Thielko Grieß: Es gibt auch an diesem Samstagmorgen, am 4. Januar, noch keine Bestätigung, weder von Ronald Pofalla selbst noch von der Deutschen Bahn, ob er denn nun in den Vorstand der Deutschen Bahn wechselt, der CDU-Politiker und frühere Kanzleramtschef. Aber das Unternehmen, so wird zumindest berichtet, soll für ihn einen Posten schaffen im Vorstand. Pofalla soll dort politische Kontakte halten und pflegen, sowohl in Berlin als auch in Brüssel. Und die Entlohnung betrage mehr als eine Million Euro im Jahr. Unklar ist außerdem noch, ob Pofalla denn, wenn er denn wechselt, sein Abgeordnetenmandat behält. Er ist Mitglied der CDU-Fraktion, er ist seit September direkt gewählt im Wahlkreis Kleve am Niederrhein. Das alles wirft Fragen auf, und einige wollen wir jetzt stellen an Axel Schäfer, Sozialdemokrat aus dem Ruhrgebiet, au Bochum, Abgeordneter und Chef der Landesgruppe der NRW-Sozialdemokraten im Bundestag. Guten Morgen, Herr Schäfer!
Axel Schäfer: Guten Morgen Ihnen auch!
Grieß: Ist es in Ordnung, kurzfristig vom Kanzleramt in die Bahnzentrale zu wechseln?
Schäfer: Das kommt darauf an. Sigmar Gabriel hat das ja ausgiebig beschrieben, um was es geht. Wir brauchen Regeln für den Übergang aus der Politik in die Wirtschaft. Die haben wir bisher nicht. Und ich bin auch sehr dafür, dass wir da ein Einvernehmen zwischen allen Parteien im Parlament anstreben, weil in der Vergangenheit war das eben eine Frage nicht nur von der CDU und der CSU. Es waren auch FDP-Politiker und auch Politikerinnen und Politiker von SPD und Grünen. Deshalb gibt es da einen großen Bedarf an Regelungen, und ich hoffe, die Diskussion um Pofalla wird das Ganze beschleunigen.
Grieß: Sprechen wir über Details, die Sie sich vorstellen – welche Regelungen stellen Sie sich vor?
Schäfer: Ich fände es gut, wie in anderen Ländern, dass man ein Jahr dazwischen legt, zwischen die Aufgabe einer wichtigen Funktion wie zum Beispiel Minister und der Übernahme eines herausragenden Amtes in der Wirtschaft. Dass Herr Pofalla sein Bundestagsmandat niederlegt, wenn er in den Vorstand der Bahn wechselt, ist selbstverständlich, da gibt es auch überhaupt keine Diskussion. Das haben alle anderen in der Politik bisher auch so gehalten.
Grieß: Da sind einige Begriffe, die ein wenig Spielraum zulassen. Was sind herausragende Positionen in der Wirtschaft?
Schäfer: Herausragende Positionen in der Wirtschaft sind, wo man schon Entscheidungsmöglichkeiten und einen großen Gestaltungsspielraum hat. Und wir werden in der Diskussion im Parlament, aber auch mit wichtigen gesellschaftlichen Gruppen, zum Beispiel auch Transparency International, eben prüfen, auf was wir uns verständigen können, was sinnvoll ist und vor allen Dingen, was sich in anderen Ländern innerhalb Europas bewährt hat.
Grieß: Also, ein Vorstandsposten wird wahrscheinlich, so interpretiere ich Sie, sicherlich dazugehören, aber sind das auch Beraterposten? Beispiel Kurt Beck, der frühere SPD-Parteichef und Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz ist heute Berater des Pharmaunternehmens Boehringer Ingelheim.
Schäfer: Ja, auch das wird man im Einzelfall anders regeln müssen als bisher. Kurt Beck ist kein Ministerpräsident mehr, da gab es auch eine Zeitspanne zwischen der Aufgabe seines Amtes und auch seines Parlamentsmandats und der Übernahme eines Beratervertrages. Das wird wirklich auf das Detail ankommen, und es ist gut, dass wir darüber reden, weil wir damit natürlich alle miteinander auch vorankommen, und nicht, dass das nur auf der spekulativen Ebene geschieht.
Grieß: Zwölf Monate Karenzzeit, haben Sie gesagt. Das ist weniger als es etwa in Brüssel für die EU-Kommissare gilt. Die müssen sich 18 Monate von Posten in der Wirtschaft fernhalten.
