetsmühlenartig wiederholt, dass private Gläubiger nicht an der Umschuldung Griechenlands beteiligt werden. Und ich glaube, dass Trichet, auch angesichts des nahenden Endes seiner Amtszeit, seine persönliche Integrität nicht in Frage stellen möchte und sich nicht selbst widersprechen möchte."

    Im Oktober endet nach acht Jahren Trichets Amtszeit als Chef der Europäischen Zentralbank. Sein Nachfolger soll der italienische EZB-Banker Mario Draghi werden.

    "Ich glaube, dass der Wechsel in der Europäischen Zentralbank ist ein ganz entscheidender Aspekt in der aktuellen Geschichte. Ich glaube, dass Trichet gute Gründe dafür hat zu hoffen, dass bis zum Ende seiner Amtszeit im Oktober auf seiner Position beharren kann. Und ich fürchte, und darin liegt die Tragik der aktuellen Geschichte, ich fürchte, das Mario Draghi sich auch nicht gegen seinen Vorgänger offen wenden wird. Auch unter Mario Draghi wird es zunächst nicht zu einer Beteiligung der privaten Gläubiger der griechischen Regierung kommen."

    Das bedeutet: Die EZB wird die Verluste alleine tragen müssen.

    Wie sieht also die Zukunft der EZB aus?

    Fragt man die volkswirtschaftlichen Experten, gibt es dafür zwei Szenarien. Manfred Jäger-Ambrozewicz vom "Institut der deutschen Wirtschaft" bleibt optimistisch - trotz aller Rückschläge für die europäische Notenbank.

    "Also ich bin bezüglich der EZB und bezüglich des Euro nicht sehr beunruhigt - außer: Man findet den Weg zurück zu einer normalen Geldpolitik nicht. Denn was wir gegenwärtig sehen ist ja eher, dass der Euro stärker geworden ist. Das heißt das grundsätzliche Vertrauen der internationalen Finanzmärkte in die Stabilität der Währung ist nicht untergraben."

    Anders sieht dies sein Kollege Ferdinand Fichtner vom DIW in Berlin. Er blickt mehr als skeptisch in die Zukunft:

    "Ich glaube, die EZB hat schon viel Glaubwürdigkeit eingebüßt und zwar nicht nur in Bezug auf den direkten Aufkauf von Staatstiteln, sondern die Kapitalmärkte haben in gewissem Umfang auch das Vertrauen in das unbedingte Ziel der Preiswertstabilität der EZB verloren oder sehen dieses Ziel zumindest in Frage gestellt. Die EZB hat darauf in den letzten Monaten ja reagiert mit einer Zinsanhebung, beziehungsweise mit der Ankündigung einer Zinsanhebung für den nächsten Monat. Ich denke, das signalisiert, dass die EZB wieder zurück will in ihre alte Position als Hort der Glaubwürdigkeit. Ich glaube, es wird ein weiter Weg sein für die EZB."

    Wie werden EZB und EU in der "Causa Griechenland" weiter vorgehen?:

    "Ich fürchte, die europäische Politik wird weiter festhalten an dieser Politik des Durchwurschtelns, einer Symptombekämpfung mit Hilfe von Rettungspaketen, anstatt die zugrunde liegenden Strukturprobleme anzugehen."

    Und diese Strukturprobleme, das zeigt sich immer deutlicher, hat nicht nur die griechische Wirtschaft. Weitaus mehr noch müssen die EU und ihre Institutionen sich schnellstens erneuern, um mit den Problemen ihrer Mitgliedsländer fertig zu werden. Dazu gehören zum Beispiel ein Insolvenzrecht für Staaten, die in finanzielle Schwierigkeiten geraten sind, wirksame Sanktionsmöglichkeiten der EU, um Schuldenstaaten frühzeitig und nicht durch hektisch geschnürte Rettungspakete wieder zu einer soliden Haushaltsführung zu bewegen; und vor allem eine bessere und schlagkräftigere europäische Banken- und Finanzmarktaufsicht. Darüber allerdings ist in Brüssel und Luxemburg der Streit mindestens genauso groß, wie der zwischen den Parteien im Athener Parlament. Keine gute Aussicht für Europa.