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Von Chancengleichheit in Europa

Seit Beginn der Eurokrise haben viele Länder mit hoher Arbeitslosigkeit und somit mit zahlreichen sozialen Problemen zu kämpfen. Zwischen den Staaten gibt es nun einen Austausch von Arbeitskräften und Jobs. Soziale Gerechtigkeit innerhalb Europas wird so jedoch nicht hergestellt.

Von Alois Berge | 01.04.2013
    Ein Café in der Innenstadt von Bonn. Maria Baez balanciert ein Tablett mit vollen Biergläsern vom Tresen an einen der Tische. Die junge Spanierin kommt aus Teneriffa, seit fünf Monaten arbeitet sie in Bonn. Maria Baez hat vor ein paar Jahren hier in Bonn studiert, hat Deutsch gelernt, um zu Hause in Spanien bessere Berufschancen zu haben.

    "Also jetzt brauche ich das, um Geld zu verdienen, früher habe ich das nur, um die Sprache zu kennen. Weil, wo ich herkomme, gibt es viel Tourismus und deswegen habe ich das gebraucht. Und jetzt bin ich in einer Situation, wo ich mit dieser Sprache Geld verdienen muss. "

    Maria Baez mag Deutschland. Trotzdem würde sie lieber in Spanien leben, wo ihre Freunde sind, ihre Familie, wo die Sonne etwas öfter scheint als im kalten Deutschland. Aber dieses kalte Deutschland hat für Maria einen unschätzbaren Vorzug: Hier findet sie Arbeit. Viele von Marias spanischen Freunden würden gerne nachkommen nach Deutschland. Aber es fehlt ihnen an den nötigen Deutschkenntnissen. Zu Hause in Spanien haben sie kaum eine Chance. Manche versuchen seit Jahren vergeblich, irgendwo eine Arbeit zu finden.

    "Viele von meinen Freunden haben es da sehr, sehr schwer. Es ist ein böser Kreis, weil wenn du depressiv bist, dann hast du auch keine Motivation, raus zu gehen und Arbeit zu suchen. Weil die haben das vorher gemacht und die wissen, dass es nicht funktioniert. Es gibt keine freie Stelle. Es ist alles total bedeckt und gibt es keine neue Nachfrage."

    Fast 60 Prozent der Jugendlichen in Spanien sind ohne Job, ähnlich viele sind es in Griechenland, auch in Italien und Portugal liegt die Jugendarbeitslosigkeit bereits bei über 40 Prozent. Selbst bestens ausgebildete Fachkräfte finden keine Arbeit. So wird die Frage nach der sozialen Gerechtigkeit in Europa immer lauter gestellt.

    An einem der Tische in diesem Bonner Café sitzen Rebeca und Mirielle. Auch sie kommen aus Spanien, derzeit büffeln sie am Goethe-Institut Deutsch. Rebeca Lopez ist Ingenieurin für Informationstechnologie, im Radio hat sie gehört, dass Menschen mit ihrer Ausbildung in Deutschland gefragt sind.

    "Deutschland hat eine starke Industrie und Frau Merkel hat gesagt, dass alle Ingenieure sind willkommen in Deutschland, weil Deutschland viele Ingenieure braucht."

    Boom in Deutschland, Hoffnungslosigkeit in Spanien, in Italien, in Portugal, in Griechenland. Zehntausende von gut ausgebildeten jungen Menschen aus diesen Ländern sind derzeit auf dem Weg nach Deutschland. Die deutschen Industrie- und Handelskammern werben aktiv um die Besten, vermitteln Deutschkurse und versprechen lukrative Arbeitsplätze. Der christdemokratische Europa-Abgeordnete Thomas Mann lobt diese Art des Jugendaustausches als Akt europäischer Solidarität:

    "Ich komme aus dem Land Hessen, wir haben eine gute Initiative. Das Land Hessen, da waren die Vertreter kürzlich in Madrid und haben Spanier und Spanierinnen aufgefordert, die mit hoher Arbeitslosigkeit leider versehen sind, nach Deutschland zu kommen. Wir haben eine hohe Facharbeiterlücke. Wir helfen Jugendlichen konkret, aus der Arbeitslosigkeit rauszukommen."