Schäfer: Ich hab zwölf Monate als ein Beispiel, als eine Möglichkeit genannt. Ich bin da völlig leidenschaftslos in der Frage. Wenn man zu anderen Zeiträumen kommt und wenn man sich darauf verständigt, ist das viel wichtiger, als auf jeden einzelnen Monat zu achten.
Grieß: Sie haben am Anfang unseres Gesprächs gesagt, Herr Schäfer, dass Sie einen Konsens, ein Einvernehmen mit allen Parteien im Deutschen Bundestag anstreben. Das gilt also auch für die Opposition? Sie wollen Grüne und Linke mit ins Boot holen.
Schäfer: Ja, selbstverständlich. Bei grundlegenden parlamentarischen Regeln und bei Fragen, die die Tätigkeit von Abgeordneten oder auch die Bezüge von Abgeordneten anbelangt, ist es generell notwendig, dass man sich um ein Einvernehmen bemüht. Das ist hier keine parteipolitisch-taktische Frage.
Grieß: Ja. Die Aufregung um diesen möglichen Wechsel Ronald Pofallas zur Deutschen Bahn ist ja auch deshalb so groß, weil man Ronald Pofalla natürlich damit auch etwas unterstellt. Ist das überhaupt gerechtfertigt?
Schäfer: Man muss nun erst mal gucken, was da genau abläuft. Bisher gibt es keine offizielle Bestätigung. Punkt eins. Punkt zwei: Wenn das Kabinett so etwas beschließt, müssten also konkret drei Minister, Finanzen, Verkehr und Wirtschaft, gefragt werden. Einer davon ist Sigmar Gabriel. Also auch das ist noch ein Prozess, eine Entwicklung, um die es in den nächsten Monaten geht oder halt auch nicht geht, wenn Herr Pofalla nicht zur Bahn wechselt. Und dann wird man in diesem Prozess sehen, was bisher nicht gut gelaufen ist und was man in Zukunft verbessern muss.
Grieß: Kann denn Ronald Pofalla, gesetzt, er wechselt, und all diejenigen, die zustimmen müssen, stimmen auch zu, sein Abgeordnetenmandat behalten?
Schäfer: Nein, das auf keinen Fall. Das wird er auch von sich niederlegen. Da bin ich mir sehr, sehr sicher, und es gibt sehr, sehr viele Beispiele von anderen Politikerinnen und Politiker, die genau das gemacht haben, nämlich ihr Abgeordnetenmandat dann sofort niedergelegt.
Grieß: Halten Sie es für glaubwürdig, dass Ronald Pofalla erst jetzt, nach der Wahl, eingefallen ist, dass ein Job bei der Bahn attraktiv sein könnte?
Schäfer: Das müssen Sie bitte ihn fragen. Das ist nicht meine Angelegenheit.
Grieß: Die Frage stellt sich schon natürlich, weil es Kritik gibt. Es sei unredlich gewesen, sich aufzustellen für die Wahl und dann das Direktmandat ja auch zu gewinnen. Und dann zu sagen, ich wechsele.
Schäfer: Ich bin wirklich für fairen Umgang miteinander, auch zwischen unterschiedlichen konkurrierenden Parteien. Es muss erst mal geklärt werden, ob Herr Pofalla überhaupt wechseln will, zweitens muss er persönlich befragt werden auch nach seinen Beweggründen. Er muss die Chance haben auch, das darzulegen, und ich bin sehr dagegen, dass man da, auch wenn er Christdemokrat und nicht Sozialdemokrat ist, dass man da jetzt so eine Art Vorverurteilung macht.
Grieß: Wir wollen es noch ein wenig weiter differenzieren, Herr Schäfer. Durch solche Regelungen, sehen Sie nicht möglicherweise auch die Gefahr, dass der Austausch zwischen Politik und Wirtschaft begrenzt wird? Man braucht doch auch die Fachleute auf beiden Seiten.
Schäfer: Genau. Das muss man in diesem Prozess diskutieren, wie der Austausch vonstatten geht. Also nicht nur in der Politik der Aufstieg, sondern auch der Umstieg. Wir haben in Deutschland immer wieder bei dieser Frage Debatten. Die erste große war schon in den 70er-Jahren, als der FDP-Wirtschaftsminister Friedrichs Chef der Deutschen Bank wurde, das waren noch sozialliberale Koalitionszeiten. Dann gab es immer wieder Beispiele. Aber es geht ja auch um die Frage, ob zum Beispiel jemand aus der Regierung in ein anderes Verfassungsorgan, zum Beispiel zum Bundesverfassungsgericht wechseln kann. Auch das ist immer wieder strittig. Und manche Diskussionen bei dem Wechsel haben sich als falsch erwiesen, falsch in dem Sinne, dass die entstehende Befürchtung, da wäre jemand gekauft oder der würde seine Arbeit nicht ordentlich machen oder die würde jenes anstellen, das ist gar nicht eingetroffen in der Praxis.
