„Ich bin verheiratet, habe zwei Kinder einen Hund und eine Katze. Ich hab studiert in Heidelberg. Kriminologie und Psychologie. Ich hab ein Haus in einer kleineren Stadt am Rand von Heidelberg.“
Wolfgang Plöger, Direktor am Heidelberger Sinus Institut berichtet über seinen Lebensstil. Darüber, wie er wohnt.
„Mischung aus paar Designermöbeln, dann n Kronleuchter und eine helle bauhausorientierte Sitzgruppe, rustikaler Holztisch, dazu etwas feinere Stühle, ich mag so eine gewisse Reibung.“
Das Sinus-Institut untersucht regelmäßig die Lebenswelten der Deutschen. Wie sie wohnen, wie sie denken, wie sie wählen. Welchem „Milieu“ sie angehören. Wo sieht Wolfgang Plöger sich selbst?
„Ich würde mich schon einordnen im Milieu der Liberal-Intellektuellen.“
Das „liberal- intellektuelle Milieu“. Das ist, so die Definition, „die aufgeklärte Bildungselite mit liberaler Grundhaltung, postmateriellen Wurzeln“ und „Wunsch nach selbstbestimmtem Leben“. 7,2 Prozent der Bevölkerung gehören dazu. Seit ungefähr 30 Jahren teilen die Sozialwissenschaftler am Sinus-Institut die Deutschen in soziale Gruppen auf, unterschieden nach Einkommen, Geschmack und Wahlverhalten. Ihr Wissen stellen sie Werbeagenturen, aber auch Forschungsinstituten zur Verfügung. Sie beschreiben, dass Deutschland bunter wird, individualisierter, aber auch gegensätzlicher. Die „nivellierte Mittelstandsgesellschaft“ gibt es lange nicht mehr. Auch wenn die „bürgerliche Mitte“ – der „leistungs- und anpassungsbereite bürgerliche Mainstream“ immer noch die tragende Säule unserer Gesellschaft ist. Eine Gruppe, so Wolfgang Plöger,
„die relativ unauffällig lebt, für die es wichtig ist, in Stabilität zu leben, in einem geordneten stabilen Rahmen, mit Familie, in einem Beruf, der mir Sicherheit verleiht, in meine Nachbarschaft und insofern ein relativ wenig spektakuläres Leben führt. Aber dennoch ist dieses Milieu ein unglaublich wichtiges Milieu, denn das stellt immer die Stabilität einer Gesellschaft dar, auf deren Rückgrat sich dann erst die bunten Milieublüten an den Rändern entfalten können.“
Doch die bürgerliche Mitte, kinderfreundlich und auf Harmonie bedacht, ist zunehmend von Abstiegsängsten verfolgt.
„Was wir auf jeden Fall feststellen, dass die ganzen Verwerfungen die es gegeben hat, Finanzkrise, Restrukturierung von Unternehmen, Arbeitsplatzverlust, dass die in der Mitte der Gesellschaft ein extremst hohes Besorgnispotenzial ausgelöst hat. Das heißt die Ängste, in der Mitte abzusteigen, sind gerade in der Mitte besonders ausgeprägt: Da führt dazu, dass viele sich bewusst abgrenzen gegen moderne Unterschicht.“
Die moderne Unterschicht! – Vorbei die Zeiten des klassenbewussten Proletariers, stolz auf seine historische Rolle als gesellschaftlich treibende Kraft, vorwärts auf eine bessere Zukunft gerichtet. Oft SPD-Wähler.
„Die Arbeiter die wir heute haben, haben nicht mehr dieses Klassenbewusstsein, sondern viele versuchen – Stichwort Individualisierung – sich selber weiterzuentwickeln. Was dann wieder für die Gewerkschaften das Problem war, weil das ja auch dann keine Basis mehr hat, ich nehme mein Schicksal selbst in die Hand.“
Und auch das kleinbürgerliche Milieu schrumpft. Die Sicherheit und Ordnung liebende Kriegs- oder sogar noch Vorkriegsgeneration – traditionell CDU-Wähler, bescheiden, angepasst und sparsam – stirbt allmählich aus. Und damit auch die Schrankwände in Eiche rustikal und die Püppchen auf der Couchgarnitur.