    Doch die Anwerbung junger Fachkräfte ist nicht unproblematisch. Schließlich lockt die deutsche Wirtschaft vor allem selbstbewusste, flexible, ehrgeizige junge Menschen nach Deutschland. Zwar ist niemandem geholfen, wenn diese Fachkräfte noch ein paar Jahre arbeitslos in ihrer Heimat bleiben. Doch mit Solidarität habe die Anwerbung nichts zu tun, meint der Grüne EU-Abgeordnete Nikos Chrysogelos aus Griechenland. Die deutsche Wirtschaft löse doch vor allem ihre eigenen Probleme:

    "Wir verlieren all die dynamischen Leute, die wir für die wirklichen sozialen Reformen bräuchten. Das sind die offenen, gut ausgebildeten und europäisch erfahrenen Leute, die reisen und wissen, wie das Leben anderswo funktioniert. All diese Leute verlieren wir nun in der Krise und wir werden sie vermissen, wenn es um die Wiederbelebung der Wirtschaft geht."

    Eine Lösung hat auch Chrysogelos nicht. Immerhin, so scheint es, steht die Jugendarbeitslosigkeit inzwischen ganz oben auf der europäischen Agenda. Kein Politiker in Europa kann es sich noch leisten, die Massenarbeitslosigkeit unter den Jugendlichen als spanisches oder griechisches Problem abzutun, das allein von den dortigen Regierungen gelöst werden müsste. Vor allem deutsche Christdemokraten und Liberale haben lange Zeit auf die nationale Kompetenz verwiesen. Doch das ist vorbei. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel sieht nun in der Jugendarbeitslosigkeit eines der dringendsten Probleme der EU:

    "Es ist in der Tat so, dass dies eine der größten Sorgen im Augenblick in Europa ist. In Deutschland mit acht Prozent relativ gering, allerdings sind acht Prozent Jugendarbeitslosigkeit auch noch zu viel und wir müssen daran arbeiten, dass auch das runter geht. Denn jeder junge Mensch sollte eigentlich eine Chance bekommen. Aber wenn wir uns überlegen, dass in 18 europäischen Ländern die Jugendarbeitslosigkeit über 20 Prozent liegt, dann heißt das, viele junge Leute haben in den besten, aufnahmefähigsten Jahren, in denen man sehr gut lernen kann, nicht die Chancen."

    Wenn jeder zweite Schulabgänger keine Aussicht auf Arbeit und Einkommen hat, dann breiten sich auch Hoffnungslosigkeit aus und das Gefühl, von der Gesellschaft im Stich gelassen zu werden. Vor allem in Griechenland, aber auch in Italien haben Rechtsextreme großen Zulauf. Die Wut auf die Gesellschaft wird zur Gefahr für die Gesellschaft, fürchtet der EU-Sozialkommissar Laszlo Andor:

    "Der Mangel an Arbeitsplätzen vor allem für Jugendliche und für Langzeitarbeitslose unterminiert den sozialen Zusammenhalt und das Vertrauen. Nationale Regierungen und die Europäische Union als Ganzes verlieren in den Augen vieler Bürger ihre Legitimität, weil sie genau das nicht liefern, was von ihnen erwartet wird: nämlich breiten wirtschaftlichen Wohlstand und Chancengleichheit, um die Situation der Einzelnen zu verbessern. Das führt zu politischer Instabilität sowohl auf nationaler als auch auf europäischer Ebene."

    Auf Betreiben von Sozialkommissar Laszlo Andor hat die EU-Kommission nun eine sogenannte Jugendgarantie vorgeschlagen. Danach verpflichten sich die Regierungen, jedem Jugendlichen unter 25 Jahren spätestens nach vier Monaten Arbeitslosigkeit ein Angebot vorzulegen: entweder einen Arbeitsplatz, eine Berufsausbildung oder eine Weiterbildungsmaßnahme. In Finnland und Österreich hat sich eine solche Jugendgarantie bereits als möglich und finanzierbar erwiesen. Europaweit werden die Kosten auf 20 Milliarden Euro geschätzt – das ist viel Geld, aber weit weniger als die wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Kosten einer anhaltend hohen Jugendarbeitslosigkeit.

