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Von der Quasselbude in eine neue Zeit

Die Angst wächst auch bei den Mitgliedern der Arabischen Liga. Für diesen als "Quasselbude" und "zahnlosen Tiger" verspotteten Staatenbund war die Arabellion, die vor einem Jahr in Tunesien ihren Anfang nahm, ein politischer Weckruf. Seither ist sie auf der Suche nach einer neuen politischen Rolle und mischt sich immer wieder ein.

Von Björn Blaschke |
    Egal, welche Initiative die Arabische Liga ergreift, ob vor der UN-Vollversammlung, im UN-Sicherheitsrat oder im direkten Dialog mit dem Regime in Damaskus: Alles diene nur einem Ziel, sagt der Algerier Ahmed Benhelli, Stellvertreter von Nabil al-Arabi, also Vizegeneralsekretär der Arabischen Liga. Und dieses Ziel heiße "friedliche Beilegung des Konfliktes in Syrien":

    "Zuerst ein Ende der Gewalt. Vonseiten der Regierung und vonseiten der Opposition. Dann eine Übergangsregierung, wofür der Präsident die Macht an seinen Stellvertreter abgibt. Der hält Wahlen ab. Und dann soll eine neue Verfassung erarbeitet werden - und andere Reformen."

    Diese Reihenfolge müsse eingehalten werden. Was bedeutet, dass die Arabische Liga den Vorstoß von Syriens Präsident Bashar al-Assad ablehnt, nächstes Wochenende per Referendum eine neue Verfassung zu verabschieden. Wie könne eine Abstimmung repräsentativ sein, wenn ein Teil des Volkes von der Abstimmung ausgeschlossen ist, weil in einigen Orten die nackte Gewalt herrscht.

    Ja, so räumt Ahmed Benhelli ein, das syrische Regime versuche, der Weltöffentlichkeit mit Manövern wie dem Verfassungsreferendum auf der Nase herumzutanzen. Aber was könne die Arabische Liga schon tun? Oder die UN? – Man müsse auf eine friedliche Regelung des Konfliktes setzen.

    "Wenn es keine Einigung in Syrien gibt auf eine Übergangsregierung und keinen Kompromiss zwischen den Oppositionellen, wird es einen Bürgerkrieg geben, besonders auch, weil Syrien ein Mosaik an Minderheiten ist – Muslime, Christen, Schiiten, Sunniten, Armenier, Drusen, Kurden – ein Mosaik. Und der Konflikt könnte auf die ganze Region übergreifen. Libanon oder Irak. Die Iraker haben Angst davor."
    Die Gefahr, dass es zu einem regionalen Krieg kommt, wäre ungleich größer, wenn es zu einem internationalen Eingreifen käme. Deshalb – so Benhelli - sei die Arabische Liga, sozusagen: gelähmt. Den Einwand, dass die Liga im Falle Libyens - vor einem Jahr - mit dem Ruf nach internationaler Intervention einen großen Schritt weitergegangen ist als bei Syrien, wischt er beiseite. Muammar Al-Gaddafi sei entschlossen gewesen, den Tod von Zehntausenden hinzunehmen. Da habe man handeln müssen. Und Bahrain vor einem Jahr? – Bei den Unruhen in dem kleinen Golf-Königreich hat die Arabische Liga im Prinzip geschwiegen – auch als Saudi Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate dem kleinen Bruderland mit Panzern halfen, den Aufstand zu unterdrücken.

    "Bahrain ist ein Sonderfall. Warum? Erstens weil Bahrain immer von Iran als Provinz beansprucht wurde. Deshalb hat Bahrain eine Sonderrolle. Und zweitens auch weil es in Bahrain Schiiten und Sunniten gibt. Wenn die einen, die Schiiten, das sunnitische Herrscherhaus durch einen der ihren ersetzen wollen, könnte dieser Funke auch auf die anderen Golfmonarchien überspringen."

    Der Funke der Revolution. Hier - in Libyen, wie gesagt - hat die Arabische Liga ihn hingenommen und selbst ein Feuer entfacht; dort – in Syrien – hat sie Angst vor einem übergreifenden Flächenbrand, weshalb sie Veränderungen will, aber welche mit Bedacht. In Bahrain hatten Liga-Mitglieder vom Golf Angst vor Funkenflug, weshalb sie selbst gehandelt haben. Misst die Liga also mit zwei, drei, mehrerlei Maß? – Benhelli, immerhin der Mann nach Generalsekretär al-Arabi, spricht nicht von unterschiedlichen Maßen; er spricht – ganz der Diplomat - von "unterschiedlichen Positionen":

    "Sehen Sie, jeder arabische Staat hat eine besondere Position. Und die Arabische Liga setzt sich aus diesen Positionen zusammen und reagiert immer anders."

    Früher waren Länder wie Ägypten, Syrien und Irak in der Arabischen Liga stark; konnten ihre Positionen durchsetzen. Heute sind es Saudi Arabien, Qatar oder die Vereinigten Arabischen Emirate. Sie treten in der Arabischen Liga sehr geschlossen und bestimmt auf; zum Beispiel gegen das Regime in Damaskus. Vielleicht, weil die sunnitischen Staatschefs die guten syrischen Beziehungen zum schiitischen Iran stören; zum Erzfeind Teheran.
    Wie auch immer: Die Golfaraber prägen die Politik der Arabischen Liga – auch mit ihrer Haltung zu den Demokratie-Bewegungen des – sogenannten – "Arabischen Frühlings":

    "Wir versuchen alle Länder der Liga zum Handeln zu motivieren. Aber tatsächlich die Golfstaaten sind aktiver. Die Situation der arabischen Länder und die Demokratiebewegungen haben die Arabische Liga gezwungen, zu reagieren. Aber die Liga ist so stark wie ihre Mitglieder. Ja, die Veränderungen spiegeln sich in der Arabischen Liga wider."

    Und deren Vertreter, wie Benhelli, wissen, dass die Liga sich wegen der Veränderungen in der arabischen Welt weiterentwickeln muss.

    "Es gibt jetzt ein Komitee, das die Arabische Liga weiterentwickeln soll. Es wird einen Plan geben, wie die Arabische Liga in Zukunft aussehen soll. Am 29. März, beim Gipfeltreffen der arabischen Staatschefs in Bagdad, soll dem Generalsekretär ein entsprechendes Papier übergeben werden."
    Und vielleicht überlegen sich die Verfasser des Papieres ja auch Mechanismen, die weniger widersprüchlich sind als manche Positionen heute noch wirken – wenn es um Libyen geht, Bahrain oder Syrien.