Grieß: Sie streben an, auch diese Wechsel, etwa, Sie haben es gerade, glaube ich, angedeutet, den Wechsel Peter Müllers als Ministerpräsident des Saarlandes, der ist inzwischen Bundesverfassungsrichter, auch solche Dinge zu regeln?
Schäfer: Nein, das braucht man überhaupt nicht zu regeln. Das hat sich seit über 50 Jahren bewährt, dass auch in bestimmten Fällen mal Juristen aus der Politik, die vorher Regierungsämter hatten, dass die ans Bundesverfassungsgericht gehen, und die haben dort, sei es als Richter oder als Präsidentinnen alle mit Erfolg gearbeitet, und da gibt es überhaupt keinen Bedarf, Dinge auszuschließen.
Grieß: Eine Nachfrage, ein Detail müssten wir noch etwas genauer klären: Hochrangige Politiker, die soll das betreffen, diese Regelung, das haben Sie gesagt. Wer ist hochrangig und wer nicht?
Schäfer: Nein, es geht mir eher darum, dass jemand aus einer hochrangigen Funktion wechselt. Aber man muss natürlich Regelungen insgesamt für Abgeordnete treffen. Wir haben in Deutschland etwa 2800 Mitglieder der Landtage des Deutschen Bundestages und im Europäischen Parlament. Wir haben mehrere hundert Politiker in Regierungsfunktionen. Und über diese Größenordnung wird man reden müssen.
Grieß: Also sowohl über Abgeordnete im Deutschen Bundestag als auch über Staatssekretäre und Minister?
Schäfer: Ja, natürlich.
Grieß: Und in den Landtagen würden Sie sich wünschen, dass die Landtage das selber machen, offensichtlich?
Schäfer: Die Landtage sollten das selber machen, und die Zusammenarbeit im Föderalismus funktioniert ja in Deutschland meistens so, dass man miteinander redet und auch voneinander lernt.
Grieß: Gibt es eigentlich einen Unterschied zwischen dem Wechsel in ein Unternehmen, das dem Staat gehört, so wie der Deutschen Bahn, oder dem Wechsel in ein Unternehmen, das privaten Anteilseignern gehört, wie etwa Daimler?
Schäfer: Natürlich gibt es da einen Unterschied, weil jetzt im Fall Deutsche Bahn ja auch Minister, die ich ja bereits genannt habe, mit involviert sind und mit entscheiden müssen, sodass die politische Diskussion über einen solchen Wechsel noch etwas brisanter ist bisher, als das bei einem reinen Privatunternehmen der Fall ist.
Grieß: Halten Sie für Ihre Position in der SPD, in der Regierung, so einfach für mehrheitsfähig? Ich frage deshalb, weil ich erstaunt bin, dass in den zwei Tagen, in denen wir diese Debatte bereits führen, von der SPD-Spitze dazu wenig zu hören ist.
Schäfer: Ich halte das für mehrheitsfähig. Ich habe mal in der SPD zu einer Minderheit gehört, die für Transparenz war, dass man sein eigenes Einkommen offenlegt. Und ich war auch einer der ersten, der den Mitgliederentscheid über den Koalitionsvertrag gefordert hat. Das waren alle Minderheitspositionen, die wurden zu Mehrheitspositionen, und deshalb bin ich da sehr optimistisch.
Grieß: Wünschen Sie sich klarere Worte von Ihrer Parteispitze?
Schäfer: Sigmar Gabriel hat das bereits beim Fall Klaeden gesagt, und genau in diese Richtung wird es gehen.
Grieß: Aber damals war er Opposition, jetzt nicht mehr.
Schäfer: Ja, Regierung heißt ja auch, dass man immer eine Balance findet zwischen dem, was die besonderen Interessen der eigenen Partei sind, und dem Umgang, den man in einer Regierung auch mit dem Koalitionspartner, der immer ja auch Kontrahent ist, pflegt.
Grieß: Sagt Axel Schäfer, SPD-Bundestagsabgeordneter und Chef der NRW-Landesgruppe im Deutschen Bundestag. Danke für das Gespräch!
Schäfer: Danke Ihnen auch!
Grieß: Einen schönen Tag!
Schäfer: Einen schönen Tag!
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