    Vor allem aus Sicht der deutschen Regierung liegt der Charme dieser Art Sozialpolitik darin, dass Europa zwar Druck macht, die Verantwortung und die finanziellen Lasten aber bei den nationalen Regierungen bleiben.

    Doch gerade die Länder mit der höchsten Arbeitslosigkeit haben ziemlich leere Kassen. Deshalb haben die Regierungschefs der EU vor kurzem drei Milliarden Euro aus dem EU-Budget für Soforthilfen bereitgestellt und weitere drei Milliarden für die nächsten sieben Jahre. Nötig wären aber 20 Milliarden. Das Europaparlament fordert Nachbesserungen.

    Doch das Geld ist nur die eine Seite des Problems. Die andere Seite ist die Widersprüchlichkeit der europäischen Arbeitsmarktpolitik. Berlin ist daran nicht unschuldig. So empfiehlt die deutsche Regierung zum Beispiel allen Ländern, das erfolgreiche duale Ausbildungssystem zu übernehmen. Bislang ist das duale System vor allem im deutschsprachigen Raum verbreitet sowie in den Niederlanden und Dänemark. Aber die Einführung einer solchen Ausbildung funktioniert in der Regel nur, wenn dabei eigene Erfahrungen und Traditionen einbezogen werden. In Griechenland etwa gibt es das System der Fachschulen, an das man anknüpfen könnte. Doch genau diese Fachschulen werden gerade kaputt gespart, klagt der deutsch-griechische Europa-Abgeordnete Jorgo Chatzimakakis. Und zwar auf Druck aus Berlin:

    "Diese Fachschulen werden massiv zusammengelegt und gestrichen, unter der Troika-Politik. Der Bereich aus Kreta, aus dem ich komme, das ist der Osten Kretas, der wird gänzlich alle Fachschulen gestrichen bekommen. Und man muss sich vorstellen, was das bedeutet. Dass selbst die geringen Ansätze einer fachlichen Qualifikation zunichte gemacht werden. Ich glaube, viele Menschen in Deutschland wissen gar nicht, dass die Bundesrepublik als größter Gläubiger die Troika dazu drängt, solche Dinge in anderen Ländern zu tun. Aber das ist die blanke Realität."

    Jorgo Chatzimakakis sitzt für die FDP im Europaparlament. Die griechische Industrie sei in 20 Jahren Binnenmarkt geschrumpft, nicht gewachsen, bilanziert Chatzimakakis. Deshalb müsse die Europäische Union überlegen, wie die Gewinne aus dem Binnenmarkt gerechter zu verteilen sind.

    "Wenn man sich anschaut, dass im Jahre 2012 die Bundesrepublik Deutschland einen Außenhandelsüberschuss hatte von 150 Milliarden Euro und ein Land wie Griechenland ein Minus von 20 Milliarden in der Handelsbilanz, dann muss man sich auf Dauer Gedanken machen, ob dieser Überschuss und Gewinnorientierung, die ja größtenteils auf Basis des Binnenmarktes, auf Basis der europäischen Nachbarn zustande gekommen ist, ob dieser Gewinn tatsächlich ein gerechter Gewinn ist."
    Mit anderen Worten: Während wirtschaftlich schwache Länder wie Griechenland durch den Freihandel erst richtig unter Druck kamen, haben starke Länder wie Deutschland vom Binnenmarkt über Gebühr profitiert. Der Liberale Chaztimakakis fordert deshalb Investitionsprogramme für Länder mit anhaltenden Handelsdefiziten, finanziert im Wesentlichen von den starken Ländern, die aus dem Binnenmarkt ihre Gewinne ziehen.

    In der Bundesregierung werden solche Überlegungen als Unsinn abgetan. Aus Sicht der meisten Berliner Politiker liegt die Verantwortung für wirtschaftliche Probleme allein bei den betroffenen Ländern. Sie müssten endlich die nötige Reform ihrer starren Arbeitsmärkte anpacken, dann könnten sie auch im Wettbewerb mit starken Ländern wie Deutschland bestehen.