„Vor ungefähr dreißig Jahren war dieses Milieu, das war ungefähr 35 Prozent, das war noch aufgegliedert in Kleinbürger und Arbeiter. Es stirbt aus, wenn wir Prognosen anstellen, sagen wir auch, dass das Milieu in den nächsten Jahren deutlich schrumpfen wird. Das wird an Bedeutung verlieren und dadurch verlieren auch die Werte, klassische Sekundärtugenden, Disziplin, Sparsamkeit verlieren auch an Bedeutung.“
Stattdessen hat die Zahl der Menschen in prekären Lebenssituationen zugenommen. Aber vor allem, so Wolfgang Plöger, ist die „neue Unter- und untere Mittelschicht“ „spaß- und erlebnisorientiert“. Ihren Bildungsmangel kompensiert sie – mit Konsum, mit Flachbildschirmen, Handys und so weiter. Und gern besucht sie Freizeitparks.
„Da tummeln sich verschiedene Subkulturen, die eins gemeinsam haben, ich sag‘s mal ein bissel lapidar, etwas Schwierigkeiten in der Leistungsgesellschaft zu partizipieren, einfach zu sagen, ich mach nen Neun-bis-fünf-Uhr-Job, ich streng mich an. Da geht's eher darum, ich will Spaß haben, will was erleben. An die Zukunft denken, nein, keinen Bock drauf, wer weiß ob ich in 5 Jahren noch lebe. Immer auf den Moment fokussiert und dadurch mit ner gewissen Distanz zu den Spießern.“
Doch auch ganz oben, in den sogenannten „Leitmilieus“ ist Bewegung in die Gesellschaft gekommen. Natürlich gibt es weiterhin das konservativ-etablierte Milieu, mit „Exklusivitäts- und Führungsanspruch“. Lebensstil edel, aber keineswegs protzig. Doch daneben ist das Milieu der „Performer“ getreten, ebenfalls zur Leistungselite gehörend, aber mit wesentlich weniger Gefühl für soziale Verantwortung.
„Das Milieu der Performer ist eine Gruppe, die ausgesprochen leistungsorientiert ist, eher trendbewusst, sehr markenaffin, so ab 30 , 35 aufwärts, in sehr gehobenen Positionen, Management. In ihrer Denke so ein bisschen dem neoliberalen Gedankengut verpflichtet, wo sie den Leistungsgedanken sehr stark auf sich beziehen und die Belohnung ihrer Leistung dann auch gern für sich haben möchten: Wenn Sie Leistung bei den Konservativen sehen, hat das eher immer eine Verantwortungsbasis, Leistung ist gut, aber ich trag auch eine Verantwortung für andere. Diese Verantwortungsübernahme, die ist dann bei den modernen Performern schwächer ausgeprägt.“
Und mehr und mehr entwickelt sich – bei den Jüngeren – eine unkonventionelle, kreative Avantgarde – individualistisch, mobil, digital vernetzt und durchaus erfolgsorientiert. Dort, aber ebenso in anderen Milieus gibt es mittlerweile ein deutlich ausgeprägtes ökologisches Bewusstsein. Am konsequentesten wird „Öko“ in dem „sozial-ökologischen Milieu“ umgesetzt, das gut 7 Prozent der Deutschen umfasst. Doch auch andere Gruppen sehen die Notwendigkeit eines nachhaltigeren Lebensstils, auch wenn Theorie und Praxis hier manchmal auseinanderdriften.
„im liberalen Milieu spielen Umweltaspekte auch eine Rolle, selbst bei den Traditionellen, die können natürlich dann beispielsweise die Erfordernisse des Recyclings sehr gut in ihre disziplinierte Hausarbeit integrieren. Ihre Sauberkeit, man trennt den Müll, man ist ordentlich, man kauft Produkte aus der Region.“
Der Erfolg der Grünen, meint Wolfgang Plöger, kann also andauern. Deutschland wird ein Stück weit grüner und „postmaterieller“. Aber ebenso driften die Lebenswelten weiter auseinander. Da gibt es jene, die Modernisierung und Individualisierung als Chance begreifen. Und ebenso die, die sich davon überfordert fühlen. Und den Anschluss verpassen.
