Ende der 1960er-Jahre entstand in den USA eine höchst einflussreiche Kunstrichtung, die sogenannte Land Art. Die Künstlerinnen und -Künstler platzierten dabei raumgreifende Werke zunächst gern an abgelegenen Orten mitten in der Natur; an Orten, wo garantiert kein Kunstmuseum und kein Kulturtourismus in der Nähe waren. Sie frönten dabei einem Begriff der reinen Kunst als Gegensatz zum Kunstmarkt, und sie wollten schon gar nichts mit der Ökobewegung zu tun haben, die nur wenige Jahre später in Europa und Amerika auf den Plan trat.
Klimakunst als Mode
Mittelfristig entwickelten sich dann doch thematische Bande zwischen Umweltaktivisten und Künstlern, und daraus entstand wiederum etwas Neues: die sogenannte Environmental Art, die Umwelt-Kunst. Der kurze Blick in die Kunstgeschichte jedenfalls zeigt: Die aktuelle Klimakrisen-Kunst ist gar nicht so aktuell. Es gibt diese Art von Kunst schon lange, und es gab sie schon zu Zeiten, als ihre wichtigsten Protagonisten noch als Wald- und Wiesen-Künstler verschrien waren.
Die Erinnerung daran wirft ein Schlaglicht auf den Zusammenhang von Kultur- und Umweltbewusstsein. Eigentlich kann ja jedem kulturell interessierten Menschen auch der Zustand unseres Planeten nicht völlig egal sein, sollte man meinen. Dennoch wird Kunst, die sich mit Klimafragen auseinandersetzt, heute in großen Feuilletons in Bausch und Bogen als Modeerscheinung abgetan, was soviel heißt wie: Muss man nicht ernst nehmen.
Und es stimmt ja auch: Eine gewisse Scheinheiligkeit des Kulturbetriebes, der sich weiterhin gern von Autokonzernen, Massentourismus oder der Schwerindustrie sponsern lässt, offenbart sich gerade dann, wenn Museen und Biennalen um die spektakulärste Show zur Klimaapokalypse konkurrieren. Kunst setzt keine neuen Debatten mehr, lässt sich daraus schließen, sie sucht sich pseudokritisch nur noch Themen, die ohnehin schon in aller Munde sind. Natürlich ist der Kulturbetrieb nicht plötzlich grün geworden. Ehrensache für seriöse Kulturkritik, sich nicht vor dem Wagen irgendwelcher Werbekampagnen zu spannen zu lassen – oder?
Schmelzendes Eis als Kulturkritik
Das Problem daran ist: Kunst und Kulturbetrieb werden im moralischen Furor gegen den Verfall der guten Sitten schon seit langem in einen Topf geworfen. Künstlerinnen und Künstler aber wie Lois und Franziska Weinberger, die einst bei der documenta 10 ein ganzes Gleis am Kasseler Hauptbahnhof von importierten Pflanzen überwuchern ließen, arbeiten seit Jahrzehnten unter Einbeziehung verschiedener Wissenschaftsdisziplinen an Fragen zu Umwelt und Klimawandel. Es sind Künstlerinnen und Künstler, deren Werk immer kultur- und auch kunstmarkt-kritisch und als solches auch immer wie ein Frühwarnsystem war. Ihre Arbeit lief den heutigen Debatten lange voraus, ohne dabei sonderlich hervorgehoben zu werden. Auch der derzeitige Weltstar der Ökokunst, Olafur Eliasson, hat nicht immer schon so ökologisch widersinnige Aktionen ausgeheckt wie jene 120 Tonnen schweren Blöcke Grönlandeis, die er mit gewaltigem Aufwand nach London verschiffen ließ, um sie dort spektakulär schmelzen zu lassen.
Doch wer dieser Kunst jetzt aus Gründen der Kulturkritik ihre plötzliche Aktualität anlastet, bezeugt damit eigentlich nur eines: Teile eben dieser Kulturkritik und des Kulturbetriebes haben die letzten Jahrzehnte der Kunstentwicklung offenkundig verschlafen und es sich einträchtig in ihrer Ignoranz bequem gemacht. Und wer so jäh aufwacht, muss sich nun natürlich wundern, warum alle plötzlich vom Klima reden.