    Doch in weiten Teilen Europas sieht man das zunehmend anders. Dass schwache Länder ihre Wirtschaft reformieren müssen, bestreitet zwar niemand mehr ernsthaft. Doch das Ungleichgewicht in der EU hat nach Ansicht vieler auch mit Deutschland zu tun. Vor allem die französische Regierung, aber auch die belgische, kritisiert die starke Ausrichtung der deutschen Wirtschaftspolitik auf internationale Wettbewerbsfähigkeit als aggressive Exportpolitik.

    In der Tat gesteht Berlin beispielsweise energieintensiven Industrien Strompreisrabatte zu, um die Exportchancen zu verbessern. Die Bundesregierung rechtfertigt auch den Verzicht auf Mindestlöhne in vielen Branchen ganz offen mit der internationalen Wettbewerbsfähigkeit. Belgien hat jetzt angekündigt, bei der EU-Kommission offiziell Klage gegen Deutschland einzureichen. Die deutsche Regierung betreibe Sozialdumping, weil sie die Ausbeutung im Niedriglohnsektor ganz bewusst dulde, um den Nachbarländern Arbeitsplätze abzujagen.

    Der Europäische Gewerkschaftsbund geht noch weiter. Deutschland verletze seit Jahren bewusst mit niedrig gehaltenen Arbeitslöhnen die europäische Solidarität, schimpft Patrick Itschert, stellvertretender Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbundes. Wenn ein Land immer billiger produziere, zwinge es die anderen, die Löhne zu senken und die Arbeitsbedingungen zu verschärfen.

    "Man sagt heute zu den Griechen: Ihr seid nicht mehr wettbewerbsfähig gegenüber den Bulgaren und den Rumänen. Morgen wird man dann zu den Bulgaren und Rumänen sagen: Ihr seid nicht mehr wettbewerbsfähig gegenüber den Chinesen. Das ist eine Spirale nach unten. Man spielt die einen Länder gegen die anderen aus. Und das ist keine gute Lösung. Wir brauchen Solidarität und eine Vision, vor allem eine industriepolitische Vision für Europa, die deutlich ehrgeiziger ist."

    Wie ein soziales Europa aussehen könnte oder müsste, darüber gibt es in einigen Ländern konkrete Vorstellungen. In Frankreich, Belgien oder Spanien sind sich große Teile der Gesellschaft einig, dass die Europäische Union in erster Linie ein Bollwerk sein sollte gegen die Stürme der Globalisierung – mit europaweitem Schutz für soziale Rechte und Standards. Alle französischen Regierungen kämpfen daher seit Jahrzehnten um EU-einheitliche Vorschriften für Arbeitszeit, Mindestlohn und soziale Absicherung.

    Großbritannien steht dieser Vorstellung von einem geschützten europäischen Raum nicht nur ablehnend, sondern feindselig gegenüber. Aus britischer Sicht bremsen zu viele Arbeiterrechte die Wirtschaft und kosten damit Arbeitsplätze. Deshalb blockiert London alles, was nur entfernt nach EU-weiten sozialen Vorschriften riecht.

    Länder wie Deutschland, Österreich, die Niederlande oder Dänemark stehen in dieser Auseinandersetzung meist dazwischen. Das britische Marktmodell sei vielen Deutschen oder Dänen zu hart, meint Hans Martens, Geschäftsführer des European Policy Center in Brüssel, das französische Sozialmodell zu starr und zu realitätsfern:

    "Wenn sie in den Süden Europas schauen, dann bedeutet Sozialpolitik dort im Wesentlichen Arbeitsmarktpolitik, Minimumlöhne, Kündigungsschutz und so weiter. In Skandinavien, wo ich herkomme, und auch in weiten Teilen Deutschlands versteht man unter Sozialpolitik etwas anderes: Sozialpolitik bedeutet, Leuten zu helfen, die ihr Leben aus dem einen oder anderen Grund nicht selbst in den Griff bekommen. Das ist Sozialpolitik für mich. Es geht nicht darum, einzelnen Menschen einen Gefallen zu tun, die einzig echte Sozialpolitik in Europa ist, mehr Arbeitsplätze zu schaffen."