Wolfgang Plöger, Direktor am Heidelberger Sinus Institut berichtet über seinen Lebensstil. Darüber, wie er wohnt.
„Mischung aus paar Designermöbeln, dann n Kronleuchter und eine helle bauhausorientierte Sitzgruppe, rustikaler Holztisch, dazu etwas feinere Stühle, ich mag so eine gewisse Reibung.“
Das Sinus-Institut untersucht regelmäßig die Lebenswelten der Deutschen. Wie sie wohnen, wie sie denken, wie sie wählen. Welchem „Milieu“ sie angehören. Wo sieht Wolfgang Plöger sich selbst?
„Ich würde mich schon einordnen im Milieu der Liberal-Intellektuellen.“
Das „liberal- intellektuelle Milieu“. Das ist, so die Definition, „die aufgeklärte Bildungselite mit liberaler Grundhaltung, postmateriellen Wurzeln“ und „Wunsch nach selbstbestimmtem Leben“. 7,2 Prozent der Bevölkerung gehören dazu. Seit ungefähr 30 Jahren teilen die Sozialwissenschaftler am Sinus-Institut die Deutschen in soziale Gruppen auf, unterschieden nach Einkommen, Geschmack und Wahlverhalten. Ihr Wissen stellen sie Werbeagenturen, aber auch Forschungsinstituten zur Verfügung. Sie beschreiben, dass Deutschland bunter wird, individualisierter, aber auch gegensätzlicher. Die „nivellierte Mittelstandsgesellschaft“ gibt es lange nicht mehr. Auch wenn die „bürgerliche Mitte“ – der „leistungs- und anpassungsbereite bürgerliche Mainstream“ immer noch die tragende Säule unserer Gesellschaft ist. Eine Gruppe, so Wolfgang Plöger,
„die relativ unauffällig lebt, für die es wichtig ist, in Stabilität zu leben, in einem geordneten stabilen Rahmen, mit Familie, in einem Beruf, der mir Sicherheit verleiht, in meine Nachbarschaft und insofern ein relativ wenig spektakuläres Leben führt. Aber dennoch ist dieses Milieu ein unglaublich wichtiges Milieu, denn das stellt immer die Stabilität einer Gesellschaft dar, auf deren Rückgrat sich dann erst die bunten Milieublüten an den Rändern entfalten können.“
Doch die bürgerliche Mitte, kinderfreundlich und auf Harmonie bedacht, ist zunehmend von Abstiegsängsten verfolgt.
„Was wir auf jeden Fall feststellen, dass die ganzen Verwerfungen die es gegeben hat, Finanzkrise, Restrukturierung von Unternehmen, Arbeitsplatzverlust, dass die in der Mitte der Gesellschaft ein extremst hohes Besorgnispotenzial ausgelöst hat. Das heißt die Ängste, in der Mitte abzusteigen, sind gerade in der Mitte besonders ausgeprägt: Da führt dazu, dass viele sich bewusst abgrenzen gegen moderne Unterschicht.“
Die moderne Unterschicht! – Vorbei die Zeiten des klassenbewussten Proletariers, stolz auf seine historische Rolle als gesellschaftlich treibende Kraft, vorwärts auf eine bessere Zukunft gerichtet. Oft SPD-Wähler.
„Die Arbeiter die wir heute haben, haben nicht mehr dieses Klassenbewusstsein, sondern viele versuchen – Stichwort Individualisierung – sich selber weiterzuentwickeln. Was dann wieder für die Gewerkschaften das Problem war, weil das ja auch dann keine Basis mehr hat, ich nehme mein Schicksal selbst in die Hand.“
Und auch das kleinbürgerliche Milieu schrumpft. Die Sicherheit und Ordnung liebende Kriegs- oder sogar noch Vorkriegsgeneration – traditionell CDU-Wähler, bescheiden, angepasst und sparsam – stirbt allmählich aus. Und damit auch die Schrankwände in Eiche rustikal und die Püppchen auf der Couchgarnitur.
