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Von Agenten und Menschenhändlern

John Le Carrés fünfter Agentenkrimi um den britischen Geheimdienstler George Smiley, "Dame, König, As, Spion", ist jetzt mit Gary Oldman neu verfilmt worden. Der Held des zweiten Films ist eher unbekannt, sein Darsteller umso berühmter: Brad Pitt spielt den amerikanischen Baseball-Manager Billy Beane in "Die Kunst zu gewinnen - Moneyball".

Von Jörg Albrecht | 01.02.2012
    Der Maulwurf ist tageslichtscheu und ein Einzelgänger. Die meiste Zeit hält er sich in seinem Bau auf. Nicht nur im Tierreich ist er zuhause. Auch unter den Menschen findet man ihn. Vor allem bei Behörden wie Geheimdiensten schleicht er herum, damit er diese ausspionieren oder im Sinne seiner Auftraggeber manipulieren kann.

    "Es gibt einen Maulwurf. Ganz oben. An der Spitze des Circus. Und der sitzt da schon seit Jahren."

    Im "Circus", wie der britische Auslandsgeheimdienst MI6 von seinen Mitarbeitern selbst genannt wird, soll also ein Maulwurf sein Unwesen treiben. Zur Schädlingsbekämpfung plant die Regierung, einen ehemaligen Mitarbeiter der Organisation zu reaktivieren: Es ist George Smiley, über viele Jahre rechte Hand des früheren MI6-Chefs "Control". Gary Oldman spielt ihn.

    "Für meine Begriffe sind Sie in der richtigen Position, um die Sache für uns zu untersuchen, nicht wahr? Außerhalb der Familie."
    " Ich bin im Ruhestand, Oliver. Sie haben mich rausgeworfen."

    Vergessen sind die Umstände eines missglückten Einsatzes Anfang der 1970er-Jahre in Budapest, die sowohl "Control" als auch Smiley ihren Job gekostet haben. Seinem Land fühlt sich Smiley weiterhin verpflichtet. Offensichtlich liegt es in der Natur des Geheimdienstlers, dass er seine eigenen Bedürfnisse den nationalen Interessen in der Zeit des Kalten Krieges unterordnet.

    "Sie sehen müde aus."
    "Ich habe nicht gut geschlafen."

    Smileys Privatleben ist auf der Strecke geblieben. Sein Blick durch dicke Brillengläser ist regungslos, fast starr, die Andeutung eines Lächelns auf seinen Lippen wohl nur eine Täuschung. Nach all den Jahren im MI6 ist es einsam um ihn geworden. Ein Schicksal, das er mit seinen Ex-Kollegen, die er jetzt unter die Lupe nehmen muss, teilt. Die Liste der Verdächtigen ist lang und macht den Film, der immer wieder mit kurzen Rückblenden arbeitet, unübersichtlich.
    "Er ist ein Doppelagent, George. Es gibt keinen Maulwurf. Das hat sich alles Moskau ausgedacht. Ich habe meine eigenen Leute ausspioniert. Wissen Sie, was das für ein Gefühl ist?"

    Aber selbst wenn sie kein Maulwurf sind, so wimmelt es nur so von grauen Mäusen beim MI6. James-Bond-Charme versprüht hier niemand. Die Männer - meist sind es Männer - sind kalte Bürokraten, Karrieristen und Hardliner. Grau ist diese Welt, die John le Carré in seinen Romanen entworfen hat und die der aus Schweden stammende Filmemacher Tomas Alfredson jetzt auf die Leinwand bringt. Die Farben sind ausgewaschen. Sanft, oft kaum wahrnehmbar gleitet die Kamera durch die Räume.

    Ganz im Sinne der Romanvorlage vermitteln die Abläufe innerhalb der abgeschirmten Welt von Geheimdiensten einen Einblick in das Innenleben der Akteure. So ist "Dame, König, As, Spion" eher sorgfältige Charakterstudie als packender Agententhriller, denn Spannung will in diesem höchst akkuraten, aber auch schleppend und umständlich inszenierten Film keine aufkommen.

    "Dame, König, As, Spion" von Tomas Alfredson - zwiespältig!

    "Wir müssen neue Wege gehen. Wir sind der letzte Hund am Fressnapf."

    Billy Beane, Manager der Oakland A´s, hat es satt. Jedes Jahr zu Beginn der Saison muss er sein Baseballteam völlig neu aufstellen, weil wieder einmal Leistungsträger verkauft werden mussten. Das Budget der Oakland A´s ist gerade mal ein Bruchteil dessen, was anderen Mannschaften zur Verfügung steht. Doch auch Beane will um die Meisterschaft mitspielen und lässt sich auf ein Wagnis ein, das ihn seinen Job kosten könnte. Bei der Verpflichtung neuer Spieler greift er auf ein ungewöhnliches Bewertungssystem zurück, das ein junger Wirtschaftswissenschaftler entwickelt hat. Dieses System folgt der Theorie, dass viele talentierte Spieler oft falsch eingeschätzt und deshalb übersehen werden.

    "Billy, unter den 20.000 erfassten Spielern, die zur Verfügung stehen, gibt es meiner Meinung nach ein Meisterschaftsteam von 25 Spielern, die wir uns leisten können, weil alle anderen sie falsch bewerten."

    Der alte Trainerstab der Oakland A´s zeigt allerdings kein Verständnis für Beane, der mit seinem neuen System Ernst macht und die gesamte Mannschaft umkrempelt.

    "Darf ich ganz offen sein?"
    "Klar, schieß los!"
    "Man stellt ein Team nicht in einem Computer zusammen, Billy. Baseball ist mehr als bloß Zahlen. Das ist keine Wissenschaft. Wenn es so wäre, dann könnte jeder unseren Job machen."
    "Sie haben nicht unsere Erfahrung und nicht unsere Intuition."

    Billy Beane wird seine Zweifler eines Besseren belehren. Zwischen 2000 und 2003 gelingt den Oakland A´s der Einzug in die Play-offs, die bislang ausschließlich finanziell starken Clubs vorbehalten gewesen sind. "Die Kunst zu gewinnen - Moneyball" ist eine dieser Außenseitergeschichten, die Hollywood so liebt und die es gern mit Sentiment und Pathos erzählt. Geschichten von Menschen - oft Sportlern, die an sich glauben und am Ende Erfolg haben werden.

    Brad Pitt gibt dem zielstrebigen Beane die Züge eines Menschenhändlers moderner Prägung, wie er im Sport immer häufiger anzutreffen ist. Der unerschütterliche Glaube an die Verlässlichkeit von Zahlen macht "Moneyball" zu einem Film, der Balsam ist für die geschundene amerikanische Seele angesichts von Finanz- und Wirtschaftskrise. Ein Stück Berechenbarkeit, eine Orientierungshilfe in einer unsicheren Zeit.

    Und was könnte sich dafür besser eignen als der Nationalsport Baseball?! Da spielt es dann auch keine Rolle, dass "Moneyball" - trotz sieben Oscar-Nominierungen - nur solide Kinounterhaltung bietet.

    "Die Kunst zu gewinnen - Moneyball" von Bennett Miller - akzeptabel!