    Was in Deutschland die soziale Marktwirtschaft, das ist in Martens Heimatland Dänemark die Flexicurity; ein System, das mit möglichst wenig Regeln und Vorschriften auskommt, dem Arbeitsmarkt also eine große Flexibilität einräumt, das aber gleichzeitig alle großzügig auffängt, die durchs Netz fallen. Seit Jahren zählen diese Länder, die einen Kompromiss gefunden haben zwischen Marktwirtschaft und sozialer Sicherheit, zu den wirtschaftlich erfolgreichsten, mit guten Wachstumsraten und niedriger Arbeitslosigkeit.

    Doch alle Versuche, diese Rezepte und Erfahrungen auf die europäische Ebene zu übertragen, waren bisher zum Scheitern verurteilt. Sie werden von Politik und Bevölkerung nicht akzeptiert, nicht in Großbritannien und nicht im Süden der EU. Hans Martens vom European Policy Center:

    "Ich habe immer wieder auch in Frankreich das Modell der Flexicurity erklärt und bin dabei einfach nur ausgebuht worden. Die Franzosen hören nicht Flexicurity, die hören nur immer das Flexi und die Flexibilität, die sie nicht wollen. Es gibt in Europa sehr verschiedene Traditionen, das muss man einfach einsehen."

    Auch wenn Europa wirtschaftlich immer weiter zusammenwächst, eine einheitliche Sozialpolitik wird nicht so schnell kommen. Die 27 Länder der Europäischen Union werden weiter um das europäische Sozialmodell ringen. Paris wird dafür kämpfen, dass die europäische Arbeitszeitrichtlinie verschärft wird, Großbritannien wird verlangen, dass die bisherigen Arbeitsmarktregeln wieder aufgeweicht werden. Und Deutschland wird versuchen, die Kosten für neue europäische Sozialprogramme möglichst klein zu halten. Denn auf jedes neue Problem pflegt die EU mit neuen Sozialfonds zu antworten. Das war nach den Massenentlassungen großer Konzerne so, das war nach der Welle von Werksverlagerungen so, und das gilt jetzt auch wieder als Mittel gegen die hohe Jugendarbeitslosigkeit.

    Solche Fonds sollen zeigen, dass die EU die Probleme anpackt und etwas tut. An einen durchschlagenden Erfolg glauben die wenigsten. Der Fraktionschef der Sozialdemokraten im Europaparlament, Hannes Swoboda, schlägt deshalb einen anderen Weg vor. Er verlangt von den Regierungen, Obergrenzen für die Arbeitslosigkeit festzulegen. Obergrenzen, wie sie bereits für die Haushaltsdefizite gelten. Bei Überschreitung sollen dann Sanktionen drohen, fordert Swoboda:
    "Es macht doch keinen Sinn, dass wir sagen: Ihr dürft nicht mehr als drei Prozent Budget haben, aber Arbeitslosigkeit könnt ihr mehr als 50, 60 Prozent für Jugendliche haben. Das ist kein ausgeglichener Weg und daher wollen wir auch, dass solche Ziele, solche Indikatoren auf sozialem Gebiet ebenso verpflichtend werden wie die Zielsetzungen im fiskalischen Bereich."

    Die Jugendgarantie sei der erste Schritt in diese Richtung, meint der Sozialdemokrat Swoboda. Wie die nationalen Regierungen ihre arbeitslosen Jugendlichen nach spätestens vier Monaten in eine Beschäftigung bringen, in eine Aus- oder in eine Weiterbildung, das bleibt jedem Land selbst überlassen. Ob mit marktwirtschaftlichen Anreizen oder mit sozialstaatlichen Maßnahmen, das spiele keine Rolle. Wichtig sei allein das Ergebnis.

    Bis dahin dürfte allerdings noch einige Zeit vergehen. Die Spanierin Mirielle de la Fuente stellt sich darauf ein, noch lange in Bonn zu bleiben. Denn selbst wenn sie zu Hause in Spanien hin und wieder einen Job finden könnte, würde ihr Einkommen kaum für ein eigenes Leben reichen. Viele ihrer Freunde, erzählt Mirielle, lebten noch immer bei den Eltern – und vom Geld der Großeltern.

    "Die Großeltern haben ein langes Leben gearbeitet und die haben ein bisschen Geld von der Rente. Und manche, von der ersten und der zweiten Generation, leben von der Rente von den Großeltern. Das ist erstaunlich. Aber es passiert so. Alles unter einem Dach."


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