„Vor ungefähr dreißig Jahren war dieses Milieu, das war ungefähr 35 Prozent, das war noch aufgegliedert in Kleinbürger und Arbeiter. Es stirbt aus, wenn wir Prognosen anstellen, sagen wir auch, dass das Milieu in den nächsten Jahren deutlich schrumpfen wird. Das wird an Bedeutung verlieren und dadurch verlieren auch die Werte, klassische Sekundärtugenden, Disziplin, Sparsamkeit verlieren auch an Bedeutung.“
Stattdessen hat die Zahl der Menschen in prekären Lebenssituationen zugenommen. Aber vor allem, so Wolfgang Plöger, ist die „neue Unter- und untere Mittelschicht“ „spaß- und erlebnisorientiert“. Ihren Bildungsmangel kompensiert sie – mit Konsum, mit Flachbildschirmen, Handys und so weiter. Und gern besucht sie Freizeitparks.
„Da tummeln sich verschiedene Subkulturen, die eins gemeinsam haben, ich sag‘s mal ein bissel lapidar, etwas Schwierigkeiten in der Leistungsgesellschaft zu partizipieren, einfach zu sagen, ich mach nen Neun-bis-fünf-Uhr-Job, ich streng mich an. Da geht's eher darum, ich will Spaß haben, will was erleben. An die Zukunft denken, nein, keinen Bock drauf, wer weiß ob ich in 5 Jahren noch lebe. Immer auf den Moment fokussiert und dadurch mit ner gewissen Distanz zu den Spießern.“
Doch auch ganz oben, in den sogenannten „Leitmilieus“ ist Bewegung in die Gesellschaft gekommen. Natürlich gibt es weiterhin das konservativ-etablierte Milieu, mit „Exklusivitäts- und Führungsanspruch“. Lebensstil edel, aber keineswegs protzig. Doch daneben ist das Milieu der „Performer“ getreten, ebenfalls zur Leistungselite gehörend, aber mit wesentlich weniger Gefühl für soziale Verantwortung.
„Das Milieu der Performer ist eine Gruppe, die ausgesprochen leistungsorientiert ist, eher trendbewusst, sehr markenaffin, so ab 30 , 35 aufwärts, in sehr gehobenen Positionen, Management. In ihrer Denke so ein bisschen dem neoliberalen Gedankengut verpflichtet, wo sie den Leistungsgedanken sehr stark auf sich beziehen und die Belohnung ihrer Leistung dann auch gern für sich haben möchten: Wenn Sie Leistung bei den Konservativen sehen, hat das eher immer eine Verantwortungsbasis, Leistung ist gut, aber ich trag auch eine Verantwortung für andere. Diese Verantwortungsübernahme, die ist dann bei den modernen Performern schwächer ausgeprägt.“
Und mehr und mehr entwickelt sich – bei den Jüngeren – eine unkonventionelle, kreative Avantgarde – individualistisch, mobil, digital vernetzt und durchaus erfolgsorientiert. Dort, aber ebenso in anderen Milieus gibt es mittlerweile ein deutlich ausgeprägtes ökologisches Bewusstsein. Am konsequentesten wird „Öko“ in dem „sozial-ökologischen Milieu“ umgesetzt, das gut 7 Prozent der Deutschen umfasst. Doch auch andere Gruppen sehen die Notwendigkeit eines nachhaltigeren Lebensstils, auch wenn Theorie und Praxis hier manchmal auseinanderdriften.
„im liberalen Milieu spielen Umweltaspekte auch eine Rolle, selbst bei den Traditionellen, die können natürlich dann beispielsweise die Erfordernisse des Recyclings sehr gut in ihre disziplinierte Hausarbeit integrieren. Ihre Sauberkeit, man trennt den Müll, man ist ordentlich, man kauft Produkte aus der Region.“
Der Erfolg der Grünen, meint Wolfgang Plöger, kann also andauern. Deutschland wird ein Stück weit grüner und „postmaterieller“. Aber ebenso driften die Lebenswelten weiter auseinander. Da gibt es jene, die Modernisierung und Individualisierung als Chance begreifen. Und ebenso die, die sich davon überfordert fühlen. Und den Anschluss verpassen.